Читать книгу Boabdil - Andrej Melehin - Страница 8

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Der dritte Tag

Vormittag

Die Sonne stand schon deutlich höher, und der Schatten, der mir bisher noch eine angenehme Kühle geschenkt hatte, verschwand. Die Hitze brannte. Ich versuchte, etwas weiter zu kriechen, um wenigstens meinen Kopf aus der grellen Hitze zu bekommen. Als ich einen Meter geschafft hatte, war mein Lebenswille zurückgekehrt. Mein Wunsch, Boabdil, für den Natalja und ich so viel gearbeitet und gespart hatten, zu finden, war stärker als jeder Schmerz. Ich konnte nicht mehr einfach daliegen und abwarten. Zuerst versuchte ich, wie ein Regenwurm zu kriechen. Doch jedes Mal endete die Anstrengung mit viel Staub im Gesicht. Bei der Vorstellung, wie das von außen aussehen müsste, fing ich an zu lachen, bis sich mein Lachen in Tränen verwandelte. Doch ich wollte jetzt nicht weinen, ich wollte kämpfen! Mir wurde plötzlich wieder bewusst, dass ich aus einer Kriegerkaste stamme. Schon einmal hatte ich verletzt durch die sibirische Taiga kriechen müssen. Und jetzt, unter diesem unendlich schönen Himmel wollte ich ganz sicher nicht aufgeben.

„Scheiß drauf!“, wütete ich gegen den Schmerz. Ich sagte es laut und legte meine ganze Verachtung über die Verletzungen hinein. In diesem konzentrierten Zustand bäumte ich mich auf dem linken Fuß auf. Geradestehen konnte ich nicht. Mein rechter Arm und das rechte Bein waren nur lästige Anhängsel meines Körpers. Es zahlte sich jetzt aus, dass ich in meiner Jugend viel Sport getrieben hatte. Immer noch war ich fit, und mein Leben in den Bergen hatte deutlich dazu beigetragen. Ich begann auf dem linken Fuß zu hüpfen. So richtige Sprünge waren es nicht. Mein Körper schwang nach oben, während sich der Fuß durch die Gewichtsentlastung wenige Zentimeter nach vorne bewegte. Meine rechte Körperhälfte musste ich mitziehen. Nachdem ich einige Meter auf diese Art zurückgelegt hatte, war ich so in der Bewegung drin, dass meine Zuversicht, den Hengst zu finden, wuchs.

Wenn man die Natur des Pferdes kennt, weiß man, dass die schnellen Grasfresser Fluchttiere sind. Sobald sie davon ausgehen, dass die mögliche Gefahr in sicherem Abstand zu ihnen liegt, hören sie zu laufen auf und beschäftigen sich wieder mit ihrer Futtersuche. Ich hüpfte lange, die Sonne schien bereits auf meine rechte Schulter, als ich einen kleinen hellen Fleck in der Weite der Landschaft vor mir entdeckte. Der Fleck war winzig und doch wusste ich, dass das Boabdil war. Die Erschöpfung, die sich in meine Bewegungen eingeschlichen hatte, verschwand augenblicklich. „Bleib da stehen“, betete ich, „bleib bitte da stehen.“ Als er kaum mehr als zwanzig Meter von mir entfernt war, verließen mich meine Kräfte, und ich brach wie ein gefällter Baum zusammen. Bevor ich das Bewusstsein verlor, sah ich, dass unser Pferd friedlich an langen Grashalmen zupfte und mich dabei mit großen, tiefgründigen Augen ansah.

Boabdil

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