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Übung: Bessere Sätze finden

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Glaubenssätze können auch ganz überindividuell sein, sie spiegeln oft eine allgemeine, sehr rigide Moral. Solche Sätze sind unwiderlegbar. Sie machen uns bzw. den Kindern in uns, ein mulmiges Gefühl und erzeugen Hilflosigkeit ebenso wie das Gefühl, etwas falsch zu machen oder falsch zu sein. Was soll man schon einwenden, wenn man mit Sätzen groß geworden ist wie »Das tut man nicht« oder »Was sollen die Leute dazu sagen?«

Besonders wirksam sind rigide, manchmal sadistische Redewendungen, von denen ich nur hoffen kann, dass sie heute keine Verwendung mehr finden:

Eigenlob stinkt.

Übermut tut selten gut.

Vögel, die morgens singen, holt abends die Katz.

Wenn das Huhn heiter und fröhlich ist, fängt ihm der Habicht das Küken weg.

Jungen weinen nicht.

Ein Indianer kennt keinen Schmerz.

Viele Patienten haben eine eigene Sammlung davon. Auch der Satz »Sei nicht so albern«, der seinen Inhalt nicht einmal in einer fantasievollen Metapher verbirgt, ist gut geeignet, Lebendigkeit und Fantasie zu schwächen. Die Anwendung dieser oder ähnlicher Sprüche hat die gleiche Aufgabe wie auch die implantierten Glaubenssätze, nämlich die Lebhaftigkeit und Sorglosigkeit eines jungen Menschen zu beschneiden und ihn zu einem normalen, gut funktionierenden Erwachsenen zu machen. Letzteres wird von den Eltern oft als Erziehungsauftrag verstanden. Interessanterweise zeigt sich diese Haltung sogar bei den aufgeklärten Eltern der 68er Generation. Auch diese hatten ein Bild davon, zu welchem Erwachsenen ihr Kind werden sollte – nur eben ein anderes, und die dazugehörenden Sprüche waren milder.

Die Arbeit mit diesen Sprüchen ist für manche Patienten erschreckend, weil sie ein Eindruck davon bekommen, wie bedroht sie sich in ihrer kindlichen Lebendigkeit gefühlt haben müssen. Umso mehr Spaß macht dann die Entwicklung von Gegen-Sprüchen. Das können selbsterfundene Sätze oder Zitate sein, die ich im Bedarfsfall auch gern vorschlage. Manchmal ist es sinnvoll, den Patienten einfach auf die Suche zu schicken. Es wird ihn erstaunen, wie viel prominente Unterstützung er bekommt, wenn er versucht, sich diesen Sätzen zu entziehen. So fand ich zum stinkenden Eigenlob die Antwort von Goethe: »Selbstlob! Nur dem Neider stinkt’s. Wohlgeruch Freunden und eignem Schmack!« Recht hat er. Zur Albernheit fand ich den kleinen Aphorismus von Peter Bamm (1897–1975): »Albernheit ist eine Erholung von der Umwelt.« Und dass Übermut immer guttut, dürfte mittlerweile bekannt sein. – Es geht hier nicht um Moral, sondern darum, Urteile und Vorurteile in ein Gleichgewicht mit der Realität zu bringen.

Diese Übung funktioniert nach dem gleichen Prinzip wie die obige Übung Von der perfekten Mutter zur genügend guten Mutter.

Die Patientin sammelt alle Sätze, mit denen sie als Kind eingeschränkt und geängstigt worden ist. Daneben erfindet sie (mit Ihrer Unterstützung) Gegensätze. Wahrscheinlich ist viel Hilfestellung nötig. Es soll keine Zensur, keine Einschränkung geben. Heißt der negative Glaubenssatz: »Du bist gar nichts«, ist der entsprechende Satz »Ich bin alles«. Bei der Arbeit mit diesen Sätzen dürfen Trotz und viel Fantasie im Spiel sein. Später im Prozess können diese Sätze relativiert, das heißt, einer erwachsenen Realität angepasst werden.

Was wäre, wenn ...

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