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KAPITEL IX

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Mein erster Fall von Durchfall – Alte Methoden – Weitere Fälle – Die Unterstellung vom Teufel besessen zu sein – Gebete von Narren – Eine ausgerenkte Halswirbelsäule – Macon verlassen – In Kirksville – Mutter Ivie – Dr. F. A. Grove – Richter Linder – Chinns Weg der Aufmunterung – Robert Harris – Ein hilfloser Krüppel – Paratyphus – Schwäche in Gesundheit und im Portemonnaie – Kämpfen für die Nüchternheit – Eine Salbe für die Trunksucht

Im Herbst bekam ich eine ausgezeichnete Möglichkeit die Osteopathie an den Herbsterkrankungen wie Durchfall bei Kindern, Darmbeschwerden und Fieber zu erproben. Mein erster Durchfallkandidat war ein vierjähriger Junge. Ich ging gemeinsam mit Oberst Ebermann eine Straße in Macon, Missouri, hinunter und richtete seine Aufmerksamkeit auf eine frische Blutspur, die sich über ungefähr 45 Meter hinzog. Vor uns ging eine Frau mit zwei oder drei Kindern langsam in dieselbe Richtung. Wir holten sie rasch ein und entdeckten, dass ihr kleiner etwa vier Jahre alter Sohn sehr krank war. Er trug nur einen Kattunrock, keine Hose und lief zu unserer Überraschung barfuß. Seine Füße und Beine waren über und über mit Blut bedeckt. Ein einziger Blick reichte, uns von der Armut der Familie zu überzeugen, und eine Welle des Mitleides überschwemmte unsere Herzen. Wir sprachen die Frau freundlich an und offerierten unsere Hilfe, sie und ihren kranken Sohn nach Hause zu begleiten. Sie nahm an. Ich nahm den kranken Jungen auf den Arm, während der Oberst der Mutter das andere Kind – die Mutter hatte es bis zur Erschöpfung getragen – aus dem Arm nahm. Ich legte meine Hand auf den unteren Teil des Rückens jenes kleinen Burschen, den ich trug und fand ihn sehr warm, ja, fast heiß, wohingegen sich sein Abdomen ganz kalt anfühlte.

Mein einziger Gedanke galt der Hilfe für diese Frau und ihre Kinder, und ich dachte nicht im Traum daran, eine Entdeckung für das Wohl zukünftiger Generationen zu machen. Während wir die Straße entlang gingen, dachte ich über den deutlichen Temperaturunterschied zwischen Rücken und Bauch nach. Auch seine Halswirbelsäule und sein Okziput waren sehr warm, während das Gesicht, die Nase und die Stirn sehr kalt waren. Ich versuchte zu schließen, obwohl ich zu jener Zeit, abgesehen davon, dass Durchfall Jung und Alt sterben ließ und bei warmem Wetter besonders schlimm war, sehr wenig darüber wusste. In meinem ganzen Leben hatte ich mich nicht gefragt, was Durchfall eigentlich genau ist. Keiner der medizinischen Autoren, die ich gelesen hatte, sagte etwas darüber aus, ob es eine eigentliche Krankheit sei, wie sie die Symptomatologen nach Symptomen klassifizieren, um der Kreatur, welche sie aus Ratespielen erschaffen haben, dann wenigstens einen Namen zu geben.

Ich wusste nicht, wie ich Krankheiten intellektuell angehen sollte, da alle Autoritäten, die ich gelesen oder getroffen hatte, ihre Augen nicht von den Wirkungen einer Krankheit ab- und der Ursache zuwenden wollten. Sie begegneten Schmerz mit Schmerzmedikamenten und Blutungen im Darm mit zusammenziehenden Mitteln, die das blutende Gewebe verschließen und jeden damit an die Tür des Todes führten. Dann stellten sie sich dem nächsten Gefecht mit den gleichen unwirksamen Medikamenten, um das Feuer entlang der ganzen Linie auf die Symptome zu eröffnen. Ich fragte mich, warum die Ärzte so viel Angst davor hatten, dass der Durchfall ihre eigenen Familien besuche, wenn sie ihren Medikamenten vertrauten.

Ich wusste, dass der Mensch eine Wirbelsäule besitzt, aber ehrlich gesagt, ich wusste fast nichts darüber, wie sie funktioniert.30 Ich hatte in der Anatomie gelesen, dass der Oberkörper von der Vorderseite der Wirbelsäule aus mit motorischen Nerven versorgt wurde und aus ihrer Hinterseite die sensorischen Nerven austraten, aber das gab mir keinen wirklichen Hinweis darauf, was das mit Durchfall zu tun haben konnte. Ich begann an der Gehirnbasis und dachte durch Drücken und Reiben einen Teil der Hitze auf die kalten Partien zu verteilen. Indem ich dies tat, bemerkte ich angespannte und lose Stellen in den Muskeln und Ligamenten entlang der gesamten Wirbelsäule des Kindes. Die Lumbalregion zeigte sich ziemlich blockiert.31 Ich praktizierte diese Philosophie einige Minuten und bat die Mutter mir am kommenden Tag Bericht zu erstatten, ob ich noch etwas für ihren Jungen tun könne, wozu ich gerne bereit war. Sie kam früh am nächsten Morgen mit der Nachricht, dass es dem Kind besser gehe. Es gab eine Menge Durchfall in vielen Familien in Macon County. Der Leser wird sich erinnern, dass mein Zuhause zu diesem Zeitpunkt noch in Baldwin und ich nur zu Besuch in Macon war. Die Dame, deren Kind ich geheilt hatte, brachte mir viele Leute mit ihren kranken Kindern zur Behandlung. So weit ich mich erinnere, hatte ich 17 schwere Fälle innerhalb weniger Tage und ich war tatsächlich in der Lage, sie alle ohne den Einsatz von Medikamenten zu heilen.

Andere Fälle von Sommer- und Herbsterkrankungen traten in der Stadt auf, und so wurde ich zu vielen gerufen, die ich mit Erfolg behandeln konnte. Schon bald hatte ich eine beträchtliche praktische Erfahrung erworben. Es überraschte mich nicht so sehr, zu entdecken, dass alle Arten von Fieber, Sommer- und Herbsterkrankungen ohne Medikamente geheilt werden konnten – vielmehr freilich die Tatsache, dass ein Methodistenprediger meines Bruders Frau und Kinder zum Gebet zusammengerufen hatte. Er war zum Narren geworden oder schon so geboren (wie viele eilige Geburten zu allen Zeiten Narren hervorgebracht haben) und der alte theologische Naivling schüttete seine idiotische Seele vor dem Herrn aus, um ihm mitzuteilen, dass mein Vater ein guter Mann, ich seiner Meinung nach aber ein hoffnungsloser Sünder sei, und meine Blähungen besser es in den Griff bekommen sollte, bevor es mir noch schlechter erginge. Er störte Hurraschreie und Hass gegen mich in Macon auf, was so weit ging, dass die unter seinem Einfluss Befindlichen glaubten, ich sei wirklich verrückt.32 Kinder verfolgten mich die Straße entlang, weil ich zu dem Glauben stand, dass Gott kein Whisky- und Opiumarzt sei. Nach meinem Glauben hatte Er den Menschen mit so vielen Beinen, Nasen, Zungen und Qualitäten ausgestattet, wie im Leben für die Gesundheit und das Wohlergehen benötigt wurde. Aufgrund dieser Argumente wurde ich Ungläubiger genannt, sonderlich, verrückt, und Gott wurde von diesen theologischen heulenden Eulen dazu angerufen, mich umzubringen, damit Seine Schafe gerettet würden.

Während dieses frühen Kreuzzuges gegen mich, wurde ich zu einer jungen Frau gerufen, die hoffnungslos an nervlicher Erschöpfung durch einen heißen Herbst erkrankt war. Alle Hoffnung schien bereits verloren und sie war zum Sterben verurteilt worden. Am Ende einer ganzen Reihe ärztlicher Konsultationen kam ihr Vater zu mir und sagte: „Meine Tochter ist sehr krank und die Ärzte sagen, sie wird nicht leben.“

Er bat mich herein, um nach ihr zu sehen. Er war freundlich und schien sehr verständig, so war ich ihm zu Gefallen. Ich traf die junge Dame im Bett an. Von der Art wie ihre Halswirbelsäule verdreht auf dem Kissen lag, schloss ich auf eine teilweise Blockade ihrer Halswirbelsäule. Bei der Untersuchung fand ich den Atlas oder den ersten Knochen der Halswirbelsäule mehr als einen Zentimeter zu weit hinten. Er hatte das Angebot der vertebralen Arterie zum Gehirn abgedrückt. Ich passte ihre Halswirbelsäule sorgfältig wieder an und keine vier Stunden später stand sie auf und suchte nach Gesellschaft. Daraufhin wurden weitere Gebete ausgesandt, um dem Herrn zu berichten, ich sei vom Teufel besessen. Ihr Vater dagegen sagte, der Teufel bekäme $ 50 und gab sie mir, damit ich sie zu meiner Frau und meinen Kindern in Kansas senden konnte. Sie brauchten dringend etwas zu Essen, denn Kansas wurde in dieser Zeit gerade von Heuschrecken aufgefressen.

Ich glaube nicht, dass der Herr sehr auf die heulenden alten Narren hörte, die eine Kuh mit einem Fleischermesser schlachten würden, wenn sie einen Eimer Milch mit nur einem Tropfen Fortschritt darin fänden. Mein Vater war Prediger, aber er war nicht so verrückt, sich um Anerkennung unter den Unwissenden zu bemühen. Ich war wie der gute alte Paulus, der persönlich nicht immer mit verständigen Menschen zusammen sein konnte, aber im Geiste bei ihnen weilte.33

Lange Zeit ist vergangen, seit der Osteopathie ein großes Willkommen in Macon City bereitet wurde. Sie weinen und trauern, weil sie nicht die wahre Philosophie erkannten und mithalfen, ein Krankenhaus zu errichten. So wurde anstelle Macons eine rivalisierenden Stadt im benachbarten County zum Athen des Erlernens der osteopathischen Wissenschaft.

Ich verließ Macon 1875 und ging nach Kirksville, wo ich auf drei oder vier denkende Menschen stoßen sollte, die mich und mein Baby, die Osteopathie, willkommen hießen. Eine gute alte Mutter namens Ivie überließ mir mietfrei einige Räume für einen Monat. Ich hatte kein Geld, aber sie war eine alte Baptistin, deren Religion sagte: ‚Ernährt meine Lämmer!‘ Sie hat sich seit langem zur letzten Ruhe gebettet, aber ihr altes freundliches Gesicht werde ich niemals vergessen. Ein ebenso liebenswerter Mann namens Dr. med. F. A. Grove erwies sich als weiterer Freund. Er war ein Mann von Prinzipien und sehr gebildet. Er kam zu mir, um mich im Namen der Stadt Kirksville und ihrer 1.500 Bewohner zu begrüßen. Er war in der Welt herumgekommen und wusste, dass an einigen Stellen nur kleine Bäume des Fortschritts gediehen. Wir wurden Freunde bis an sein Grab. Er hat mir sehr dabei geholfen, die Wahrheiten dieser Wissenschaft zu entfalten. Wäre er noch am Leben, er stünde immer noch an meiner Seite, denn er hat mir immer geholfen die Räder des Fortschritts zu ölen.

Als ich begann meine Arbeit durch aktuelle Ergebnisse in Mutter Ivies Hotel unter Beweis zu stellen, vermietete mir ein gutherziger Mann von hohem Verstand namens Charlie Chinn eine volle Suite in seinem Geschäft, und das, obwohl ihm bekannt war, dass ich kein Geld besaß. Richter Linder, der mich bereits als Junge kannte, kam zu mir und sagte: „Ich stehe für Dich ein und helfe Dir sechs Monate, weil ich die Wahrheit über Deine Philosophie kennen lernen möchte.“ Er blieb den ganzen Sommer und schnitt gut ab. Er besaß Silberminen in Arizona und verließ dann die Stadt, um nach ihnen zu sehen. Ich sollte ihn nie wieder sehen, aber ich erinnere mich seines starken Arms und seiner guten Ratschläge und werde ihn bis zu meinem letzten Atemzug lieben.

Charlie Chinn stand seinen Mann. Obwohl er ein ‚Campbellite‘ war, fühlte ich mich während unseres Zusammenseins wie auf einem der guten alten methodistischen Liebesfeste.34 Er wusste immer etwas Nettes zu sagen, das mich in meinen deprimierendsten Stunden aufmuntern konnte. Er klopfte mir auf den Rücken und sagte:

„Komm schon Bruder, eines Tages wirst Du aus dem Sturm raus sein!“ Er sagte nie:

„Deine Miete ist fällig, Du musst zahlen oder die Räume verlassen.“

Er erwies sich als absolut zuverlässiger Mensch. Ich verließ mich auf ihn und er bekam das gesamte Geld, das ich ihm schuldete. Aber den Dank, den ich ihm schulde, werde ich niemals zahlen können, es sei denn, ich mache von der Möglichkeit eines Bankrotts Gebrauch. Das gedenke ich nicht zu tun, da sie diese Art von Schulden nie tilgen würde. So werde ich sie mit mir tragen, Stück für Stück abzahlen, und den Rest meinen Kindern überlassen, wenn ich gehe. Schon zu einem frühen Zeitpunkt meiner Karriere traf ich Robert Harris, einen der besten Männer, die ich seit dem Pflanzen unseres Banners getroffen habe. Er war Mechaniker, Maschinist und ein ehemaliger staatlicher Büchsenmacher. Ich verbrachte Stunden, Tage, Monate, Jahre mit ihm, im Grunde einfach alle Zeit, die ich irgendwie mit ihm verbringen konnte. Als ich vom Menschen als einer Maschine sprach, die in sich alle Teile und Prinzipien des Lebens und die Weisheit Gottes in Seiner Arbeit enthielt, und wie schön alles miteinander arbeitete, schloss er, dass der Mensch die Maschine aller Maschinen und alle anderen nur Imitationen der im Menschen ausgedrückten Teile und Prinzipien waren. Gott war in der Lage eine Arbeit zu vollenden. Ich fragte meinen Freund Harris, warum Menschen eine Wahrheit so langsam erkennen und erst annehmen, wenn sie ihnen bis zur Haustüre gebracht wird. Ich werde seine Antwort nie vergessen. Es war keine lange Rede in Griechisch, Hebräisch, Französisch oder Latein, sondern schlicht und verständlich:

„Der Mensch hat Angst davor einen Weg zu betreten, den er nie zuvor betreten hat. Er fürchtet, was er nicht versteht. Er versteht weder Leben noch Tod und wagt es nicht über solche Dinge zu reden oder nachzudenken.“ Er endete: „Nur wenige Menschen erlauben sich selbst jenseits eingefahrener Wagenspuren zu denken.“ 35

Das war der Satz aller Sätze; jener, der mir Vertrauen und Unterstützung gab, wenn Menschen die Wahrheit zurückwiesen und sie nicht akzeptieren wollten. Einige Menschen sind der Wahrheit so nahe wie ein junger Texasochse dem Getreide. Er fürchtet sich davor, näher heranzugehen, weil er es nicht versteht. Man sagt: „Erwarte nicht zu viel vom Menschen, viele können nicht über etwas nachdenken, bis sie es selbst entwickeln können.“

Nach einer Weile begegnete ich einigen Menschen, die begonnen hatten zu denken, und ab 1875 änderte sich die Lage mehr, als ich es je zu träumen gewagt hatte. Heute leben in Kirksville 6.000 Einwohner und unter ihnen ist keiner so blind, dass er nicht sieht, wie die Osteopathie zusammen mit allen Wahrheiten der Zeitalter bei der menschlichen Rasse wohnt und sie segnet.

Einer der vielen interessanten Fälle meiner frühen Erfahrungen war der eines kleinen Jungen, der seine Beine und Hüften nicht bewegen konnte. Er war etwa vier Jahre alt. Seine Mutter (Frau Truit) brachte ihn auf ihren Armen für sechs Monate zu mir, damit seine hilflosen Beine behandelt würden. Bei der Untersuchung fand ich eine falsch geformte Wirbelsäule, so weit ich das von meinen bisherigen Erfahrungen mit Wirbelsäulen ableiten konnte. Ich therapierte in einem zweiwöchigen Rhythmus und artikulierte jeden einzelnen Wirbelkörper so gut wie möglich. Die Mutter zeigte die Entschlossenheit, welche eben nur eine Mutter zeigen kann. Den ganzen Sommer über brachte sie den Jungen und ging dafür mit ihm 6 Kilometer durch den heißen Wald. Sein Vater stand der neuen Behandlung skeptisch gegenüber und half seiner Frau nie, den Jungen wieder abzuholen, da ihm einige engstirnige Leute berichtet hatten, dass der Still ein verrückter Narr war und dem Jungen nichts Gutes würde tun können. Am Ende der sechs Monate siedelte die Familie nach Westen über, und ich hörte für 10 Jahre nichts mehr von dem Jungen. Dann kam die Nachricht vom Tod des Vaters, und dass der arme kleine Kerl zu einem 160 Pfund schweren Mann herangewachsen war. Er führte die Farm und unterstützte seine engelsgleiche Mutter als Dank für ihren Kampf um Leben und Tod, durch Hitze und Kälte, der ihn davor bewahrt hatte, ein hilfloser Krüppel zu bleiben. Die Geschichte war so wunderbar, dass ich sie fast nicht glauben konnte. Aber ich hatte bereits eine deutliche Verbesserung an seiner Wirbelsäule bemerkt, noch bevor er ging.

In Lauf der Zeit kamen so viele zahlende Patienten, dass ich genug für mich, meine Frau, die Kinder und die Hausmiete hatte. Alles lief bis zum Herbst 1876 ziemlich gut. Dann erkrankte ich von September jenes Jahres bis Juni 1877 ernstlich an Paratyphus. Ich war sehr schwach und über die Hälfte der Zeit nicht in der Lage zu arbeiten. In dieser Zeit ging es mir finanziell sehr schlecht. Die Zeit war hart und es war schlimm für meine Jungs und mich selbst, auch nur den Hauspflichten nachzukommen. 1880 ging ich nach Wadesburg, Henry County und begann dort meine Arbeit erneut unter Beweis zu stellen. Ich behandelte in Clinton, Holden, Harrisonville und anderen Städten bis etwa 1886. In diesem Jahr besuchte ich Hannibal, Palmyra, Rich Hill, Kansas City und weitere Orte. Schließlich nahm die Arbeit so zu, dass ich beschloss an einem festen Platz zu bleiben und die Patienten zu mir kommen zu lassen. So gab ich das Reisen auf und blieb in Kirksville, Adair County, Missouri, um zu lehren und zu behandeln und eine Institution aufzubauen, von der ich später noch sprechen werde.

Ich möchte dieses Kapitel mit einem Erlebnis beschließen, das ich in Macon County hatte. Bei einer großen engagierten Versammlung zu Zeiten der politischen Affären während der Siebziger in Macon City, war man dabei die bestehenden Schwächen der republikanischen Regierung zu sammeln und aufzuzählen und die Schurken durch noch mehr Schurken zu ersetzen, als mich ein guter und ehrlich aussehender alter Hufschmied ansprach: „Lass‘ uns in die Kneipe gehen und etwas trinken.“

Ich war kein Whiskytrinker und konnte dem Mann bereits ansehen, dass er zu viel getrunken hatte. Er war in Hemdsärmeln und sein dicker Bauch schaute weit hervor. In der Hoffnung ihm in einer witzigen Art nützen zu können, entblößte ich einen Teil seines Bauches direkt auf der Straße vor einer ganzen Reihe von Leuten und sagte in einem sehr ernsten Ton zu ihm: „Mein guter Freund, ich habe Macht im Himmel und auf Erden, ich bin mit lebenden Menschen und Engeln bekannt, männlichen und weiblichen, und Deiner Mutter, deren Geist genau jetzt über Dir schwebt und mich auffordert Dich von der Hölle des Whiskys fern zu halten.“

Ich begann daraufhin mit meinen Händen auf seinem Bauch herum zu drücken und zu reiben und zu kneten und zu zwicken. Anschließend bearbeitete ich seine Wirbelsäule und Rippen. Zum Schluss drückte ich ihm meinen Ellenbogen in den Rücken und beugte ihn rücklings und mit ziemlicher Kraft darüber. Meine Absicht war es, den alten Mann von seinem Gedanken an den Whisky abzulenken, bis ich ihn mit meinen folgenden Worten überzeugen konnte: „Von diesem Tage an wird Whisky Dich krank machen. Du wirst erbrechen wollen, wann immer Du ihn riechst.“

Nach einer Weile bat ich ihn, in die Kneipe zu gehen, am Whisky zu riechen und zurückzukommen; wenn ihm nicht schlecht werden würde, übernähme ich die Zeche. Er ging in die Kneipe, war aber sofort zurück und berichtete mir, dass er sich übel fühle und nicht den Wunsch verspüre etwas zu trinken. Das war meine erste Anstrengung im Kampf gegen die Gewohnheit des Trinkens. Ich gestehe ehrlich meine Überraschung, als ich nach Jahren erfuhr, dass der Mann das Trinken völlig aufgegeben hatte. Seine Gattin, eine christliche Frau, grüßte mich bei jeder Begegnung mit „Gott segne Sie, Bruder Still.“, nachdem sie erfuhr, dass ich jener Mann gewesen war, der ihren Gatten von der Trunksucht befreit hatte. Dreimal am Tag ging der alte Mann bis dato in die Kneipe und trank bereits über 20 Jahre für täglich 60 Cent seinen Whisky. Er dankte mir stets für seine Rettung von der Trunksucht. Etwa sieben Jahre später starb er als nüchterner Mann.

Ich dachte wenig über die Philosophie nach, warum ein Mann so ein Bedürfnis nach dem Alkohol verspüren sollte, aber nach seinem Tod kam es mir wieder in den Sinn und ich schloss, dass ein Unvermögen des Pankreas, der Milz oder Leber die Ursache war. Sie üben natürliche Funktionen aus und stellen Verbindungen in genügender Menge her, um der Notwendigkeit zu genügen, Flüssigkeiten ohne Nachfrage nach Alkohol zu neutralisieren, weil diese von der Natur aus harmonisch gehalten werden sollen.

Der Fall dieses Mannes, seine Behandlung und das Ergebnis brachten mich dazu mit anderen zu experimentieren und gute Resultate zu erzielen. Ich glaube, dass die Ursache der Trunksucht in einem Versagen dieser Organe liegt, ihre normalen Funktionen auszuführen.

Ich begann Selbstgespräche zu führen und mir Fragen in diese Richtung zu stellen. Ist es unehrenhaft für einen Mann Alkohol Brandy oder Whisky zu trinken, wenn er einen großen Durst nach dieser Art Getränke verspürt? Wäre es nicht grausam diesen Mann einfach daran zu hindern, so als wäre er ein Krimineller und man selbst würde mit Missbilligung angesehen, sobald man sich in seiner Gesellschaft befände? Ist er krank? Schreit sein Trinken bis zur bestialischen Besoffenheit nicht zum Himmel für jeden Philosophen, der in der Lage ist, von der Wirkung auf die Ursache zu schließen? Und wird dieser Philosoph nicht dazu angehalten, nicht mehr von der Seite dieses Mannes zu weichen, bis er die Ursache gefunden und beseitigt hat, die den Durst auf den Alkohol verursacht, der nach Meinung des Trinkers in seinen einsamen Stunden sein einziger Freund ist, ihn im Leid begleitet und für ihn sorgt, während er gleichzeitig sein Heim und alle seine und die Freuden seiner Liebsten zerstört. War dieser Whisky sein Freund? Ich sage 1.000-mal: Ja! Aber der Arzt hörte weder diesen Schrei noch erkannte er den Hinweis der Natur in der Gier dieses Mannes nach Whisky durch seinen ungesunden Durst als Symptom eines kranken Organs an. Eines Organs, das nicht mehr in der Lage war, die Sekrete in genügender Menge oder Qualität zu produzieren, um Kalk, Lehm oder die anderen erdigen Substanzen in Lösung zu halten und damit die Ausbildung von Gallen- oder Nierensteinen zu verhindern. Ist die Schlussfolgerung nicht begründet, dass der Alkoholiker ein kranker Mann ist? Jemand, dessen Handlungen einem Vernünftigen signalisieren, dass durch Unfall, Druck oder auf andere Weise das Nerven- und Blutangebot zum Pankreas, zur Milz oder Leber unterbrochen ist, und dessen Bedürfnis nach Alkohol verschwindet, nachdem die Strukturen wieder angepasst wurden, die ein normales Nerven- und Blutangebot ermöglichen?

Indem wir vom besten Freund des Trunkenboldes, dem Whisky sprechen, werden wir erklären, wenn dieser ihm vorübergehend Erleichterung von der drückenden Wirkung von Kalk und Lehm verschafft, die in seinem System in anormalen Mengen vorhanden sind, sich dann der beste Freund des Arztes bemerkbar macht, wenn es ihm möglich ist von der Wirkung auf die Ursache zu schließen, und so eine Hilfe bei der Diagnose sein sollte, eine vorübergehende Lähmung der Pankreas-, Milz- oder Lebernerven ausfindig zu machen. Wenn er – vorausgesetzt seine osteopathischen Kenntnisse sind hinreichend vertieft – genau weiß, dass die generativen Kräfte dieser Organe mit der hinreichenden Produktion von Säuren zur Neutralisation der Kalk- und Lehmablagerungen im System gestört sind, wird er den Druck wegnehmen, die Störung aufheben bzw. die nötige strukturelle Anpassung durchführen, sodass die Organe wieder zu ihrer normalen Funktion zurückfinden.

Kurz nachdem ich den alten Gentlemen behandelt hatte, brachten einige alte Damen einen Arzt zur Behandlung wegen seiner Trinkgewohnheiten zu mir. Sie hatten ihn unter den Armen gefasst und versucht, ihn damit hinters Licht zu führen, dass er in meines Bruders Haus gebracht werde.

Er sagte: „Auf keinen Fall, Sally Jane, wirst Du mich dazu bringen, dass Still mich verhext, dafür liebe ich meinen Whisky zu sehr. Das wird Dir nicht gelingen.“

Der Arzt war so tief von der Wirkung meiner Behandlung überzeugt, dass er Angst davor hatte und davonlief. Hätten die Damen mich von ihrem Vorhaben unterrichtet, wäre ich darauf vorbereitet gewesen, dem Arzt auf den Fersen zu bleiben. Die wechselnden Gesichtsausdrücke und Blicke ließen darauf schließen, dass er glaubte, wenn ich ihn in die Hände bekäme, würde seine Liebe zum Whisky auf immer erlöschen. Ich nehme an, der Arzt wäre von seinem Durst befreit worden. Hätte ich einige mehr von ihnen behandelt, wäre wohl so etwas wie ein populärer Wahn unter den Ärzten nach der Behandlung ihrer Trinkgewohnheiten ausgelöst worden. Wie viele Tausend hätte ich jährlich drücken, reiben, kneten und zwicken müssen? Ausgehend von den nicht mehr als 10 %, die ich ohne ein Fläschchen, das Beruhigungsmittel für ihren Magen bereit hielt, in ihrem Büro angetroffen habe, schätze ich ihre Zahl auf Hunderttausende.

Nur einen Fall von Trunksucht habe ich mit Medikamenten behandelt. In meinem Besitz befanden sich ein paar gute alte, leicht flüchtige und hauptsächlich aus Hirschhornsalz und Süßöl bestehende Einreibemittel. Ich ging mit einer Flasche dieses Einreibemittels in der Hand umher, um meine Patienten gegen blaue Flecken oder aufgrund einer Verstauchung zu behandeln, als ich einen alten Bekannten traf, der sich in einem Zustand befand, den er als ‚beschwipst‘ bezeichnete. Er war nüchtern genug, aber seine Beine waren butterweich und er berichtete von fürchterlichen Kopfschmerzen. Ich versicherte ihm, mein Mittel würde alles heilen, Kopfschmerzen oder was auch immer. Er nahm in der Straße seinen Hut vom Kopf und bat mich, ihn ein bisschen einzureiben. Ich entkorkte meine Flasche und begann seinen Schädel einzureiben. Ein Esslöffel oder mehr rann sein Haar hinunter, über seine Stirn und in seine Augen. Er zog sein Taschentuch hervor, ich das meine, und beide rieben wir sein Gesicht ab. Er sagte, sein Kopf stünde in Flammen und seine Augen würden herausgebrannt. Ich wusch das Einreibemittel mit Wasser und Seife ab. Als sein Gesicht gewaschen und abgetrocknet war, erschien er vollkommen nüchtern. Seitdem ließ er das Trinken sein. Ich empfehle allen Damen, deren Ehemänner sich betrinken und zu laut reden, ihren Kopf mit so einem Mittel einzureiben und nicht zu schnell wieder auszuwaschen. Falls sie sich dennoch je wieder betrinken sollte, was eher unwahrscheinlich ist, reibt ihnen ihren Bauch auch noch ein. Dieses Einreibemittel kostet 50 Cents pro halbem Schoppen. Jeder Apotheker wird es für Dich zusammenstellen, und Du kannst etwas davon Deinem Mann in die Augen reiben, wenn er betrunken ist. Er wird es in Zukunft lassen oder um die Scheidung bitten.

Das große Still-Kompendium

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