Читать книгу Toxicus - Anita Jurow-Janßen - Страница 8
2. Kapitel
ОглавлениеKurz nach der Geburtstagsfeier musste Ronny das Gymnasium für immer verlassen. Er hatte zu viel versäumt und kam weder mit den Schülern noch mit den Lehrern wirklich zurecht. Sein ständiges Schwänzen war letztlich aber der Grund für den Rausschmiss gewesen.
Die Sache mit Birgit hatte ihn endgültig aus der Bahn geworfen. Birgit war tot. Es war zwar ein Unfall gewesen, Ronny konnte sich aber nicht verzeihen, wie es dazu gekommen war. Nach dem furchtbaren Unglück in seiner Baracke, das Birgit ihr Leben gekostet hatte, fand er überhaupt keine Ruhe mehr. Seine Trauer um Birgit hatte er seit dem schrecklichen Ereignis immer wieder zu verdrängen versucht. Oft wachte er nachts schweißgebadet auf, weil sie ihm im Traum erschien. Tagsüber irrte er umher und entwickelte gegen alles und alle einen zerstörenden Hass. Er brachte seine Eltern schier zur Verzweiflung.
Nachdem Birgit Ronnys abenteuerliche Behausung am Rande von Oldenburg endlich betreten hatte, war sie nicht nur überrascht, sondern geradezu begeistert von seinen ungewöhnlichen Freundinnen gewesen. Ronny hätte vor Freude am liebsten einen Luftsprung gemacht, als er spürte, wie angetan sie von Anabelle war. Er wollte ihr die drei weiteren Schlangen zeigen, stellte aber mit Entsetzen fest, dass die grüne Mamba, die Namensvetterin von Birgit, fehlte. Die Klappe ihres Terrariums stand einen winzigen Spalt offen. Wie hatte das passieren können? Birgit, die nicht wusste, wie viele Schlangen Ronny besaß, konnte nichts von der Gefahr ahnen, in der sie sich befand. Ronny verschwieg es ihr, weil er befürchtete, dass sie sofort das Weite suchen würde. Um das zu verhindern, ging er mit ihr und Anabelle zu seiner Sitzecke und schaute wie nebenbei unter die Kissen, die verstreut auf dem Sofa lagen. Er konnte jedoch keine Schlange entdecken. Mit bemüht unbefangenem Ton schwärmte er von Anabelle und wie toll es sich anfühlte, wenn man mit ihr Hautkontakt hätte. Seine Augen ließ er währenddessen in seiner Behausung umherschweifen, ohne dass Birgit es merkte. Wo kann sie bloß sein? Ich darf mich nicht verrückt machen. Es wird schon nichts passieren. Ich muss einfach nur die Nerven behalten.
Er überredete Birgit, ihren Pullover auszuziehen und Anabelle selbst zu spüren. Birgit schaute ihn etwas skeptisch an, der Reiz des Neuen war aber offensichtlich so groß, dass sie tatsächlich ihren Pullover auszog und nun im BH auf dem Sofa saß. Ronny konnte jetzt den Blick nicht mehr von ihr lassen. „Du hast einen wunderschönen Hals“, schwärmte er. Seine Stimme war dunkel und verführerisch.
Birgit, die mit Anabelle beschäftigt war, lächelte, als sie sagte: „Findest du?“
„Du bist so wunderschön wie …“ Er stockte. Beinahe hätte er Birgit verraten, dass sie Ähnlichkeit mit der entwichenen grünen Mamba hatte.
„Wie denn? Was meinst du?“, fragte Birgit und sah ihm erwartungsvoll in die Augen.
Er wandte den Blick ab. „Na ja, wie meine Schlangen eben. Ich hoffe, du bist über den Vergleich nicht böse.“ Birgit lachte. Ronny, der durch Birgits offensichtliche Begeisterung für Anabelle immer mutiger wurde, setzte sich neben sie und sagte: „Leg dich ruhig hin. Ich lege dir Anabelle auf den Bauch. Das ist das Größte überhaupt. Du wirst sehen.“
Birgit, die eine enge Jeans trug, die den Bauchnabel frei ließ, bekam sofort eine Wohlfühlgänsehaut, als Anabelle auf ihr lag und anfing, sich zu schlängeln.
Ronny passte auf, dass Anabelle sich nicht davonmachte. Er nutzte die Gelegenheit, Birgits Bauch mit seiner Hand zu streicheln. Er wusste nicht, ob Birgit das merkte, oder ob sie dachte, es wäre einzig und allein Anabelle, die ihr die Glücksgefühle bescherte. Ronny zog seinen Pullover aus und legte sich zu ihr. Das Sofa war breit genug für sie beide. Er legte sich ein paar Kissen unter den Kopf und schob auch eins unter Birgits Kopf. Er lag etwas höher und konnte ihr Gesicht von oben betrachten. Wie er sie begehrte! Er konnte seine Erregung kaum zügeln und hatte Angst, dass sie es bemerken würde.
Dann geschah das Unglaubliche. Die grüne Mamba schlängelte sich unter Birgits Kissen hervor. Ronny, zu Tode erschrocken, wollte sie mit seinen Händen greifen, aber sie hatte schon zugeschlagen und Birgit in den Hals gebissen. Birgit schrie laut auf. Ihr Körper zuckte, sie starrte Ronny aus weiten Augen an. Die Farbe ihrer Haut hatte sich grünlich verfärbt, oder sah es nur so aus, weil die Mamba über ihren Körper schlängelte und sich davonmachte? Ronny war aufgesprungen und blickte hilflos auf Birgits Körper, konnte sehen, wie sie verkrampfte und ihre Augenlider offensichtlich nicht mehr schließen konnte. Sie wollte etwas sagen, war aber nicht mehr in der Lage. Sie versuchte, sich zu erheben und nach Ronny zu greifen. Ihre Arme versteiften auf halben Weg, sie fiel zurück und blieb regungslos liegen.
Ronny stand mit verzerrtem Gesicht neben ihr, die Schultern hochgezogen, die Arme schwer wie Blei und unfähig, irgendwie einzugreifen. Von Panik erfüllt grübelte er, was er tun sollte. Er sah die grüne Mamba auf dem Fußboden und starrte diese voller Wut an. Schließlich rannte er los und holte die Stange, mit der er die Giftschlagen üblicherweise fixierte. Sie stand wie immer neben den Terrarien. Als er zurückkam war die Mamba verschwunden. Verzweifelt rannte er im Zimmer umher und versuchte, sie zu finden. Er blieb vor Birgit stehen und sah, dass ihr Körper immer noch zuckte. Sie rang offensichtlich mit dem Tode. Er wandte den Blick wieder ab und seine Augen schweiften erneut durch den Raum. Nirgends war etwas von der Schlange zu sehen. „Wo bist du, du verfluchte Mamba? Was hast du angerichtet?“ Ronny gab dem Sessel einen Tritt, schmiss den anderen mit beiden Händen in die Ecke. Anabelle lag die ganze Zeit neben Birgit auf dem Sofa und rührte sich nicht von der Stelle. Jetzt endlich entdeckte er die Schlangenbirgit. Die grüne Mamba bewegte sich auf ihr Terrarium zu. Wütend griff er mit der Stange zu, an deren Ende sich eine Zange befand. Er sperrte sie in ihren Käfig und ging erschüttert zu Birgit zurück. Sie rührte sich nicht mehr. Selbst das Zucken hatte aufgehört. Er nahm Anabelle, die ihren Kopf aufgerichtet hatte und Birgit ansah, als ob sie Totenwache hielt, und brachte sie in ihr Terrarium zurück. Hätte ich den Notdienst rufen sollen? Soll ich noch? Ronny lief wie ein aufgescheuchter Hahn hin und her. „Was bringt das denn?“, schrie er. „Sie ist tot, tot, tot.“
Er brach zusammen und weinte wie ein kleines Kind, aber niemand war da, um ihn zu trösten oder ihm zu sagen, was jetzt zu tun sei. Er hockte sich neben Birgit auf den Boden und betrachtete sie. Er schloss ihre Augen und ihren Mund, der weit offen stand und stumm um Hilfe rief.
Mittlerweile war es draußen stockdunkel. Ronny ging vor die Tür und sah sich um. Niemand war zu sehen. Die Stille war ihm unheimlich und er zitterte vor Angst und Ohnmacht. Er schnupperte. Es roch nach Rauch. Ein Feuer war jedoch nicht zu entdecken. Plötzlich wusste er, was zu tun war. Er würde Birgit verbrennen. Niemand wusste, wo er war. Niemand wusste, wo Birgit war, und niemand wusste, dass er Schlangen besaß. Er fühlte sich auf der sicheren Seite. Nur ein paar Häuser weiter befand sich eine stillgelegte Ziegelei. Ein Glücksfall, wie er sofort dachte. Er holte eine Taschenlampe aus seiner Baracke und machte sich auf den Weg. Er sah sich um. Es war totenstill. Der Mond war nur eine schmale Sichel, weder Sterne noch Straßenlaternen störten die Dunkelheit. Die Einfahrt zur Ziegelei wurde nicht durch ein Tor gesichert. Er hatte freien Zugang. Eine Eule flog über ihn hinweg. Schon häufiger hatte er in der Nähe der Ziegelei welche beobachten können. Jetzt war es zu dunkel, um ihren Flug verfolgen zu können. Die spärlichen Bäume an der rechten Seite der Ziegelei rauschten leise. Es war, als ob alle darauf bedacht waren, keinen Lärm zu machen. Sogar die Tür der Ziegelei ließ sich nahezu geräuschlos öffnen. „Lieber Gott, ich danke dir, dass du ein Einsehen hast“, betete Ronny, obwohl er nicht besonders gläubig war. Er durchleuchtete den Raum und sah sich nach einem Ofen um. Womit sollte er aber Feuer machen? Brennbares Material war nirgends aufzufinden. Würde Benzin gehen? Eine andere Lösung fiel ihm nicht ein. Am besten wäre es wohl, er würde Birgit schon einmal hierherbringen. Der riesige Ofen, der inmitten einer großen Halle stand, wäre in gutes Versteck, aber womöglich nur für kurze Zeit.
Verbrennen ist sicherer, ging ihm durch den Kopf. Aber, wie sollte er sie hierherschaffen? Sein Kopf brummte vor Anspannung. So leise wie möglich verließ er die Ziegelei und sah sich die umliegenden Häuser an. Nur vereinzelt brannten Lichter in den heruntergekommenen Wohnblöcken. Nach wie vor herrschte eine unheimliche Totenstille. Die Taschenlampe hatte er ausgemacht, um nicht entdeckt zu werden.
Auf dem Hof der Ziegelei stolperte er über etwas. Es schepperte so laut, dass er zusammenzuckte und den Atem anhielt. Nichts rührte sich. Er war gegen eine Schubkarre aus Aluminium gelaufen. Der Schall hallte noch eine Weile nach. Ronny ertastete, ob sich in der Karre etwas befand. Er fühlte ein paar Steine, die er hinauswarf. Danach schob er die Karre zu seiner Behausung.
Birgit lag friedlich auf seinem Sofa. Eine kleine Stehlampe beleuchtete spärlich ihren Körper. Er küsste sie auf den Mund, bevor er sie hochhob. Sie war federleicht, und er war ein kräftiger Bursche. Als er sie auf dem Arm hatte, spürte er ihre Knochen. Er liebte dünne Frauen und hatte in seiner Fantasie schon oft seine Hände über Birgits spitze Knochen gleiten lassen. Eine sanfte Erregung zog durch seinen Körper. Er legte sie wieder aufs Sofa zurück und zog seine Hose herunter. Er küsste ihren Oberkörper und ihre kleinen festen Brüste. Seine Zunge umspielte ihre Brustwarzen. Das erregte ihn so, dass er ihr die Hose auszog und in die Ecke schleuderte. Sie trug einen winzigen Slip mit bunten Blumen drauf, den er genussvoll über ihre Beine gleiten ließ, während er ihre Schamhaare betrachtete. Jetzt legte er seinen Kopf auf ihren Bauch und verweilte dort einen kleinen Augenblick. Was für ein entzückender Hügel, der sich unterhalb ihres flachen Bauches wölbte. Er stand auf und drückte ihre Schenkel auseinander, konnte sich jetzt nicht mehr beherrschen. Sein Schwanz war so hart wie noch nie. Er drang in sie ein und kam sofort. Ein gleichsam lustvoller wie schmerzhafter Schrei kam aus seiner Kehle, bevor er in sich zusammensackte.