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Schwangerschaft 287 n. u. Z.

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Die Villa an der Mosella übertraf Daphnes Vorstellungen, es war Liebe auf den ersten Blick. Schon von weitem sah man die ländliche Portikus-Villa, die auf einer Schotterterrasse des an dieser Stelle breiten Tals der Mosella lag. Ein mit Eichen und Tannen bewaldeter Berghang begann gleich hinter dem Haus und bildete eine schöne Kulisse für das herrschaftliche Anwesen. Morgens leuchtete die auf der gegenüberliegenden Seite des Talufers liegende Hügelkette in allen Farben der aufgehenden Sonne.

Die zweigeschossige Fassade der Villa war einhundertvierzig Meter lang, hatte eine imposante Säulenfront und wurde von zwei dreigeschossigen leicht vorspringenden, massiv gemauerten Eckrisalten (Nebenflügeln) eingerahmt. Den Seitenabschluss bildeten zwei Nebengebäude mit tempelartigem Säulenaufbau. Beidseitig nach Südwesten und Südosten schlossen sich zwei niedrige Wandelhallen mit einer Länge von mehr als zweihundertfünfzig Metern und einer Tiefe von acht Metern an; sie verliefen weit hinein in einen Park, der zu Daphnes Freude verschwenderisch mit Statuen und Wasserspielen geschmückt war.

Über die rechte Wandelhalle erreichte man am äußeren Ende des Parks die Therme. Das fast tausend Quadratmeter große Badhaus verfügte über ein fünfundsechzig Quadratmeter großes Schwimmbecken und sieben Baderäume, von denen drei beheizbar waren. Von ihrem Schlafzimmer im ersten Stock konnte Daphne die Mosella sehen, die an dieser Stelle träge in Richtung Augusta Treverorum floss.

Die nächsten Monate bis zur Geburt ihres Kindes verbrachte Daphne in Begleitung von Philomena. Häufig erkundeten sie die Umgebung nur in Begleitung eines verschwiegenen Sklaven, der den Wagen lenkte. Daphne liebte es, den Weinbauern bei der Ernte der Trauben zuzusehen, die hier entlang der Mosella an sanft ansteigenden Hügeln wuchsen.

Sie fuhren durch dichte Wälder im Hinterland und bewunderten die Blätter der Bäume, die sich von Grün über Rot nach Gelb verfärbten und im November hinunterfielen. Daphne genoss die Ausflüge und fühlte sich freier ums Herz. Bald kannten sie die Menschen des nahe gelegenen Dorfes, die zusammenliefen, wenn sie Daphne in ihrem Wagen kommen sahen. Es machte Daphne glücklich, wenn die Menschen ihr ihre kleinen und großen Sorgen anvertrauten und sie helfen, konnte. Oft las sie abends in der Schrift eines gewissen Tertullian, die ihre Mutter ihr mit den Worten mitgegeben hatte:

„Kind, wenn du in dem barbarischen, kalten Norden unseres Römischen Reiches Trost brauchen solltest, lese diese Zeilen, vielleicht werden sie dir genauso helfen, wie mir in meinem Leben.“

Tertullian, geboren in Karthago als Sohn eines römischen Offiziers, erhielt eine juristische und rhetorische Ausbildung. Ab 190 lebte er in Roma und trat dort zum Christentum über. Er übersetzte die in griechischer Sprache verfassten christlichen Schriften in das Lateinische. Seine eigenen christlichen Werke wie das „Apologeticum“, in dem er das Christentum vor den Heiden verteidigte, bestachen die Menschen wie jetzt auch Daphne mit seinem scharfen, glänzenden Stil. Jetzt erinnerte sich Daphne, dass ihre Mutter sich einmal wöchentlich von ihrem Bett erhoben hatte und mit Philomena zusammen das Haus verließ. Auf Daphnes neugierige Frage, wohin sie gehe, hatte sie nur gelächelt und ihr über den Kopf gestreichelt.

Vitruv war inzwischen zum Statthalter der Provinz Belgica prima ernannt worden. Er verbrachte die meiste Zeit auf Reisen durch die Provinz, um Recht zu sprechen, oder nahm im fernen Rom an Senatssitzungen teil. Die wenigen Tage, die er in Augusta Treverorum weilte, lebte er in der Stadtvilla, dem Hochzeitsgeschenk von Kaiser Maximian. Selten und nur für wenige Tage kam er auf das Landgut an der Mosella, um sich davon zu überzeugen, dass seine Ehefrau und das ungeborene Kind bei guter Gesundheit waren.

Die Schwangerschaft schützte Daphne vor Vitruvs körperlichen Annäherungen, aber die Atmosphäre zwischen ihnen war so gestört, dass selbst das gemeinsame Abendmahl in seiner Gesellschaft für sie eine Qual war. Außerdem musste sie dann auf ihre geliebten Ausfahrten verzichten. Er hatte ihr streng untersagt, das Haus zu verlassen; sein ungeborener Sohn sollte keiner Gefahr ausgesetzt werden.

Am 3. Februar 288 kam das Kind zu Welt, aber es war kein Stammhalter, sondern eine dicke, schöne Tochter mit einem kräftigen roten Haarschopf. Daphne gab ihr den Namen Alexandra Claudia. Es war keine schwere Geburt, sie dauerte drei Stunden mit leichten Wehen und drei Presswehen, dann lag das kleine Bündel Mensch in ihren Armen. Daphne erholte sich so schnell von der Geburt, dass der Arzt, den Vitruv zusätzlich zu der Hebamme aus Augusta Treverorum hatte kommen lassen und der seit Wochen im Haus auf die Geburt wartete, sie nicht im Bett halten konnte. Vitruv war sicher gewesen, Vater eines strammen Jungen zu werden. Dass das Kind weiblichen Geschlechts sein könnte, hatte er nicht in Betracht gezogen.

Mit Daphne staunte das ganze Haus, als es dem kleinen Mädchen in wenigen Wochen gelang, ihren Vater um den Finger zu wickeln. Von ihrem ersten Tag an liebte Claudia ihren Vater inbrünstig, und ihre Liebe wurde erwidert. Sooft es seine Verpflichtungen zuließen, besuchte er seine Tochter bei ihrer Amme, nahm sie auf den Arm, redete und spielte mit ihr. Claudias erstes Lächeln galt ihrem Vater, und als sie laufen konnte, hing sie an seinen Beinen und schrie jämmerlich, wenn er das Zimmer verließ.

Jetzt, wo das Kind auf der Welt war, konnte Daphne es kaum erwarten, ihre Stadtvilla in Augusta Treverorum kennenzulernen. Als sie Vitruv davon in Kenntnis setzte, dass sie beabsichtige, mit Claudia zeitweise in Augusta Treverorum zu leben, stand er erregt auf und schlug es ihr heftig mit den Worten ab:

„Dein Platz ist hier auf dem Land bei deinem Kind und nicht in einer gefährlichen Stadt.“

Durch die Freundlichkeit, die er Claudia entgegenbrachte, war Daphne Vitruv gegenüber versöhnlicher gestimmt. Aber sein Verbot, in Augusta Treverorum zu leben, verschlug ihr zunächst die Sprache. Dann kam die Wut in ihr hoch, sie konnte sich nicht mehr beherrschen und schrie ihn an:

„Die Stadtvilla ist ein Hochzeitsgeschenk von Kaiser Maximian, sie gehört nicht nur dir, sondern auch mir. Wenn du mir verbietest, in Augusta Treverorum zu leben, werde ich meinem Vater schreiben und ihn um Hilfe bitten.“

„Dein Vater wird es nicht wagen, sich in meine Rechte einzumischen“, brüllte Vitruv zurück.

Insgeheim hatte er Respekt vor seinem Schwiegervater, dem römischen Senator mit dem langen Stammbaum. Vitruv war unsicher, wie der Senator reagieren würde, wenn er erfuhr, dass sein Liebling mit ihrem Ehemann und dem Leben, das er ihr in der Fremde bot, nicht zufrieden war.

Während Daphne auf dem Land die Geburt ihres Kindes erwartet hatte, war Vitruv in Augusta Treverorum in der Stadtvilla seinen Vergnügungen nachgegangen. Er würde Zeit brauchen, die schönen Knaben, die es sich dort gemütlich gemacht hatten, zu entfernen und die ständig tratschenden Haussklaven auszuwechseln, bevor seine Ehefrau und seine Tochter in die Villa einzogen. Auch war Kaiser Maximian in Familienangelegenheiten penibel, eine Trennung von Daphne würde seine Karriere zumindest nicht fördern, sie schlimmstenfalls beenden. Und der Senator würde im Falle einer Trennung der Eheleute darauf bestehen, dass seine Tochter, wie im Ehevertrag vereinbart, zusammen mit seiner Enkelin nach Roma zurückkehren würde. Zum ersten Mal in seinem Leben liebte Vitruv einen Menschen, seine Tochter Claudia, und er wurde von ihr wiedergeliebt. Es würde ihm schwerfallen, auf seine Tochter zu verzichten. Vitruv atmete tief durch, setzte sich und sagte:

„Ich bin einverstanden. Wir fahren in einem Monat, ich muss das Haus für unsere Tochter erst richten lassen.“

Daphne merkte, dass etwas nicht stimmte, war aber so glücklich, dass sie ihm zustimmend zulächelte, und beschloss, vorerst nicht nachzuforschen.

Daphne und der Kaiser

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