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3. Übertragung von Krankheitserregern von Flächen

Günter Kampf

Eine Übertragung von Mikroorganismen von unbelebten Flächen ist auf verschiedenen Wegen denkbar (11). Doch zunächst wird an einem Fallbeispiel geschildert, dass bei vereinzelten Ausbrüchen kontaminierte Flächen als Erregerreservoir betrachtet wurden.

Fallbeispiel

Auf einer traumatologischen Intensivstation kam es bei sechs von sieben Patienten zu einer Sepsis durch Imipenem-resistente A. baumannii, drei der Patienten starben. In der Patientenumgebung wurde die Spezies in 29 Proben nachgewiesen, auf den Händen der Mitarbeiter gelang der Nachweis in 12 Fällen. Nach ihrer vorübergehenden Schließung wurde die gesamte Station desinfiziert sowie die Händehygiene geschult. Im ersten Monat nach der Wiedereröffnung wurde die Spezies nicht mehr auf den Oberflächen nachgewiesen. Die Autoren erklärten den Ausbruch mit zahlreichen kontaminierten Flächen, von wo aus die Bakterien über die Hände der Mitarbeiter auf Patienten übertragen wurden (17).

Die mögliche Verbreitung über Flächen wurde beispielhaft mit einer Marker-DNA untersucht. Auf zwei Intensivstationen wurden 13 Dopplerultraschallgeräte sowie drei EKG-Geräte kontaminiert. Nach ein, zwei sowie sechs Tagen fand sich die DNA auf der chirurgischen Intensivstation auf 10 % bis 23 % der Flächen im Patientenzimmer sowie auf 18 % bis 30 % der allgemeinen Arbeitsflächen. Auf der internistischen Intensivstation war die DNA nur an den ersten beiden Tagen auf 7 % bis 10 % der Flächen im Patientenzimmer sowie auf 14 % bis 40 % der allgemeinen Arbeitsflächen nachweisbar (13).

3.1. Infektiöse Dosis

Die Höhe der infektiösen Dosis ist nur für wenige Krankheitserreger bekannt. Sie wird von Noroviren auf zehn bis 100 Viren geschätzt (6). Noroviren werden bei einer Infektion beim Erbrechen von einem Volumen von mindestens 30 ml in einer Virenzahl von etwa 30 Millionen auf Flächen gebracht (6).

Bei Erwachsenen gelten für Rotaviren bereits zehn Viren als infektiös (28). Bei etwa 1.000 Rotaviren auf Flächen (getrocknete künstliche Kontamination) und anschließendem Ablecken der Fläche sind 100 % der acht Probanden erkrankt (27).

Die infektiöse Dosis des Poliovirus wird mit 20 bis 100 Viren für Säuglinge im Alter von zwei Monaten angegeben (19).

Für SARS-CoV-2 wurde eine infektiöse Dosis von etwa 1.000 Viren ermittelt (22).

Ob auf Flächen im Patientenumfeld eine ausreichend hohe infektiöse Dosis für die typischen Auslöser nosokomialer Infektionen nachweisbar ist, bleibt fraglich (15).

3.2. Übertragen auf die Hände

3.2.1. Bakterien

In der Mehrzahl der Studien kann durch einen kurzen Kontakt der Hände oder Fingerkuppen lediglich ein kleiner Teil der bakteriellen Kontamination von Flächen auf die Haut übertragen werden (häufig weniger als 10 %). Eine genauere Betrachtung zeigt, dass die Höhe der Transferrate vom Material abhängt (Tabelle 3.1). In allen hier dargestellten Studien lag mit mindestens 106 KBE eine hohe Ausgangskeimzahl vor, die auf Flächen im Patientenumfeld nur selten vorgefunden wird (vergl. Kapitel 7 und 8).

Im Lebensmittelbereich wurde dazu eine interessante Entdeckung gemacht. Der relative Anteil übertragener Bakterien von verschiedenen Flächen ist insgesamt höher, wenn das Inokulum niedriger ist, wohingegen der relative übertragene Anteil niedriger ist, wenn ein hohes Inokulum vorliegt (20). Ob dieser höhere Anteil ausreicht, um eine infektiöse Dosis auf den Händen zu haben, ist jedoch unklar.


Tabelle 3.1: Übertragungsraten von Bakterien (durchgängig Laborstämme) von unbelebten Flächen auf die Haut; *Bakterienzellen im trockenen Biofilm; **Übertragung auf Schweinehaut.

3.2.2. Viren

Durch kurze Kontakte lassen sich in Abhängigkeit von der Dauer der Trocknungszeit zwischen 1,6% und 22% der Kontamination von HAV von Flächen auf Hände oder Fingerkuppen übertragen. Mit Rotaviren zeigte sich ein ähnliches Verhältnis. Die Übertragungsraten von Influenza-A-Viren, Parainfluenzaviren bzw. Noroviren ist mit 7,9 %, 1,5 % und 1,8 % bis 3,8 % relativ niedrig. Mit im Labor angezüchteten Rhinoviren wurde eine Übertragungsrate von 0,7 % beschrieben, mit Rhinoviren aus dem Nasensekret infizierter Personen lag die Übertragungsrate von klinischen Infektionen mit bis zu 56 % deutlich höher. Poliovirus erwies sich mit 23 % bis 36 % als relativ gut übertragbar von Flächen. Bakteriophagen waren ebenfalls relativ leicht von kontaminierten Flächen auf die Hände übertragbar (Tabelle 3.2). Die Transferrate von Viren von Glas auf die Hände hängt auch stark vom Zeitpunkt des letzten Händewaschens ab: ungewaschene Hände übertragen mehr Viren (14).

Die Wahrscheinlichkeit, das Ebolavirus über kontaminierte Flächen zu übertragen, ist gering. Auf einer Isolierstation in Uganda, auf der Verdachtsfälle der Ebolaviruskrankheit behandelt wurden, lies sich weder infektiöses Ebolavirus noch Virusgenom von den 33 untersuchten unbelebten Flächen nachweisen. Lediglich von den mit Blut kontaminierten Positivkontrollen war das Ebolavirusgenom nachweisbar (3). Im unmittelbaren Umfeld des Patienten jedoch ließ sich das Ebolavirusgenom durchaus nachweisen wie auf der Bekleidung (zwei von fünf Proben), der Decke (eine von drei Proben), der Matratze (vier von acht Proben) sowie persönlichen Gegenständen (eine von fünf Proben) (3).

Für SARS-CoV-2 gelten unbelebte Flächen als Quelle für Übertragungen ebenfalls als wenig wahrscheinlich. Denn in allen bis zum Februar 2021 veröffentlichten Studien wurde im unmittelbaren Umfeld von COVID-19-Patienten nur sehr selten infektiöses SARS-CoV-2 nachgewiesen, auch wenn in unterschiedlicher Häufigkeit die RNA von SARS-CoV-2 auf diesen Flächen gefunden wurde (5, 8, 15, 21, 26, 31). Vergleichbare Erkenntnisse wurden zur Übertragung von Influenzaviren gewonnen, aus denen hervorgeht, dass unbelebte Flächen keinen wesentlichen Einfluss auf die Übertragung der Virusgrippe haben (30).

Insgesamt gilt das Risiko einer Übertragung von Influenzaviren und Rhinoviren durch einen einzigen Hand-Fläche-Kontakt, gefolgt von einem einzelnen Hand-Nasen-Kontakt als gering (Rhinoviren: 0,0486 %; Influenzaviren: 0,0000000256 %). Für Rotaviren wurde das Risiko einer Übertragung durch einen Hand-Mund-Kontakt mit 0,0457 % angegeben.

Bei wiederholten Kontakten über insgesamt sechs Stunden ist das jeweilige Übertragungsrisiko höher.


Tabelle 3.2: Übertragungsraten von Viren von unbelebten Flächen auf Hände bzw. Haut; *niedrigere Übertragungsrate bei längerer Trocknungszeit des Inokulums; **Endpunkt: Infektion nach Kontakt mit einer unbehandelten Fläche und unmittelbar anschließendem direktem Kontakt mit der eigenen Augen- und Nasenschleimhaut; ***Endpunkt: Infektion nach Kontakt mit einer desinfizierten Fläche und unmittelbar anschließendem direktem Kontakt mit der eigenen Augen- und Nasenschleimhaut; ****alle 15 s Kontakt von einem anderen Probanden; PFU = „plaque-forming units“ (Höhe des Virustiters).

Für Rotaviren liegt es bei 7,24 %, für Rhinoviren bei 2,78 % und für Influenzaviren bei 0,0000343 %. Eine Reduktion der Virenlast um zwei log10-Stufen, beispielsweise durch eine Reinigung, reduziert das Übertragungsrisiko bei wiederholten Kontakten über insgesamt sechs Stunden von Rotaviren zusätzlich um ein 76-faches, von Rhinoviren zusätzlich um ein 90-faches und von Influenzaviren zusätzlich um ein 94-faches. Eine Reduktion der Virenlast um fünf log10-Stufen, beispielsweise durch eine Desinfektion, reduziert das Übertragungsrisiko bei wiederholten Kontakten über insgesamt sechs Stunden nochmals um etwa das 1.000-fache (29).

Fazit für die Praxis

1. Die Mehrzahl der Studien zeigen, dass durch einen kurzen Kontakt der Hände oder Fingerkuppen lediglich ein kleiner Teil der bakteriellen Kontamination von Flächen (häufig < 10 %) auf die Haut übertragen werden kann.

2. Die Höhe der Transferrate hängt dabei von der Art des Materials ab.

3. Der relative Anteil übertragener Bakterien von verschiedenen Flächen ist insgesamt höher, wenn das Inokulum niedriger ist.

4. Die Übertragungsraten sind bei Influenza-A-Viren, Parainfluenzaviren bzw. Noroviren relativ niedrig (≤ 10 %).

5. Eine längere Trocknungsdauer reduziert die virale Transferrate auf Fingerkuppen.

6. Rhinoviren aus dem Nasensekret infizierter Personen können durch Handkontakt mit kontaminierten Flächen in 56 % Neuinfektionen verursachen, wenn unmittelbar nach dem Flächenkontakt die eigene Augen- und Nasenschleimhaut berührt wird.

7. Das Poliovirus erwies sich mit 23 % bis 36 % als relativ gut von Flächen auf Hände übertragbar.

8. Insgesamt gilt das Risiko einer Übertragung von Influenzaviren und Rhinoviren durch einen einzigen Hand-Fläche-Kontakt, gefolgt von einem einzelnen Hand-Nase-Kontakt, als gering.

Literatur

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