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Reise nach Augusta Treverorum 287 n. u. Z.

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Am nächsten Morgen verließen Daphne und Vitruv Roma zusammen mit vielen Sklaven und Wagen, in denen unter Aufsicht Philomenas Daphnes Aussteuer verpackt worden war. Benommen ging Daphne zu ihrem Reisewagen. Sollte das alles gewesen sein, worüber sie mit ihren Freundinnen dicht aneinandergeschmiegt viele Nächte heimlich getuschelt hatte?

Nachdem Philomena sie am Vorabend verlassen hatte, war Vitruv schwankend ins Zimmer getreten und sagte lallend:

„Dann wollen wir mal.“

Er löschte das Licht, öffnete den Gürtel ihrer Tunika, wies sie an, sich zu entkleiden und sich zu ihm in das Bett zu legen. Dann drehte er sie, ohne ein Wort zu sagen, um und stellte sie auf die Knie. Bevor sie merkte, was geschah, war er in sie eingedrungen und stieß wie ein Stier immer wieder in sie hinein. Es tat höllisch weh, und sie versuchte, sich ihm zu entziehen. Aber es gelang ihr nicht: Mit einer Hand hielt er ihren Hals umklammert, sodass sie kaum Luft bekam. Nach wenigen Minuten war ihre Qual beendet. Vitruv stand auf, sah gleichgültig auf sie hinunter und verließ das Zimmer mit den Worten:

„Ich schicke dir Philomena.“

Erstarrt sah Daphne auf ihre mit Blut verschmierten Schenkel und nahm wie durch einen Schleier wahr, dass ihr ganzer Körper schmerzte, besonders ihr Anus.

„Wo waren die Götter, als der Herr zu Euch kam, haben wir ihnen nicht genug gegeben“, schimpfte Philomena, als sie Daphne zitternd im Bett liegen sah.

„Armes Lämmchen, hat die Herrin doch Recht gehabt!“

Vorsichtig wusch sie Daphne, bezog das Bett frisch und blieb bei ihr sitzen, bis sie eingeschlafen war. Als Daphne sich am nächsten Morgen von Philomena verabschiedete, sagte sie zu ihr:

„Du wirst meiner Mutter nichts von der letzten Nacht erzählen, ich will sie nicht beunruhigen. Vitruv hat zu viel Wein getrunken; ich bin sicher, dass so etwas nicht wieder vorkommen wird.“

„Lämmchen, ich werde den Göttern jeden Tag opfern und sie anflehen, dass sie dafür Sorge tragen, dass dein Leben schön wird. Am liebsten würde ich mitkommen, um dir in der fernen Provinz beizustehen. Aber ich muss bei deiner kranken Mutter bleiben, sie braucht mich. Du bist jung und stark, es wird dir gelingen, einen Weg zu finden, mit deinem Ehemann in Frieden zu leben. Meine kleine Philomena wird dich begleiten und dir zur Seite stehen. Sie ist ein dummes Ding, aber mit ihrer Unterstützung wird es in der Fremde weniger einsam sein.“

Als Daphne in den Reisewagen steigen wollte, trat Vitruv an sie heran und versuchte sie, auf die Wange zu küssen. Entsetzt wich sie zurück, und er sah verlegen auf den Boden, wie es nicht seine Art war.

Der Himmel war verhangen, es roch nach Regen, und für die frühe Morgenstunde war es für die Jahreszeit zu kühl. Die Reise würde sie erst einmal nach Arleate (Arles) bringen, wo sie im kaiserlichen Palast des Augustus Maximian einige Ruhetage verbringen würden. Weiter würde ihr Weg sie über Lugdunum (Lyon) an der Saone nach Cabillonum (Challon sur Saone) führen. Von dort weiter über Castrum Rauracense (Kaiseraugst) nach Augusta Treverorum. Vitruv hatte beschlossen, auf dem Weg nach Norden bei eigenen und Freunden des Senators zu übernachten, um Daphne die Unbequemlichkeiten der kaiserlichen Posthäuser zu ersparen. Die erste Nacht verbrachten sie bei Senator Caius Julius Optatus, einem Jugendfreund des Senators. Die alteingesessene Familie, die ihre Vorfahren bis auf Caesar zurückverfolgen konnte, empfing sie herzlich, lächelte versteckt über Daphnes bleiche Gesichtsfarbe und stellte ihnen die schönsten Räume ihres weitläufigen Landgutes zur Verfügung. Nach einem opulenten Essen, von dem Daphne kaum etwas zu sich nehmen konnte, erwartete sie ängstlich ihren Ehemann in ihrem Bett. Wenig später betrat Vitruv das Zimmer, trat an das Bett und sagte leichthin:

„Ich denke, wir sollten uns heute Nacht ausruhen, die letzten Tage waren anstrengend.“

Dann beugte er sich zu Daphne herunter, die krampfhaft das Laken festhielt, das sie bis zu ihrer Nasenspitze heraufgezogene hatte, strich ihr leicht über das Haar und verließ das Zimmer. Daphne, die vor Aufregung die Luft angehalten hatte, atmete erleichtert aus, sprang aus dem Bett und verriegelte die Tür. Aus dem kleinen Raum, der neben ihrem Zimmer lag, kam Philomena minor herausgelaufen. Sie hatte sich dort ein schmales Nachtlager gerichtet, um Daphne zur Hilfe zu kommen, falls es notwendig werden würde.

„Herrin, für heute haben wir Ruhe, können uns erholen und beruhigt schlafen; was morgen sein wird, werden wir sehen.“

Sie deckte Daphne zu, wünschte ihr eine gute Nacht und verschwand.

Am nächsten Morgen war der Regen weitergezogen, und die Sonne schien strahlend in das Zimmer. Daphne fühlte sich besser. Die Schmerzen in ihrem Bauch und am Gesäß waren kaum noch zu spüren, und ihr Lebensmut kehrte langsam zurück. Nach einem kleinen Frühstück verließen sie ihre freundlichen Gastgeber und fuhren bis tief in die Nacht hinein in Richtung Norden.

Die folgenden zwei Tage und Nächte verbrachten sie in der Sommervilla eines Freundes Vitruvs, die an einem dunklen See lag. Ein hoch aufragendes Alpenmassiv, dessen Spitze schon von Schnee bedeckt war, grenzte an den See. Am letzten Abend ihres Aufenthalts gab der Hausherr für das frisch vermählte Paar ein rauschendes Fest, zu dem viele gemeinsame Freunde geladen waren. Vitruv kam spät in der Nacht in Daphnes Schlafzimmer, nachdem er mit seinen männlichen Freunden gezecht hatte. Er kleidete sie schweigend aus, spreizte ihre Beine, legte sich auf sie und drang vorsichtig in sie ein. Nach wenigen, kurzen Stößen rollte er sich zur Seite, deckte sie zu, strich ihr über das Haar und verließ wortlos den Raum. Daphne atmete durch und rief Philomena.

„Herrin, meine Großmutter sagt immer, die Ehe ist nicht für das Herz gemacht, sondern für den Fortbestand der Familie. Bekommt schnell viele Kinder, dann habt Ihr Eure Verpflichtung gegenüber den Ahnen und den Göttern erfüllt und könnt Eure Nächte leben, wie Ihr wollt. Wer weiß, vielleicht werdet Ihr dann Freude an der Liebe finden.“

„Ach Philomena, in Sicilia war er anders - höflich, freundlich und an meinen Gedanken interessiert.“

„Soweit ich mich erinnere, hat er auch dort wenig geredet; er hat Euch interessiert zugehört, schien es, und mit seinen schönen Augen vielsagend geguckt.“

In dieser Nacht schlief Daphne tief und wachte am nächsten Morgen erfrischt auf. Zwei ihrer wesentlichen Charaktereigenschaften - Optimismus, gepaart mit Kaltblütigkeit - Wesensarten, die ihr in ihrem zukünftigen Leben über Schicksalsschläge hinweghelfen würden, ließen sie an diesem Morgen hoffen, dass sie lernen würde, mit ihrem seltsamen Ehemann zusammenzuleben. Aber nur unter der Voraussetzung, dass alle folgenden Nächte wie die vorherige sein würden. Viele interessante Dinge warteten auf sie: Ihre Familie war eine der ersten des Reiches, Vitruv und sie würden bei Hofe verkehren und seine vielfältigen Lustbarkeiten erleben. Wie in ihrem Elternhaus würden sie in ihren prächtigen Villen interessante Menschen zu Gast haben und sie mit exquisiten Banketten bewirten. Und schon bald würde sie viele schöne Kinder gebären, auf die große Aufgaben und hohe Ränge im Römischen Reich warteten. Bei all diesen prächtigen Aussichten war ein wenig gesprächiger und grober Ehemann, der außerdem häufig als Statthalter in der Provinz auf Reisen sein würde, nicht von Belang. Für den Rest der Reise war Daphne das fröhliche Mädchen, das sie vor ihrer Hochzeit gewesen war. Sie nahm wieder ihr Tagebuch hervor und vertraute ihm ihre Gedanken und Erlebnisse an. Es war der fünfte Kodex in Folge aus Pergamentblättern. Seit sie in ihrem achten Lebensjahr von ihrem Vater die lateinische Sprache schreiben gelernt hatte, hielt sie täglich ihre kindlichen Gedanken und Erlebnisse in ihrem Tagebuch fest. Nur Vitruvs schändliches Verhalten fand keinen Eingang in das Buch. Es tat ihr zu weh, und insgeheim war ihre Enttäuschung so groß, dass es ihr nicht gelang, sie in Worte zu fassen.

Während ihrer Weiterfahrt in den Norden genoss sie den Anblick der Landschaften aus dem Fenster ihres Reisewagens und freute sich über die Ehrerbietung, die ihrem Ehemann und ihr an allen Orten entgegengebracht wurde. Vitruv kam jede Nacht in ihr Bett, erledigte seine ehelichen Pflichten ohne ein Wort, verließ sie sofort danach und ging in sein Zimmer. Am Tage sah sie ihn nur zu den Mahlzeiten. Dann plauderte er charmant mit ihr und ihren Gastgebern wie in ihrer Verlobungszeit. Manchmal schien es ihr, dass ihm ihre lebhafte Beteiligung an den Tischgesprächen missfiel. Er sah dann unter sich, seine Augen wurden zu schwarzen Schlitzen, und er trommelte mit den Fingern nervös auf den Tisch. Noch bevor sie Augusta Treverorum erreichten, erkannte Daphne, dass sie ein Kind erwartete. Sie konnte es kaum abwarten, Vitruv die freudige Nachricht mitzuteilen. Als er abends in ihr Zimmer kam, sagte sie: „Vitruv, ich …“

Barsch unterbrach er sie:

„Ich kann ewig plappernde Weiber nicht leiden und überhaupt nicht im Bett. Halte endlich deinen Mund!“

„Aber ich will dir nur …“, begann Daphne.

Daraufhin stieg Vitruv mit krebsrotem, wutverzerrtem Gesicht aus dem Bett, nahm seine Reitpeitsche, die er immer bei sich trug, vom Tisch und schlug so lange auf Daphne ein, bis Philomena ihr Schreien im Nebenzimmer nicht mehr aushielt und herausgestürzt kam, obwohl er ihr streng verboten hatte, das Zimmer zu betreten, solange er es nicht verlassen hatte. Während Philomena versuchte, Daphne mit ihrem Körper vor den Peitschenhieben zu schützen, schrie sie:

„Herr, Herr, das Kind, Ihr tötet das Kind.“

„Meine Frau ist kein Kind, und ich schlage sie, solange ich will, geh!.“

„Herr, Eure Ehefrau erwartet ein Kind.“

Es dauerte eine Weile, bis Vitruv den Sinn von Philomenas Worten verstand und von Daphne abließ. Verwirrt sah er erst Philomena und dann Daphne an und verließ unter Flüchen das Zimmer.

Philomena nahm Daphne in den Arm und wiegte sie wie ein Kind.

„Herrin, ihr müsst Euch von Eurem Ehemann trennen und nach Roma in Euer Elternhaus zurückkehren, er ist wie ein Tier, er kann sich nicht beherrschen.“

In diesem Augenblick wich Daphnes Traurigkeit über die mangelnde Zuneigung und Ehrerbietung ihres Ehemannes aus ihrem Herzen und machte einer ungeheuren Wut Platz.

„Philomena, wenn wir in Augusta Treverorum sind, werde ich zum Kaiser gehen und mich beschweren, er muss Vitruv bestrafen.“

„Herrin, Ihr gehört Eurem Mann, er darf Euch prügeln, solange und so viel er will, der Kaiser kann nichts für Euch tun. Schreibt lieber Eurem Vater, er wird nicht zulassen, dass sein kleiner Liebling gequält wird.“

Am nächsten Tag, vor der ersten Mahlzeit, klopfte es an Daphnes Tür und Antiochios, Vitruvs Sekretär betrat das Zimmer. Er war nicht nur jung und schön, sondern auch klug, wie Daphne auf der Reise bemerkt hatte.

„Mein Herr schickt mich, Euch dieses Geschenk zu übergeben. Er lässt Euch ausrichten, dass er hocherfreut ist, dass Ihr seinen Sohn tragt.“

Philomena, die sich schützend vor Daphne gestellt hatte, nahm die Schatulle und reichte sie Daphne, die sie öffnete und einen kurzen Blick auf den Ring mit einer pflaumenkerngroßen rosafarbenen Perle warf. Dann wandte sich Philomena dem Sklaven zu und antwortete:

„Richtet Eurem Herrn aus, dass meine Herrin ihm für das Geschenk dankt. Richtet ihm weiter aus, dass meine Herrin leidend ist und in den nächsten Tagen das Bett nicht verlassen kann. Wir werden Euch benachrichtigen, wenn sie die Reise fortsetzen kann.“

Als Vitruv von Daphnes Weigerung erfuhr, abzureisen, verfluchte er den Tag, an dem er sich von Kaiser Maximian hatte überreden lassen, nicht nur sie zu heiraten, sondern überhaupt zu heiraten. Es wäre für sein Leben weitaus angenehmer gewesen, auf die Fortsetzung seiner Karriere zu verzichten und sich stattdessen auf seine Güter zurückzuziehen, um sich dort ungestört seinen Leidenschaften hinzugeben. Aber er hatte sich anders entschieden: Die von Kaiser Maximian angebotene Karriere war zu verlockend gewesen. Jetzt war er verheiratet, würde Vater eines Sohnes werden und musste sehen, wie er sein Problem lösen würde. Irgendwie musste er mit der Kleinen fertigwerden. Hoffentlich war seinem Sohn nichts zugestoßen. Noch heute würde er Daphne von der Hebamme ihrer Gastgeberin untersuchen lassen. Auf einmal lachte er so laut heraus, dass der Sklave, der seine Tuniken wegräumte, zusammenfuhr. In diesem Moment war ihm bewusst geworden, dass er seine eheliche Pflicht fürs Erste erfolgreich erfüllt hatte. Jetzt musste er vorerst nicht mehr in das Bett seiner Ehefrau steigen. Sofort besserte sich seine Stimmung, und er rief nach Antiochios, um mit ihm die Thermen seines Gastgebers zu besuchen und hinterher auszureiten.

Fünf Tage nach Vitruvs Gewaltausbruch war Daphne soweit wiederhergestellt, dass sie die Reise nach Augusta Treverorum fortsetzen konnte. Seit dem Zwischenfall hatte Vitruv sich einmal täglich durch seinen Sekretär nach ihrem Befinden erkundigt. Sahen sie sich, gingen sie wie gut erzogene Fremde miteinander um - unverbindlich, höflich und korrekt. Die Mahlzeiten nahmen sie selten gemeinsam ein. Häufig entschuldigte Daphne sich mit Unwohlsein. Besonders morgens konnte sie das Frühstück nicht bei sich behalten, wie viele Frauen in ihrem Zustand.

Als sie nach sechs Wochen ihr neues Zuhause erreichten, hatte Daphne sich über das schändliche Verhalten von Vitruv so weit beruhigt, dass sie beschloss, den Kaiser erst nach der Geburt ihres Kindes aufzusuchen. Auch ihrem Vater wollte sie vorerst nicht schreiben, die Scham verbot es ihr.

Daphne und der Kaiser

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