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4.“WER HAT SCHON GUT LACHEN, WENN ER NACKT AUF DORNEN SITZT!“ (SORBISCHES SPRICHWORT)

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„Schneeflöckchen weiß Röckchen“ damit werde ich heute Morgen von einer Frauenstimme geweckt, die das Lachen anscheinend automatisch eingebaut hat. Schon fast fröhlich stehe ich auf, freue mich auf meine schneebedeckte Terrasse. Ne ist nicht, grau und schmuddelig empfängt mich der trübe Morgen. „In einigen Teilen Schleswig-Holsteins können wir bis zu 4 Stunden Sonne erwarten“, verkündet die Lachstimme. Ja, murmele ich vor mich hin, „an einem geheim gehaltenen Ort.“ Nun gehöre ich morgens zu den Menschen, die eher brummig den Tag beginnen und da kommt das frohe Laune provozierende Gelächter der Radiomacher bei mir gar nicht gut an.

Überhaupt wird alles an Beschwerlichkeiten weggelacht. Mir völlig fremde Wesen wollen mich mit Heiterkeit und positiver Ausstrahlung dazu bringen, mir Dinge schön zu reden, die im realen Alltag weder schön noch zum Lachen sind. Zum Beispiel: Ein gut aussehender älterer Herr mit schlohweißen Haaren lässt sich über beide Ohren grinsend mit dem Treppenlift im Eigenheim nach oben befördern. Der Kerl sieht aus wie ein Eintänzer auf dem Traumschiff und hat vielleicht mal eben die 50 Jahre überschritten. Und dem soll ich abnehmen, dass er froh darüber ist, dass er nicht ohne Beschwerden die Treppe herauf steigen kann?

Oder ein Tanzpärchen schwebt schwungvoll über den Bildschirm. Sie ist mit einem Röckchen bekleidet, welches äußerst knapp den Po bedeckt. Er steckt in einem hautengen Fitnessdress. Beide, nicht mehr ganz jung, bejubeln ihre geschmeidige Beweglichkeit. Ypiie, endlich habe ich es geschafft, endlich kann ich sie auch tragen, scheint die übermütig lachende Frau zu frohlocken. Und für was macht sie Reklame? Für Tena-Lady, dieses schmucke Hilfsmittel für inkontinente Frauen ab 40. „Mit 40 inkontinent?“, frage ich mich. In dem Alter habe ich noch gar nicht gewusst, dass so etwas möglich sein könnte.

Eine strahlende Frau beißt kraftvoll mit schneeweißen Zähnen in einen knackigen Apfel und bietet Protefix als sicheres Haftmittel für die Dritten an. Das ist nicht lustig, wenn man nicht mehr über eine flächendeckende Kauleiste verfügt.

Schwungvoll bewegt sich eine, sagen wir Mitvierzigerin auf dem Rasen, spielt Fußball mit den Enkeln, zerrt rastlos einen Staubsauger hinter sich her, lacht, hat ein fröhliches Liedchen auf den Lippen und ist richtig gut drauf, so dass die Katze etwas verstört hinter ihr herschaut und sich verdutzt fragt, „was ist denn mit der heute los?“ Der Grund für die Ausgelassenheit ist eine Salbe, die sie sich einfach auf das rot angeschwollene Knie reibt. Fit, wie selbige Katze kann sie sich jetzt für den nächsten Stadtlauf anmelden. Wer aber weiß, wie quälend dieser Körperteil schmerzen kann und eigentlich nichts hilft, außer liegend zu ruhen, der lässt zumindest den Staubsauger in der Ecke stehen.

Ein grauhaariger Dauerlächler grinst mich schon wieder an. Frohgemut verkündet er, „dass es ihm schwerfällt über das Thema zu sprechen, aber es gibt eine Lösung“ verspricht er! „Wenn Mann nicht kann“ kann man Abhilfe mit ….. schaffen. Das ist doch der Eintänzer vom Treppenlift???, denke ich. Diesmal hat er sich übermütig ein buntes Käppi auf sein schütteres Haupt gesetzt. Die Füße stecken in jugendlichen neonfarbigen Turnschuhen. Obwohl er zu seiner Geh- nun noch eine Stehschwäche zu beklagen hat, der Biss stark eingeschränkt ist und auf dem Kopf 3 Haare sich auf 27 Reihen tummeln, lacht dieser Teufelskerl einfach alles weg. In Wirklichkeit denkt er „Sch ……., das auch noch.“

Die Best-Ager müssen für alles herhalten, um das Älterwerden schön zu reden. Bei euch ist das Gold vergraben säuseln die Werbefritzen. Wir sind gern behilflich, diesen Schatz zu heben.

Ich habe einen dicken Kloß im Halse stecken, stelle fest, dass ich mir selbst auf die Nerven gehe, weil ich auch ein Dauerlächeln angeknipst habe. Positiv denken, handeln und so grinse ich ständig in fremde Gesichter. „Musst du dauernd so nett sein und die Leute mit deinem ‚Habt-mich-bitte-alle-lieb-Lächeln‘ angrinsen?“, frage ich mich. Obwohl der Platz im Bus nicht besetzt ist, erkundige ich mich „ist hier noch frei?“ „Nö, meine Tasche sitzt hier“ kommt eine patzige Antwort. Wenn ich jemanden anrufe, flöte ich lieblich „ich hoffe, ich störe nicht.“ „Passt gerade nicht so“, kommt es vom anderen Ende, „stecke mitten im Stau.“ Das ist wahrscheinlich eine dicke Lüge. Ich beschließe, dass jetzt mal Schluss ist mit diesem Getue. Nein, ich werde nicht mehr dauernd dieses „Postiv-Denken-Lachen“ mit mir herumtragen. I’m not amused.“

Gerade hatte ich mir das Lachen aus dem Gesicht gewischt, ruft meine Freundin an. Weinend erzählte sie mir, dass sie eine furchtbare Auseinandersetzung mit Karl-Heinrich gehabt hätte. Es wäre fast zur Trennung gekommen. Nachdem Karli-Schatz sich beruhigt habe, redete sie aufgeregt weiter, hätte er sie auf Knien angefleht „Herta, wenn ich dich jemals schlagen sollte, dann pack deine Koffer und geh. Das war so süß, ich hatte Tränen in den Augen“, schluchzte Herta. Da musste ich lachen.

Ich atme ein – Ich raste aus!

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