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Sechster Brief

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Liebes Benuckelchen

Das ist von allen neuesten Meldungen die verrückteste: 97 Prozent des menschlichen Genoms sind entschlüsselt. Das Resultat ist eine Abfolge von über drei Milliarden chemischer Buchstaben, die sich in den 23 Chromosomen des Menschen aneinanderreihen.

Das Buch des Lebens ist offen.

Die wunderbarste und wahnwitzigste Geschichte seit dem Urknall lässt sich buchstabieren. Nur: buchstabiert ist noch lang nicht gelesen. Allein in einem Bakterium sind einige tausend Gene versponnen. In jedem Wurm einige zigtausend. Im Menschen über hunderttausend. Jedes Gen kann auf jedes andere einwirken. In manchen Zellen sind über 40 000 Gene gleichzeitig aktiv. Zu komplex ist Leben, als dass die Forscher ab sofort knutselen könnten. Knutselen ist basteln auf holländisch und klingt so nett.

Die Euphorie ist auf jeden Fall da. Der Genomknacker Craig Venter hat bereits 6500 Patente auf menschliche Gene beantragt. Der Mensch der Zukunft soll nach Maß geschneidert werden. Gescheiter, perfekter, langlebiger. Und Biophysiker Gregory Stock prophezeit: »In nicht allzu ferner Zukunft wird man Leute, die Kinder durch normale Empfängnis bekommen, als Dummköpfe betrachten.«

Ich denke, Herr Stock weiß nicht, dass etwas wie dein Lächeln oder der kleine Leberfleck in der Falte deines Ellbogens niemals ein genetisches Produkt, sondern immer nur ein genetisches Geschenk sein kann.

Benjamin, mach keine Dummheiten, während ich tot bin

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