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Der zweite Tag

Nacht

Die Sterne standen faustgroß über meinem Kopf. Das Leuchten der Milchstraße schien mir wie ein silberner Fluss, in der Unendlichkeit schwebend. Es war still. So still, dass ich jede Bewegung der Luft spüren konnte. Plötzlich wurde es heller. Ich sah, wie ein riesiger Komet auf die Berge zuraste, in deren Schutz Boabdil und ich unser Lager aufgeschlagen hatten. Angst fuhr mir in die Glieder. „Rette dich!“, schrie mein Körper. Doch mir wurde schlagartig bewusst, dass man seinem Schicksal nicht entfliehen kann. Ich sah zu Boabdil hin. Er blieb gelassen, suchte meine Nähe. Ein Hengst, dessen große Augen Vertrauen und Zuversicht ausstrahlten. Meine Angst wich und ich begann, das einmalige Schauspiel zu genießen.

Es wurde heller als am hellsten Tag. Jeder Millimeter der Landschaft war mit grellstem Licht erfüllt, verdrängte die Dunkelheit für einen Moment vollständig und absolut. Was ich sah, übertraf alle meine Vorstellungen. Die Berge wurden von einem Licht beleuchtet, das weder von der Sonne noch vom Mond herrührte. Die Gebirgskette strahlte in einem Blau wie ein gewaltiger Diamant, der die Welten trennte: dort das Fremde, schwarz und grenzenlos, und hier die blaue Erde, auf der wir lebten. Es gab in diesem Moment nur zwei Farben. Ich wartete auf einen gewaltigen Knall. Stattdessen wurde es wieder so still und dunkel wie zuvor. Nur die Milchstraße mit allen Sternen schimmerte hell und klar, als wäre nichts geschehen – wie die Ewigkeit selbst. „Wie groß das alles ist“, sagte ich zu mir. „Wie gewaltig groß.“

Da wusste ich noch nicht, dass ich am kommenden Tag mit gebrochenen Knochen in den Bergen liegen, mein Geist auf eine harte Probe gestellt werden und ich Freundschaft und Treue in anderen Dimensionen erleben würde. Nichts davon konnte ich erahnen. Die faustgroßen Sterne waren das Letzte, was ich vor dem Einschlafen sah. „Wie groß“, dachte ich, „wie gewaltig groß.“

Boabdil

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