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Riesen-Wiesn

Montag

Ausgerechnet heute wollte mein Chef sich um mich kümmern und mir die Fertigung zeigen! Die ganze letzte Woche hatten mir zwei Stunden Schlaf, fünf Liter Bier und zahllose Willis nichts ausgemacht, weil ich sowieso nichts zu tun hatte. An diesem Tag aber fühlte ich mich elend.

Zuerst mussten wir zum Umkleiden. Hier bekam ich einen weißen Kittel, Schuhe und Spind. Am Wochenende war ich nicht dazu gekommen, Wäsche zu waschen, meine Socken hatten schon mal besser gerochen und die Linke hatte außerdem ein Loch. Bei der Anprobe nahm ich nur meinen rechten Fuß, sodass es nicht weiter auffiel. Als ich dann beide Schuhe angezogen hatte, merkte ich, dass der Linke viel zu eng war. Schließlich kamen noch Mütze und Mundschutz dazu.

Das Letzte, was man nach Alkohol- und Radieschenmissbrauch tun sollte, ist, einen engen Mundschutz zu tragen. Ich musste anderthalb Stunden lang meinen eigenen Atem riechen, ich schwitzte, brauchte frische Luft und hinkte beim Gehen wegen der Blasen von dem zu engen linken Schuh.

Nachher gingen wir, wie jeden Tag, gemeinsam zum Mittagessen. Mein Chef fragte, warum ich so still sei. Ich erklärte, dass der Fertigungsbesuch mich zum Nachdenken angeregt hätte (am meisten allerdings hatte ich überlegt, wie ich die Wiesn die ganze Woche vermeiden konnte. Meine Mitbewohner waren trinkfest und ich befürchtete, sie planten, mich die ganze Woche zu integrieren).

Mein Geld war fast aufgebraucht und ich hatte nur eine Essensmarke übrig für Essen 1 - Matjes nach Hausfrauenart. Ich habe keine Ahnung, wie ich das Katerfrühstück runtergekriegt habe.

Nach dem Essen gab es wie immer unser Kaffeekränzchen. Ich durfte bisher keinen Kaffee kochen, dies nämlich wurde von erfahrenen deutschen Kollegen durchgeführt. Der Kaffee war stark und es gab Kaffeesahne aus einer Dose mit eingetrockneten Reste an der eingedrückten Öffnung. Manchmal schwammen die Reste auf der Kaffeeoberfläche nach dem Gießen. Nicht sehr appetitlich.

Beim Trinken sprach man über die wichtigen Dinge des Lebens. An diesem Tag ging es um Winterreifen. In England hatten wir keine Winterreifen, was sich leider mit meiner Behauptung, dass wir in England Frost und kein subtropisches Golfstrom-Klima hätten, nicht so ganz vertrug. Mein Chef hatte im Sommer sehr preiswerte Reifen gekauft und am Wochenende selbst montiert. Der Oberarzt hatte ein nagelneues Auto und war noch nicht soweit mit seiner Wintervorbereitung.

Ich fühlte mich etwas ausgeschlossen. Mein Chef sorgte dafür, dass ich was lernte. Heute wurde mir den Unterschied zwischen „preiswert“ und „billig“ beigebracht, und zwar anhand von Schuhen: Wenn ich Schuhe für 5 DM kaufe und die fallen nach wenigen Wochen auseinander, dann sind die billig. 20-DM-Schuhe, die mehrere Jahre halten, sind preiswert. Ich müsse also immer nach preiswerten Sachen Ausschau halten, leider waren die aber nicht als preiswert ausgezeichnet. Pech für mich.

Nachmittags widmete ich mich freiwillig technischen Berichten. Am nächsten Vormittag wollte ich zur Bank gehen, um ein Konto zu öffnen und um an Geld zu kommen.

Dienstag

Ich hatte es geschafft, und war am Vortag der Wiesn entkommen, allerdings unter der Bedingung, dass ich an diesem Tag mitginge. Ohne Geld würde es sowieso nichts, deswegen ging ich gleich von der Arbeit in der Früh zur Deutschen Bank. Ich wollte Geld von meiner Bank in England überweisen und in der Zwischenzeit Bares abheben. Schien eigentlich alles ganz einfach.

Zunächst aber zweifelte die Frau, die mich bediente, an der Sicherheit der ausländischen Bank. Dass es die größte Bank Großbritanniens war, interessierte sie nicht sonderlich, sie kannte sie nicht, damit war die Diskussion beendet. Ich bat sie, sich per Anruf und Fax meine Kreditfähigkeit zu bestätigen, aber sie beharrte darauf, dass sie mir nur Geld geben könne, wenn ich eine Bestätigung meines Aufenthaltes von etwas, das „Kreisverwaltungsreferat“ hieß, mitbrächte und eine EC-Karte, wenn ich zwei Monatsgehälter von meinem Arbeitgeber auf dem Konto hätte. In der Zwischenzeit müsse ich Geld irgendwo leihen und dann mit meinen Unterlagen persönlich vorbeikommen.

Nach sinnlosen Protesten füllte ich sehr ernüchtert verschiedenste Formulare aus. Dann ging ich zurück ins Büro. Hier konstatierte mein Chef, dass ich diesen Ausflug zur Bank ohne Reisegenehmigung gemacht hätte. Wegen der Versicherung müsse ich meine dienstliche Reise während der Kernzeit genehmigen lassen, egal wo ich unterwegs sei. Während der Mittagszeit sei dies in Ordnung, wobei er zugeben musste, dass alle Banken während unserer Mittagszeit geschlossen waren und dass man deswegen eine EC-Karte brauchte. Catch 22.

Kollege P. lieh mir Geld und erklärte, was „Kernzeit“ bedeute, und dass ich, wenn ich genug Überstunden hätte (die auch genehmigt werden müssen), eine sogenannte „Kernzeitentnahme“ machen könne (Freizeit sozusagen).

Die Zwangsjacke der Bürokratie wurde fester angezogen, und meine jugendliche Naivität wurde offensichtlicher. Es lag eine Genehmigung vor, dass ich den Rest der Woche auf einen Deutschkurs darf. Yes, Sir!

Mittwoch

Der Deutschkurs fing etwas später an, und zwar um 9 Uhr, dadurch hatte ich fast fünf Stunden Schlaf nach dem Wiesn-Besuch. Ein paar Stunden im Hagen anschließend war mittlerweile Pflicht.

Etwas Seltsames passierte auf der Wiesn. Als ich die Rechnung von 32 DM mit einen 50-Markschein bezahlte, sagte ich in meinem besten Deutsch: „Danke!“ Die Bedienung lächelte sehr freundlich, sagte auch „Danke“ und ging, ohne mir meine 18 Mark Restgeld wiederzugeben.

Ich fragte bei der Lehrerin nach, wie das zu verstehen sei, und sie erklärte mir, dass ich, indem ich mich bedankt hatte, der Kellnerin zu verstehen gegeben hätte, dass sie den Rest behalten könne. Sehr suspekt. Ich wollte von Herzen danken und nicht tief aus der Geldbörse.

Im dem Kurs gab es viele Iren. Die Firma hatte 32 von 34 Studenten aus einem Jahrgang von einer Uni in Irland eingestellt. Die kannten sich alle; Conor, mein Mitbewohner, gehörte dazu.

In unserem Lehrbuch ging es um ein Studentenpaar, Stephen und Mary, die ein Teil ihres Studiums in Hamburg verbrachten.

Donnerstag/Freitag

Wiesn-Hagen-Deutschkurs-Wiesn-Hagen-Deutschkurs-Wiesn-Hagen-Schlaf. Alles verlief wahnsinnig schnell.

Beim Kurs traf ich viele Firmen-Neuankömmlinge; 90 Prozent von denen wollte ich nicht unbedingt wiedertreffen. Ich hatte meine Probleme mit der Integration, aber viele hatten es gar nicht vor, sich zu integrieren oder waren meiner Meinung nach dazu nicht in der Lage.

Ich war unzufrieden, insbesondere, weil ich bisher fast ausschließlich Engländer, Iren oder Amerikaner getroffen und so wenig von der Stadt und ihre Menschen gesehen hatte.

Wochenende

Es war nicht möglich, trotz Wecker vor 13 Uhr aufzustehen, und die Geschäfte hatten geschlossen. Nur am Hauptbahnhof konnte ich UHT-Milch, trockene Semmel, ein Art Salami und Käseschnitten wie Gummi kaufen. Es schneite auch.

Ich musste Wäsche waschen, hatte aber kein Waschmittel, musste ein letztes Mal auf die Wiesn und viel wichtiger: Ich musste mich allmählich von etwas anderem als Fischsemmi, Brathendl und Zuckermandeln ernähren.

Am Sonntag war die Wiesn vorbei und ich ging mit Paul zu ungewohnt früher Stunde ins „Hagen“. Beim Warten auf das Pils kamen wir an der Bar mit einem Ehepaar ins Gespräch. Sie waren leidenschaftliche Grüne und ließen sich über die konservativen reichen Münchner und die CSU aus. Anlass war ein kleiner Autounfall, den sie am Vorabend hatten. Sie meinten dabei, Vorfahrt gehabt zu haben, und der Schaden wäre auch kaum zu sehen gewesen. Der dicke BMW-Fahrer (sowohl in Bezug auf das Auto als auch auf die Person) bestand trotzdem darauf, die Polizei zu rufen, und es drohten hohe Reparaturkosten.

Mir war dieser Klassenkampf und die Verkehrsregeln neu. Dies war ein Fall von „rechts vor links“.

Ein Hellas Bitte!

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