Читать книгу Das Erbe der Macht - Band 24: Schattenkrieg - Andreas Suchanek - Страница 13
ОглавлениеWas ist hier passiert?«
Alex betrachtete das verbogene Noxanith zwischen den zersplitterten Edelsteinen. Die gesamte Apparatur unter Paris war nur noch ein Trümmerhaufen.
In Gedanken spielte er mit dem Amulett, das Morgana ihm bei seinem letzten Besuch übergeben hatte. Eingefasst in einen Metallkreis war ein Gitter, in dessen Mitte sich ein grüner Stein befand. Gehalten wurde das winzige Artefakt von einem Lederband. Letztlich glich es einem Permit, wie Leonardo eines besessen hatte, um das Archiv zu betreten. Bedauerlicherweise wusste Alex nicht, wie es aktivierbar war und was er damit bewerkstelligen konnte.
»Merlin überlässt nichts dem Zufall.« Mit seinen breiten Schultern, dem Dreitagebart und den dicken Oberarmen wirkte Artus wie einer seiner früheren Ritter. »Er weiß, dass über das Portal die alternative Version von London erreichbar war, mit Morgana darin. Und der Bibliothek von Camelot.«
»Wieso ist er nicht einfach hindurchgegangen und hat sie angegriffen?«, fragte Chloe.
»Ich erinnere mich als wäre es gestern gewesen.« Mit ihren Fingern strich Clara über ein Schrapnell aus Noxanith. »Wir sind übergewechselt, um die Silberregen-Träne zu finden. Dort drüben hat Merlin keine Macht, der Wall existiert nicht. Zusätzlich befinden sich in Morganas Haus Dutzende von Sigilen, die die Gestalt von Kindern angenommen haben.«
Womit das gesamte Splitterreich eine Gefahr für Merlin darstellte. Er hatte es irgendwie mit der Apparatur verknüpft, um es schließlich für immer abzuspalten.
»Wir brauchen die Informationen aus der Bibliothek«, sagte Alex. »Es ist die ältestes Wissenssammlung zur alten Magie.« Er wandte sich Artus zu. »Du bist absolut sicher, dass wir darin Hinweise zu seinem Plan entdecken werden?«
»Er hat sich in den Tagen vor seinem Verrat ständig dort vergraben, mürrisch und schweigsam«, erwiderte der gefallene König. »Dann, plötzlich, war er blendender Laune. Kurz darauf entdeckte ich seinen Pakt mit dem Anbeginn.«
Merlin hatte Jahrhunderte Zeit gehabt, seinen Plan durchzuführen und die Hinweise zu vernichten. Die Zerstörung des Archivs, der Tod der Archivarin, der durch die Schattenfrau ausgelöste Brand der Bibliothek des Castillos – alles Schritte auf dem Weg, die Vergangenheit unzugänglich zu machen.
»Wie kommen wir nach Dark London?« Chloe studierte die Anordnung, betrachtete die Symbole auf der zerstörten Steuerungseinheit der Apparatur. »Kennt einer von euch die Symbole zur Öffnung eines Durchgangs für ein Splitterreich?«
Clara schüttelte den Kopf. »Die Schattenfrau hat einen solchen Zauber ein- oder zweimal ausgeführt, aber das war vor der Vollendung des Walls. Jetzt ist das alles noch viel schwieriger.«
»Excalibur?«, fragte Alex und deutete auf den Essenzstab von Artus.
»Das wage ich nicht«, erklärte Artus. »Dieses Artefakt entstammt dem Anbeginn. Das Gewebe der Wirklichkeit wehrt sich dagegen, ein Riss könnte uns sonst wohin schleudern.«
Wütend kickte Alex einen Kiesel in den Abgrund. Unter der Hängebrücke lag das brackige Wasser in der Stille. Alles hier atmete Tod. Und vor der magisch versiegelten Höhle lagen die Pariser Katakomben, angefüllt mit Totenschädeln.
»Wer kennt sich mit Splitterreichen aus?«, fragte Clara. »Wir benötigen einen Spezialisten.«
»Alana Franke«, sagte Chloe sofort.
»Sie hatte die Hilfe von H. G. Wells, aber der ist verschwunden«, verwarf Alex die Idee. »Moment! Wir kennen jemanden.«
Blicke richteten sich erwartungsvoll auf ihn.
»Den Lord«, sagte er.
»Der Unbekannte, der den Schattenmarkt ausrichtet?« Chloe runzelte die Stirn. »Woher kennst du den?«
»Genau genommen tue ich das nicht«, erwiderte er. »Jen war einmal dort, da war er gerade in Berlin.«
Nach der Rückkehr seiner Erinnerung hatte Alex sich mithilfe von Mentigloben auf den neuesten Stand der Entwicklung gebracht. Jen hatte gemeinsam mit Chris, Kevin und Max den Schattenmarkt aufgesucht. Dort waren sie auf den Lord getroffen, am Ende hatte ein Drache alles verwüstet. Alana Franke hatte das Tier in ihr Splitterreich evakuiert, während Jen das Reich des Lords betreten hatte. Er lebte in einem stabilen Splitterreich, ähnlich einer Dimensionsfalte.
»Wo ist der Schattenmarkt jetzt?«, fragte Chloe.
»Prag«, erklärte Artus wie aus dem Essenzstab gefeuert. »Was? Schaut nicht so verblüfft. Ich bin immer über alles informiert. Vergesst nicht, dass ich Jahrhunderte mit der Suche nach Merlin verbracht habe.«
»Du kannst uns hinbringen?«, fragte Alex.
»Ich muss einen Kontaktmann bitten«, erwiderte Artus. »Das wird ein wenig dauern.«
Chloe war bereits dabei, die für den Sprungkreis notwendigen Symbole auf den Boden zu zeichnen. Gemeinsam traten sie in das Zentrum.
Alex blickte noch einmal seufzend über die Höhle. Die Trümmer der Apparatur verdeutlichten, dass Merlin aufs Ganze ging. Lose Enden wurden abgeschnitten, die letzten Züge gemacht. Er kam seinem endgültigen Sieg mit großen Schritten näher. Die vielen Toten durch die Essenzstab-Detonationen waren nur der Anfang gewesen. Ähnlich hatte er sich gefühlt, als die Allmacht durch die Schattenfrau entstanden war.
Geschichte wiederholte sich zyklisch.
Doch anders als damals hatten sie keinen Plan, keine Idee, wie das Ruder noch einmal herumzureißen war. Sie stocherten im Trüben, um Informationen zu finden. Sehnten ein Wunder herbei.
Alex war in Angel Town aufgewachsen, er hatte früh gelernt, keine Hoffnung auf etwas Besseres zu haben. In einer regnerischen Nacht hatte es begonnen. Die Welt der Magie hatte ihm so viel enthüllt. Schönes, aber auch Grausames.
Er wollte glauben.
»Corpus Disparere. Corpus Aportate«, sprach Chloe.
Neongrüne Essenz loderte empor, ein Bild überlagerte die Katakomben. Eine Gasse in Prag erschien um sie herum. Die Flammen erloschen, die Symbole verschwanden.
»Hier in der Nähe gibt es ein Hotel«, erklärte Chloe. »Ich kenne die Gegend, deshalb konnte ich das Ziel ansteuern. Wenn es länger dauert, sollten wir dort Unterschlupf suchen.«
»Dann gehen wir …«
»Auf keinen Fall«, unterbrach Artus Alex. »Ich gehe allein. Und das steht nicht zur Diskussion. Sobald ich den aktuellen Ort des Schattenmarktes herausgefunden habe, sende ich euch eine Wasserbotschaft oder eine Essenzspur.«
Damit wandte sich der arrogante Sack einfach ab und ging davon.
»Ob er es merkt, wenn ich ihm einen Kraftschlag in den Ar…«
»Oder«, unterbrach ihn Clara, »wir gehen jetzt in dieses Hotel. Viel mehr bleibt uns nämlich gar nicht übrig.«
Innerlich brodelte Alex. Er hatte lange genug ohne Erinnerung auf der Ersatzbank gesessen. Ausgerechnet jetzt, wo alles auf dem Spiel stand, sollte er Däumchen drehen. Das machte einmal mehr deutlich, dass Artus seine Königsallüren noch immer nicht abgelegt hatte. So viel zum Teamplayer.
Grummelnd folgte er Chloe, die die Richtung vorgab.
Es war seltsam, sie wieder dabei zu haben. Einfach so. Durch das Chaos mit den Essenzstäben hatte es keinen Moment der Ruhe gegeben, keine Chance, alles zu verarbeiten oder persönliche Worte zu wechseln.
Die Blicke der anderen Magier hatten verdeutlicht, dass es nicht so einfach werden würde, zu einem normalen Miteinander zurückzukehren.
»Dort vorne.« Chloe deutete auf einen unscheinbaren Eingang.
Dahinter wartete ein Hotel, eingerahmt von einem Laden für Erotikartikel und einer Apotheke. Davor standen fünf Taxis, die Fahrer lasen gelangweilt in Zeitungen oder tippten auf ihren Smartphones herum.
»Tolle Gegend«, kommentierte Alex.
»Bahnhofsnähe«, sagte Chloe nur. »Ist doch in jeder Großstadt dasselbe.«
Am Tresen erwartete sie ein älterer Herr in den Sechzigern, es roch nach Zigaretten und Blumenkohl.
Alex schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass Artus sich beeilte.