Читать книгу Mütter - Anja Bagus - Страница 12
ОглавлениеLUCI VAN ORG
Berlinerin Jahrgang 1971, trat schon im Alter von 12 Jahren als Sängerin in Blues-Clubs auf. Mit 16 unterschrieb sie ihren ersten Plattenvertrag, sang mit 19 als EENA den Titelsong zum Film Go Trabi Go und war nebenher Kunst- und Anglistikstudentin. 1994 wurde sie mit LUCILECTRIC (Mädchen) mal kurz zum gefeierten Popstar. Heute ist sie als Musikerin die weibliche Hälfte von MEYSTERSINGER und Bandleaderin von ÜEBERMUTTER. Wenn sie nicht gerade Musik macht, illustriert die praktizierende Heidin Bücher wie Thors Hammer -Ein Kinderbuch, schreibt Romane, Drehbücher oder Theaterstücke und ist Schirmfrau des VEID. e. V. Als verheiratete Mutter eines elfjährigen Sohnes hat sie die folgende Geschichte selbstverständlich vollkommen frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten zu realen Vorkommnissen und lebenden Personen sind unbeabsichtigt und wären rein zufällig.
© Victor Hildebrand
Weihnachten haben wir Sex
„Du …“
„ … Hmja?“
„Klingt jetzt vielleicht … irgendwie blöd, aber … sollten wir nicht … langsam mal wieder …?“
„Aber … unbedingt! Was dachtest du denn?“
„Phh … dass wir … halt schon sehr lange nicht mehr …“
„Sooo lange ja nun auch nicht.“
„Seit elf Wochen, genau genommen.“
„Das ist aber doch wohl nicht meine Schuld! Ich hatte neulich ja wohl nicht meine Tage?“
„Erstens habe ich gar nicht gesagt, dass das deine Schuld ist und zweitens kann ich ja wohl nichts dafür, wenn mir da unten was rausläuft.“
„Früher hat dich das auch nicht gestört.“
„Da war ich ja auch besoffen.“
„Du warst immer besoffen, wenn wir Sex hatten …?“
„Nein, Mann! Nur wenn ich gleichzeitig auch meine Tage hatte. Nach drei Gin Tonic tat der Bauch nicht mehr so weh.“
„Wir haben noch Gin. Von Silvester.“
„Ich hab aber nicht meine Tage.“
„Du hast doch gerade gesagt, wir sollten mal wieder.“
„Aber doch nicht so!“
„Besser so als gar nicht.“
„Maaann! Wenn wir schon nur noch alle paar Wochen, dann doch wohl bitte nicht so zwischen Tür und Angel.“
„Wir können ja morgen noch mal richtig.“
„Sehr witzig, morgen ist Elternabend in der Kita. Beim letzten Mal konntest du dich danach drei Tage nicht mehr bewegen vor Rückenschmerzen.“
„Diese Zwergenstühle sind eben nix für ‘n Einsneunzig-Mann.“
„Heißt das, ich muss alleine da hin?“
„Och, bitte! Wenn du wiederkommst, erwarte ich dich auch nackt unter der Decke und vom gesparten Geld für den Kindersitter kaufen wir ne Flasche Wein.“
„Nüchtern wäre das ja auch nicht zu ertragen.“
„Was?“
„Echt mal, ich meine, kannst du dir vorstellen, noch geil zu werden, nachdem du dich vorher zwei Stunden über Laternenumzüge, Kuchenbasar und prügelnde Vierjährige unterhalten hast? Und dann dieser Geruch. Gekochte Möhren und Kinderkacke. Da musst du ne Stunde am Stück duschen, bis das wieder weggeht.“
„Kannste doch machen. Und hinterher kommst Du nackt zu mir ins Bett.“
„Dann isses aber elf.“
„Ja, und?“
„Max muss am Donnerstag um halb acht in der Kita sein. Die fahren doch da auf diesen Bauernhof.“
„Von elf bis halb acht ist ne Menge Zeit.“
„Wir müssen aber spätestens um halb sechs aufstehen, wenn wir pünktlich sein wollen.“
„Wollen wir denn?“
„Also wirklich! Max freut sich total auf den Ausflug!“
„Und wenn schon. Früher haben wir doch auch bis Sonnenaufgang durchgefickt und sind danach arbeiten gegangen.“
„Sagt der, der morgens neben das Klo pinkelt, weil er im Stehen noch schläft …“
„Sagt die, die beim Vorabendprogramm aufm Sofa einpennt …“
„Da muss man wenigstens nix putzen danach.“
„Nur falls es dich interessiert, jetzt habe ich auch keinen Bock mehr.“
„Dann bin ich ja beruhigt.“
„Darf ich dich nochmal daran erinnern, dass du mit dem Thema angefangen hast?“
„Ich habe gesagt, wir sollten ‘mal wieder’. Nicht ‘jetzt sofort’.“
„Gut, bitte, mach doch n Vorschlag.“
„Freitagabend. Wir könnten Max früh ins Bett bringen und den Wäschetrockner anmachen, damit er nichts hört.“
„Und wenn wir wieder neben Max einschlafen? Wie letzten Samstag?“
„Dann machen wir es, wenn wir wieder aufwachen.“
„Nach ner halben Nacht im Kinderbett? Ich hab von der letzten jetzt noch Rückenschmerzen.“
„Sind Rückenschmerzen jetzt die Migräne das Mannes, oder was?“
„Glaubst du etwa, ich will mich drücken? Nein, will ich nicht! Ich will Dich! Ich finde dich sexy!“
„Ich dich doch auch!“
„Ich bin nur …“
„ … so müde. Ich weiß. Ich doch auch.“
„Wirklich?“
„Ja.“
„Jetzt bin ich aber irgendwie erleichtert.“
„Wieso?“
„Weil ich dachte, nur ich hab keinen Bock. Ich hab mich halt … schuldig gefühlt, irgendwie.“
„Brauchst du nicht. Echt nicht. Ich meine, ich hab ja auch keinen B …, also … du weißt schon.“
„Ja, natürlich. Schlaf gut, Schatz. Ich liebe Dich.“
„Ich dich auch. Gute Nacht.“
„Und … wenn wir ausschlafen und den Wäschetrockner am Samstagmorgen anschalten?“
„Ja, morgens wär super! Da sind wir dann ja auch wieder fit.“
„Alles klar! Also waschen wir einfach abends noch was und stopfen es nach dem Aufwachen gleich in die Trommel.“
„Und davon wacht Max dann auf und kommt rein.“
„Wieso?“
„Der Trockner läuft doch sonst nie so früh.“
„Und wenn schon. Dann erkläre ich ihm einfach, dass es Mama gar nicht schlecht geht, obwohl sie so schreit.“
„Wenn Max plötzlich beim Ficken reinkommt, geht’s mir aber schlecht.“
„Dann schließen wir eben die Tür ab.“
„Als ob du noch einen hochkriegst wenn du weißt, dass dein Sohn an der Tür lauscht.“
„Vielleicht hast du Recht. Ich meine, ich will ja auch nicht, dass er Angst bekommt.“
„Angst?“
„Na, Mama quiekt und kreischt so komisch und die Tür ist zu. Also mir wäre das nicht wirklich geheuer gewesen, so mit vier.“
„Als ob du dabei keine Geräusche machst.“
„Nicht so laute wie du.“
„Von wegen! Kurz bevor du kommst, bist du total laut.“
„Wie bitte? Das würde ich doch wohl mitkriegen.“
„Tust du aber nicht.“
„Also echt! Ich werde ja wohl am besten wissen, was ich für Geräusche …“
„Und wieso wache ich dann nachts immer auf, wenn du kommst?“
„WAS?“
„Nu werd doch nich gleich rot. Ich mach‘s mir doch auch ab und zu, wenn ich nicht schlafen kann.“
„Wirklich?“
„Klar, du wachst davon nur nie auf.“
„Obwohl du immer so schreist?“
„Mache ich dann doch gar nicht.“
„Wie? Du kannst das auch … ganz ohne?“
„Vergiss es. Ohne Ton macht’s absolut keinen Spaß.“
„Warum tust du’s dann?“
„Was soll ich denn sonst machen, wenn wir wochenlang nicht ficken?“
„Und wenn wir es machen, nachdem wir Max in den Kindergarten gebracht haben?“
„Im Auto vor der Arbeit?“
„Viele Menschen vögeln im Auto.“
„Wenn sie keine eigene Wohnung haben.“
„Haben wir ja auch nicht mehr. Irgendwie …“
„Wir müssen es einfach schaffen, dass Max endlich auch mal bei Finn pennt und nicht diese kleine Kröte nur jedes zweite Wochenende bei uns.“
„Max will aber nun mal nicht woanders schlafen.“
„Warum zählt immer nur, was Max will? Man muss Kindern auch mal Grenzen setzen.“
„Das mit dem Abholen machst du dann, wenn er abends um Elf immer noch heult.“
„Bei Oma hat er immer gern geschlafen.“
„Hör auf! Wenn ich da dran denke fang ich an zu heulen.“
„Tut mir leid.“
„Wie schnell das alles ging. Nicht zu fassen.“
„Dieses Arschloch!“
„Phhh … Gerald ist aber schon sehr nett zu Oma. Und auch zu Max.“
„Nett? Den Platz in Omas Bett hat er ihm weggenommen, der Scheißkerl!“
„Erstens kann Gerald nichts dafür, dass Max woanders noch nicht alleine schläft und zweitens ist Oma total aufgeblüht, seit er da ist. Gestern waren sie bei ner Grateful-Dead-Covershow und haben zusammen einen gekifft, hat sie erzählt.“
„Während wir hier festhängen. Streu nur Salz in meine Wunden.“ „Wir werden uns dran gewöhnen müssen. Ich meine, vierundachtzig ist ja kein Alter, heutzutage.“
„Du …?“
„Ja?“
„Klingt jetzt vielleicht bisschen blöd, aber … Lina und Martin gehen doch immer in diesen Swinger-Club drüben an der Ecke.“
„Vergiss es!“
„Nun sei doch nicht so verklemmt.“
„Bin ich doch gar nicht. Es ist nur …“
„Was..?“
„Oma und Gerald gehen da hin.“
„Es reicht! Gerald muss weg!“
„Wie willst du das denn machen?“
„Was weiß ich! Koks, Geld, Nutten …, jeder Mensch ist käuflich.“
„Und Oma heult sich die Augen aus.“
„Ach, komm! Die sagt doch selbst immer, dass es in Geralds Alter jeden Moment vorbei sein kann und dass jeder Tag ein Geschenk ist und so.“
„Einen Mann zu Grabe tragen ist aber was anderes, als von ihm verlassen zu werden.“
„Echt?“
„Warte mal!“
„Was denn?“
„Gerald ist Diabetiker!“
„Ja, und?“
„Und wenn er Mittagsschlaf macht, schafft es nicht mal Max, ihn aufzuwecken. Ich meine, so‘n kleiner Pieks is ‘n Scheiß gegen Max.“
„Was …?“
„Ne Überdosis Insulin kannste nicht nachweisen, Mann! Vollkommen sichere Sache.“
„Sag mal, verstehe ich das gerade richtig, dass du …? Das wäre Mord!“
„Aber Gerald wäre weg.“
„Und Oma?“
„Die hat bisschen Stress mit der Beerdigung und Weihnachten ist alles wieder gut.“
„Meinst du?“
„Klar. Und man soll ja auch aufhören, wenn’s am schönsten ist.“
„Weihnachten ist erst … in sieben Monaten.“
„Weißt Du noch letztes Jahr? Da hat Max am Dreiundzwanzigsten bei Oma übernachtet und Heiligmorgen hatten wir so richtig geilen, entspannten Sex.“
„Wir … sind Ostern bei denen eingeladen, oder?“
„Jepp.“
„Und Weihnachten … haben wir dann Sex?“
„Ja. Weihnachten haben wir Sex.“