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Der Traum

„Wir kaufen heute einen Hengst“, war mein erster Satz, als mich vor einigen Tagen die Sonnenstrahlen frühmorgens geweckt hatten. Meine Freundin, aufgewacht von der Lautstärke, mit der ich das aussprach, schaute noch verschlafen durch halb geöffnete Lider zu mir herüber. Ihre Augenbrauen wölbten sich in einer Fragehaltung. „Ich habe ihn im Traum gesehen. Und ich weiß auch, wo er steht“, antwortete ich im Tonfall eines Clowns, bereits aufrecht im Bett sitzend und bewegte meine Augenbrauen genau wie sie. Innerlich so aufgewühlt vom Traumerlebnis, sprang ich, ohne eine weitere Reaktion von Natalja abzuwarten, aus dem Bett und ging in die Küche, um Kaffee zu kochen.

Nach einigen Minuten verbreitete sich das verführerische Aroma frisch gemahlener Kaffeebohnen im von goldenem Licht besonnten Haus. Ich brachte den Kaffee zu Natalja, holte eine Landkarte aus dem Auto und setzte mich im Schneidersitz direkt neben sie aufs Bett. Jetzt war mein Blick ernst. „Er ist auf der anderen Seite“, sagte ich und deutete mit leichter Kopfdrehung zum Fenster, wo die Sierra Nevada mit ihren teilweise noch verschneiten Spitzen zu sehen war. Dabei faltete ich die Karte auseinander und studierte aufmerksam die Ortschaften auf der anderen Seite der Bergkette, um etwas aus dem Traum wiedererkennen zu können.

„Kommt dir etwas bekannt vor?“, fragte Natalja, meine Absichten richtig deutend. „Nein“, erwiderte ich, „aber irgendwo hier“, mein Zeigefinger zog dabei einen kleinen Kreis auf der Karte, „muss er sein.“ In meiner Stimme lag so viel Überzeugung, dass Natalja konzentriert auf das von mir angedeutete Gebiet schaute, prüfende Blicke auf unsere Seite der Bergkette warf, einen Schluck Kaffee nahm und dann sagte: „Das sind mehr als drei Stunden Fahrt, wollen wir gleich los?“ Wir tauschten Blicke und ich nickte.

Als wir mehrere Stunden später auf der anderen Seite der Sierra Nevada hin- und herfuhren, damit ich in dieser Realität etwas aus meinem Traum fühlen oder erkennen konnte, bemerkte ich in einer kleinen Ortschaft auf einmal ein gelblich getünchtes Haus, farblich absolut untypisch für diese Region der spanischen Provinz. Es kam mir merkwürdig bekannt vor. „Natalja, du sprichst besser spanisch als ich“, sagte ich zu ihr, nachdem ich das Auto direkt vor dem Haus geparkt hatte. „Frag bitte die Leute, ob jemand hier im Dorf Pferde verkauft. Ich habe intuitiv das Gefühl, dass sie wissen, wo er steht.“ Damit meinte ich natürlich den gesuchten Hengst und bemerkte wieder dieselbe Überzeugungskraft in meiner Stimme, wie ich sie schon am frühen Morgen hatte. „Bist du dir sicher?“, fragte Natalja und musterte das Haus aufmerksam. Sie fragte ganz sachlich, ohne Misstrauen. „Nein“, antwortete ich lächelnd und dachte dabei an die Gesetze menschlicher Logik. Natalja beugte sich zu mir, quittierte meinen Satz mit einem Kuss auf meine Wange und stieg aus. Vom Auto aus sah ich, wie gleich, nachdem Natalja die an der Hauswand befestigte Klingel betätigt hatte, eine ältere Spanierin öffnete. Ich konnte nichts hören, dafür beteiligten mich die ausgeprägte Mimik und Gestik der südländischen Frau ungewollt am Gespräch.

Noch bevor Natalja wieder ins Auto einstieg, wusste ich zu welchem Haus wir zu fahren hatten. Als wir dort ankamen, stieg ich zuerst aus. „Hier muss ich ran“, sagte ich zu Natalja und klingelte. Augenblicklich öffnete sich die Haustüre, und wir erblickten einen Mann, der sich eben von seiner Familie verabschiedete. Den Türgriff noch in der Hand, schaute er uns fragend an. „Hallo, ich habe Geld und kaufe Pferde“, sagte ich sehr direkt zu ihm. Das war das erste, was mir auf Spanisch in den Sinn kam. Er sah mich leicht verwundert an, und nach kurzem Schulterzucken übergab er die auf seinem linken Arm sitzende Tochter an seine Frau. „Ihr habt Glück, dass ich noch hier bin, in zwei Minuten wäre ich auf Montage gefahren“, sagte er zu uns und schaute demonstrativ auf seine Uhr. Er überlegte kurz, und einen Augenblick später zeigte er auf ein nebenstehendes Gebäude. „Ich habe da einen Hengst. Kommt“, fügte er hinzu und ging vor. Auf dem Weg zum Stall wendete er sich zu seiner Frau und bat sie für ihn ein Telefonat zu erledigen: „Sag Paco, dass ich später komme.“ „Wann?“, kam wie ein Echo aus der halbgeöffneten Eingangstüre. Der Spanier sah mich von der Seite an und versuchte, meinen Blick zu treffen. „Ich weiß es noch nicht“, brummte er, nachdem wir uns gemustert hatten.

Boabdil

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