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Übung: So bin ich nicht
ОглавлениеDie tiefe, unbewusste Überzeugung, so zu sein – unzulänglich, nicht liebenswert, insuffizient und von schlechtem Charakter – bestimmt häufig das Handeln und Auftreten unserer Patienten. Die Arbeit daran erfordert einen langen, von Geduld und Empathie getragenen Prozess. Was ist, wenn eine Situation eintrifft, vor der der Patient sich fürchtet, die aber unumgänglich ist? Dabei kann es sich sowohl um einen Besuch bei fremden Menschen als auch um ein Vorstellungsgespräch handeln. Ich schlage dann eine aktive Situationsvorbereitung vor. Diese Übung habe ich in ähnlicher Weise schon in einem anderen Buch ausführlich beschrieben (Rohwetter, 2020, S.66f.). Dies ist eine Übung, zu der viel pragmatisches Denken und eine Portion Fantasie gehören. Wichtig dabei ist es, dass die Patientin nicht in irgendein Drama, also in Ängste oder furchtbare Erinnerungen geht. Da ist die strukturierende Seite der Therapeutin gefragt.
Zuerst wird die zu erwartende Situation abgeklärt. Was erwartet die Patientin, was befürchtet sie, wie kann sie sich auf die einzelnen Aspekte vorbreiten? Welche Hilfsmittel kommen in Frage? Gibt es Unterstützer und Verbündete? Kann eventuell der Unterstützer hilfreich sein, der in der Übung Den Dämonen Nahrung geben ( Kap. 4.7) erworben wurde?
Die weitere Arbeit beinhaltet konkrete Dinge wie Körperhaltung (dazu siehe die Übung Mit beiden Beinen fest auf der Erde stehen in Kap. 5.1) und das Wählen der Kleidung. Liegt das Problem in der Angst, nichts sagen zu können, können dafür Lösungen gefunden werden. Manchmal ist es gar nicht nötig, viel zu sagen. Was kann man fragen, um andere zum Reden zu bringen? Sollte es sich um ein Vorstellungsgespräch handeln, muss die Patientin natürlich etwas sagen. Aber auch hier ist es erlaubt, erst einmal zu fragen. Dazu hat sie sich natürlich ausführlich vorbereitet, in dem sie sich genau über den Arbeitgeber informiert hat. Zur Unterstützung können ihre möglichen Fragen auf einem Blatt Paper stehen. Wird sie selbst dann gefragt, verschafft sie sich vielleicht Zeit mit Sätzen wie: »Ich weiß nicht ob ich Ihre Frage richtig verstanden habe, meinten Sie …«
Diese Übung kann öfter wiederholt und auch außerhalb der Therapie mit Freundinnen geübt werden. Eine solche Situation zu meistern, ist sehr befriedigend. Diese Erfahrung bestätigt den Aphorismus: »Wie wird man mutig? Indem man so tut, als sei man mutig« (angeblich ein chinesisches Sprichwort).