Читать книгу Alles aus meiner Hand - Angela Schwab - Страница 6
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Diese Frau bin ich, schon seit 39 Jahren alt, immer noch dieselbe. Eigentlich wäre mein Name Ramona oder Natascia gewesen. Komisch nicht? Aber als im Spital diese Frage gestellt wurde war nur mein Vater anwesend. „Wie soll das Mädchen heissen?“ Wurde ihm gefragt.
Heute denke ich aber dass Angela gar kein schlechter Name ist. Die Aussprache ist offen, man kann darüber philosophieren, aber der Name ist unverwechselbar. Da merkt man sofort dass das italienisch klingt.
Es war ein warmer Sommer, sagte meine Mutter. Es war abends um 19:50 als ich zur Welt kam. Im Juni 1976. Es wurde mir gesagt dass ich ein Wunschkind war. Daran habe ich meine Zweifel, aber das spielt heute keine Rolle mehr. Es wurde mir auch gesagt ich sei ein pflegeleichtes Kind gewesen. Ich habe die Augenfarbe meines Vaters, grün-braun sind sie. Ja als Kind wollte ich immer wissen, welche Augenfarbe Kinder hatten, vielleicht weil ich mir selber blau gewünscht hatte. Ich konnte sogar erraten ob es ein Junge oder ein Mädchen wird, und komischerweise hatte ich immer Recht. Ja, ich wurde an einem Sommerabend im alten Spital in Grenchen geboren. In diesem Jahr wurden viele Mädchen geboren.
Mein Vater war ein netter Junge. Wenn ich seine Fotos anschaue denke ich, „also ich hätte den auch geheiratet!“. Er wuchs in Süditalien aus einer armen Familie heran. Sein Vater, geboren mit kurzen Beinen, war ursprünglich reich, hatte viel Land und trug sogar einen Titel. Ja, so wie diese adligen die man heute in den Zeitschriften liest. Er hiess: „Don Bellucci“. Er hiess Bellucci. Er heiratete meine Grossmutter Sofia. Sie war im Dorf bekannt weil sie ein sehr hübsches Mädchen war. Er war reich, alt, und Sie war jung und hübsch. Aber ds ist kein Märchen! So wurde mir das immer gesagt. Damals war sehr wichtig zu wissen aus welcher Familie man stammt und dass man einen guten Ruf hat. Mein Grossvater begann aber im Laufe seines Lebens zu trinken und verschuldete sich so sehr, dass er sein Land verlor. Seine Familie landete in Armut.
Mein Vater war das zweite von 4 Kindern. Er arbeitete auf dem Land. Einmal fand er ein kaputtes Velo und lerne alleine Velofahren. Er durfte zur Schule gehen, jedoch bis zur 3. Klasse. Heute kann er nur seine Unterschrift schreiben und schlecht lesen. Mein Vater ist ein gütiger Mensch, ich liebe ihn sehr. Er zeigt seine Gefühle nicht, er hat es nie gelernt. Er ist offen für Neues, ist korrekt und immer loyal und würde niemandem etwas antun. Er hilft immer wo er kann, wurde deswegen auch viel ausgenutzt. Weil seine Familie so arm war und im Dorf keine Arbeit war, kam er 1975 in die Schweiz. Sein älterer Bruder war schon hier. Sehr viele Italiener kamen zu dieser Zeit nach Grenchen um Arbeit zu suchen. Seine erste Stelle war im Baugewerbe. Dann arbeitete er als Kranführer. Er heiratete meine Mutter am 10. Oktober 1975. Damals wurden viele Paare verkuppelt. So auch meine Eltern. Meine Mutter sah meinen Vater 2 oder 3 Mal, dann heirateten sie. Aber zum Glück war es Liebe! Denn auch das ist nicht selbstverständlich! Mein Vater war damals 25 Jahre alt und sehr hübsch. Alle im Dorf meiner Mutter sagten: „Ecco l’americano! (hier ist der Amerikaner).
Als er meine Mutter besuchte, war immer eine Person die die beiden kontrollierte. Sex vor der Ehe war sowieso verboten, denn damals war es so dass wenn man vor der Ehe mit jemanden Sex hatte, wäre das für die ganze Familie eine Schande gewesen. Kein Mann würde eine Frau heiraten die bereits mit einem anderen Mann geschlafen hatte. Es war sehr wichtig, dass DIE FRAU noch Jungfrau war. Und wenn nicht, woran erkennt man dass …