Читать книгу Young Agents New Generation - Andreas Schluter - Страница 12
ОглавлениеWährend Abena ins Gefängnis gegangen ist, um Shiona auszuspionieren, habe ich vom Prof den Auftrag erhalten, mich an die Fersen des Gorillas zu hängen. Er ist die rechte Hand von Thorsten Maffei, kümmert sich um die Villa, wenn Maffei nicht dort ist, und übernimmt wohl auch sonst alle möglichen Aufgaben wie ein persönlicher Assistent des Gangsterbosses. Wir können also annehmen, dass neben Shiona der Gorilla derjenige ist, dem Maffei vertraut – vermutlich ihm sogar noch mehr als seiner eigenen Tochter. Denn Shiona ist erst in die Geschäfte ihres Vaters eingeweiht worden, als der ins Gefängnis kam. Doch bisher kennen wir YOUNG AGENTS den Gorilla eben auch nur durch Maffeis Villa. Weder wissen wir, wie er heißt, noch, wo er wohnt, noch, was er wirklich alles für Maffei erledigt. Das alles wäre aber wichtig, denn wenn Maffei die Entführung der Richter-Tochter angeordnet hat, dann war es mit hoher Wahrscheinlichkeit der Gorilla, der das ausgeführt und organisiert hat. Deshalb also bin ich gemeinsam mit Billy auf ihn angesetzt worden.
Zuvor aber habe ich etwas anderes zu erledigen. Etwas, das mir viel schwerer fällt, als einen Schwerbrecher zu beschatten: Ich soll meine neuen »Eltern« kennenlernen.
Bisher wohne ich bei Billy. Das funktioniert zwar recht gut, und ich fühle mich dort wohl, aber mir ist klar, dass das keine Dauerlösung sein kann. Die Wohnung ist zu eng, Billys Eltern sind damit langfristig überfordert. Und da Billys Familie selbst eine sogenannte »Problemfamilie« ist, also recht arm, meist verschuldet, die Eltern immer wieder arbeitslos und so weiter, würden sie wahrscheinlich gar nicht die Genehmigung bekommen, mich zu betreuen oder gar zu adoptieren. Genau darum geht es aber: Ich brauche offizielle Pflegeeltern, damit ich nicht mehr als Ausbrecher aus einem Kinderheim gelte und auch die Polizei nicht mehr nach mir fahndet. Daraus, dass die Polizei mich während unseres letzten Falls einmal tatsächlich kurz aufgegriffen hatte, hat die Zentrale des Geheimdienstes gelernt und sich nun recht schnell darum gekümmert, mir eine Pflegefamilie zu »besorgen«.
Nun sitze ich im Büro des Profs, um meine neuen Pflegeeltern kennenzulernen. Noch sind der Prof und ich aber allein.
»Wo haben Sie die Eltern so schnell her?«, frage ich.
»Das spielt keine Rolle«, wiegelt der Prof ab. »Wichtig ist, dass sie dich aufnehmen. Damit hast du eine offizielle Adresse.«
»Wissen sie Bescheid?«, hake ich nach.
»Na ja«, räumt der Prof ein. »So ganz ohne ginge es ja nicht. Aber es ist in etwa so wie bei Billys Eltern: Sie wissen es vom Grunde her, aber keine Details. Und sie werden auch nicht fragen.«
Und mit einem Schlag wird mir alles klar. Ehrlich gesagt hatte ich gedacht – oder zumindest gehofft –, ich würde in eine Agentenfamilie kommen. So ähnlich wie Abenas Eltern, die ja selbst einmal Agenten waren. Oder vielleicht sogar noch besser: Eltern, die jetzt noch aktive Agenten sind. Dann wäre ich sozusagen der Sohn von, sagen wir, James Bond und Lara Croft oder so. Oder zumindest von einem Millionärsehepaar, das insgeheim den Geheimdienst unterstützt. Ja, so ein bisschen wie Bruce Wayne, das Alter Ego von Batman. Tätig als Agent und im privaten Tarnleben der Adoptivsohn eines stinkreichen Millionärsehepaars. Yeah, das wäre cool!
»Tim?«, ruft der Prof mich aus meinen Tagträumen.
»Ja?« Ich bin wieder in der Realität gelandet und weiß, keiner von all meinen schönen Wünschen wird sich erfüllen. Ganz im Gegenteil. »Wie Billys Eltern«, hat der Prof eben gesagt. Und das bedeutet nichts anderes, als dass der Geheimdienst ein Ehepaar gefunden hat, das so tief in der Scheiße steckt – um es mal krass auszudrücken –, dass die sich gegen regelmäßige Bezahlung darauf einlassen, mich, einen YOUNG AGENT, bei sich aufzunehmen und über alles zu schweigen. Eben ganz so »wie bei Billys Eltern«, nur dass die seine leiblichen Eltern sind.
Obwohl mir soeben sonnenklar geworden ist, dass es sich genauso verhält, frage ich trotzdem noch mal nach.
Der Prof bestätigt meine Vermutung.
»Natürlich«, antwortet er. »Meinst du, die Eltern stehen vor meinem Büro Schlange, um kleine Kinderagenten aufzuziehen? Niemand weiß von euch. Deshalb müssen wir Eltern aussuchen, die so sehr auf unser Geld angewiesen sind, dass sie uns garantiert nie verraten.«
Ich verziehe das Gesicht. Schon klar! Trotzdem Mist.
»Dann könnte ich doch bei Billy bleiben«, wende ich ein. »Seine Eltern kenne ich wenigstens schon und komme gut mit ihnen klar.«
»Aber die kommen nicht mit zwei Agentenkindern klar«, sagt der Prof entschieden. »Außerdem besteht bei jedem Fall erneut die Gefahr, dass einer von euch auffliegt. Damit es dann auch wirklich nur einer ist, solltet ihr möglichst nicht zusammenwohnen. Dass Naomi, Charles und Balu zusammen in einer Agentenwohnung leben, ist schon extrem ungünstig und eine absolute Ausnahme. Auf lange Sicht werden wir das auch noch ändern.«
»Ich verstehe«, antworte ich kleinlaut. Und füge meine nächste Frage hinzu: »Und? Was sind meine neuen Eltern denn von Beruf?«
»Ach, das ist eigentlich sehr praktisch«, antwortet der Prof. »Sie betreiben eine kleine Imbissbude.«
»Einen Imbiss?«, wiederhole ich. In dem Moment weiß ich nicht einmal, ob ich das gut oder schlecht oder seltsam finden soll. Ich bin einfach nur überrascht. Denn ehrlich gesagt hatte ich damit überhaupt nicht gerechnet.
»Ja«, bestätigt der Prof. »Das ist doch perfekt.«
»Öh … Okay …«, stottere ich.
»Das Beste daran ist, dass deine neuen Pflegeeltern von früh bis spät in diesem Imbiss zu tun haben. Morgens auf dem Markt einkaufen, dann die Mahlzeiten vorbereiten, denn das erste Hauptgeschäft geht schon in der Mittagszeit los. Und dann bis spät in den Abend. Der Imbiss hat bis 23 Uhr geöffnet. Das heißt, du bist mehr oder weniger den ganzen Tag allein zu Hause und kannst unbehelligt deinen Aufgaben als Agent nachgehen.« Der Prof räuspert sich. »Und deinen Hausaufgaben natürlich.«
»Hausaufgaben?« Wieder schaffe ich es nur, das Wort zu wiederholen.
»Natürlich«, fährt der Prof fort. »Zu deiner neuen Identität gehört es ja auch, dass du ganz normal zur Schule gehst.«
»Etwa …«
Der Prof nickt, denn er weiß schon, was ich fragen will.
»Genau: in dieselbe Schule wie Abena und Billy. Nur zwei Klassenstufen tiefer.«
Mist! denke ich. Mit das Schönste an meinem derzeitigen Agentendasein und zuvor dem Leben als Flüchtling aus einem Heim war, dass ich nicht zur Schule musste. Gegenüber dem Prof aber sage ich natürlich: »Oh! Toll!«
Aber der Prof ist mit seinem Begeisterungssturm noch nicht zu Ende. »Und im Keller der Imbissbude könnt ihr YOUNG AGENTS künftig eure Meetings abhalten. Niemandem fällt es auf, wenn eine Gruppe von Kids in einem Imbiss verschwindet und sich dort regelmäßig trifft.«
»Okay«, sage ich. »Dann können wir uns bei unseren Treffen wenigstens den Bauch mit Currywurst vollschlagen. Wie hier bei Ihnen im Bunker. Oder mit Döner?«
Der Prof schüttelt den Kopf.
»Weder noch«, sagt er. »Es ist ein thailändischer Imbiss. Hatte ich das noch nicht gesagt?«
»Oh!«, rufe ich ehrlich verdutzt. »Das hätte ich jetzt wirklich nicht gedacht, dass deutsche Eltern einen thailändischen Imbiss betreiben.«
»Na ja«, präzisiert der Prof. »So ungewöhnlich ist es eigentlich nicht. Sie haben die deutsche Staatsbürgerschaft seit fünfzehn Jahren. Aber geboren und aufgewachsen sind sie in Thailand.«
»Moment mal«, werfe ich ein, um es richtig zu verstehen. »Ich bekomme ein thailändisches Ehepaar als Pflegeeltern?«
»Ja!«, erwidert der Prof. »Wieso denn nicht?«
»Öh …«, stottere ich. Und denke: Stimmt eigentlich. Wieso nicht?