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Siebter Brief

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Lieber Benjabumm

Vor ein paar Monaten war ich in Lübeck, ein peitschender Regen zur Mittagszeit jagte mich eine Treppe hinunter, in ein Lokal namens Ratskeller. Es war still da unten, Menschenpaare in trautem Lampenschein redeten sehr wenig und aßen sehr viel. Obwohl rund siebzig Jahre älter geworden als das Tier, das auf ihren Tellern lag, waren sie keineswegs fröhlich. Auf derselben Reise geriet ich in einen Vortrag über »Märchen und Alter«. Die Dozentin nannte die alten Menschen Geronten. Sie war noch nicht ganz einer. Danach habe ich auf dieser Reise – Schleswig-Holstein heißt das Land, ganz flach ist es, und ich habe gedacht, wie tief die Sonne hier tauchen muss, bis sie untergehen kann – nur noch Geronten gesehen, Geronten in allen Formen und Stellungen. Sie wühlten in den Kaufhaustischen, krochen durch die Museen, krabbelten in die Fahrzeuge, gebeugt, geduckt, geschminkt und generalüberholt. Die vielen Geronten machten mir Angst. Ich dachte viel an dich auf dieser Reise, du warst da gerade eben zwei Monate alt und also ziemlich neu auf dieser Welt und in meinem Leben. Ich dachte, dass du und deine gleichaltrigen Kümpelchen irgendwann unter der Regentschaft der Geronten zu leiden haben, und das tat mir schon mal leid, zumal ich demnächst selber zu dieser Regentschaft gehörte.

Das Bevölkerungsdiagramm der Zukunft sieht aus wie ein Atompilz. Das tut mir leid. Die Geronten sind im Anmarsch und zeigen die Zähne. Das tut mir leid. Es ist nicht mehr wie früher, dass der Mensch zahnlos in die Welt kam und zahnlos aus der Welt ging.

Benjamin, mach keine Dummheiten, während ich tot bin

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