Читать книгу Benjamin, mach keine Dummheiten, während ich tot bin - Angelika Waldis - Страница 17
Die List
ОглавлениеGehend hetze ich durch den Schattenstreifen im Garten, von der Linde zum Tulpenbaum und in scharfem rechtem Winkel zur Birke und wieder zurück und hin und zurück. Gehen ist eine seltsame Sportart. Der Geher muss schnell sein, aber darf nicht rennen, was natürlich wäre, darum wirkt er mechanisch wie eine Aufziehpuppe. An einer Stelle, da wo Sonne hinfällt, muss ich sechs Schritte seitlich gehen, mich abdrehen, damit sich mein Schatten auf Benjamin legt, der in meinen Armen liegt. Gehen, gehen, gehen, so wird der kleine Körper sanft gerüttelt, vielleicht war‘s im Mutterbauch ein bisschen ähnlich, aber jetzt kann er die Juliwiese riechen und das Licht im Lindenlaub sehen, bitte, Augen, bleibt jetzt endlich zu, nehmt ihn endlich an, den Schlaf. Gehen, gehen, gehen, mit acht Kilogramm Müdkind im Arm. Würd‘ ich das Müdkind hinlegen, würde es schreien, denn es will nicht in den Schlaf geschickt werden, nicht in den dunklen Tunnel hineinrutschen, es will bei uns in der hellen Welt bleiben, das kluge Kind. Und also müssen wir gehen und gehen, listig, auf dass die Augendeckelchen unten bleiben, gehen, eine gute halbe helle Julistunde lang.
Nach dem Schlaf dann zuerst die kleine Verwirrung: Wo bin ich hier, bin ich auf der Welt?