Читать книгу Boabdil - Andrej Melehin - Страница 7

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Die Begegnung

Ich musste erst meine Augen daran gewöhnen, um überhaupt irgendetwas in diesem dunklen Stall erkennen zu können. Angeblich sollte dort ein Hengst stehen, der mir zum Kauf angeboten wurde. Endlich sah ich ein bisschen etwas, und meine ersten Schritte in den Unterstand sagten mir gleich alles. Knietief lag Mist auf dem Boden, vermischt mit wenig Stroh. Drei sehr kurz angebundene Pferde standen im fensterlosen Raum und blickten mich mit traurigen Augen an. Es gab weder eine Tränke noch etwas, was an Futter erinnert hätte. Alles war schmutzig. Es roch derartig beißend und verfault, dass ich die Luft anhielt und nur noch durch den Mund atmete. „Was ist dieser Besitzer nur für ein Scheißkerl“, dachte ich und die Wut ließ meine Adern anschwellen. Die seien hier fast alle so, erinnerte ich mich an die Worte eines Andalusiers neulich. Er hatte wohl Recht. Was wir in Deutschland als absolut unmögliche Pferdehaltung eingestuft hätten, war im Süden Europas leider fast alltäglich. Ich riss mich zusammen und sah mir den komplett verschmutzten, silbernen Hengst an. Blitzschnell wusste ich, dass er es war. Meine Intuition war so stark, dass sein erschreckendes Aussehen mich nicht ablenken konnte. Mein Herz sah seine Seele, und mein Verstand sah sein Potential.

Anstatt mich zu freuen, den Hengst aus meinem Traum gefunden zu haben, drehte ich mich mit besorgter Miene zum Besitzer um. Ein lieber kurdischer Freund, mit dem zusammen ich Schafe gehütet hatte, führte mich damals auch in die Kunst klugen Verhandelns ein. In diesem Moment wurde ich als sein Schüler auf die Probe gestellt. „Hombre“, sagte ich, und meine Stimme klang düster wie auf einem Friedhof. Ich zeigte auf das Pferd. „Qué es eso? Was ist das denn? Der Hengst war schmal und unterernährt. Über seine großen, traurigen Augen fiel eine verfilzte Mähne voller Staub und Dreck. Ihre Farbe konnte ich nur erahnen. Seine Muskeln waren kaum entwickelt, die Hufe überlang und verfault. Es war ein andalusischer Hengst ohne Papiere.

Unsere Verhandlungen zogen sich über mehrere Stunden hin. Die Verzweiflung auf dem Gesicht des Spaniers, als ich meine Preisvorstellungen nannte, zeigte mir, dass er selbst kaum Möglichkeiten sah, den Hengst in näherer Zukunft anderwärtig zu verkaufen. Ich begriff schnell, dass er wenig von Pferden verstand. Mehrmals packte ich meine Sachen und schickte mich an, zu gehen. Er hielt mich zurück, und so verging Stunde um Stunde mit brüderlichen Umarmungen, feindlichen Blicken, andalusischen Polterreden und russischen Temperamentausbrüchen. Er wusste nicht, dass in meinen Adern Kosakenblut fließt. Ich verachtete den Besitzer wegen seines Umgangs mit den Pferden so sehr, dass mir Worte wie ‚Amigo’ und ‚Hombre’ leicht von den Lippen kamen.

Der Schimmel würde mir gehören, und zwar noch vor Sonnenuntergang! Die sechs Stunden, in denen der Preis von 6’000 auf 1’150 Euro sank, werden wir wohl beide nie vergessen. Als die Nerven des Spaniers wirklich blank lagen, vollzogen meine Hände die magische Bewegung: Sie wedelten mit den Scheinen vor seiner Nase und gewannen die Schlacht. Der Vertrag wurde unterzeichnet, Geld wechselte den Besitzer und ich wusste, mein Großvater wäre stolz auf mich gewesen. Ein wirklich gutes Pferd kam in unseren Stall. Es sah zwar furchtbar aus, mit der richtigen Pflege jedoch – gutes Futter, frische Luft, viel Bewegung – kann man Wunder bewirken. Ich trat auf den Schimmel zu, streichelte seinen Hals und Kopf, küsste ihn auf seine runden Wangen, die klar den Anteil arabischen Vollblutes verrieten, und sagte: „Nächste Woche bist du hier raus, habe bitte noch etwas Geduld.“ Er gab keinen Laut von sich, nur in seinen Augen sah ich einen Funken Hoffnung. Ich wollte ihn nicht enttäuschen. Eine Woche später brachen Natalja und ich erneut auf, um ihn zu abzuholen.

Boabdil

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