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Der Lehrherr

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Wie sehr Dürer Wolgemut verehrt hat, zeigt sich an einem Porträt, das er viele Jahre später von ihm gemalt hat, als er selbst bereits ein berühmter Maler war (Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Abb. 3). Die kleine, 1516 datierte Tafel zeigt Wolgemut laut der Inschrift im Alter von 80 Jahren in engem Brustausschnitt vor grünem Hintergrund. Bekleidet ist er mit einer pelzbesetzten Schaube und einer schwarzseidenen Haarhaube, die als dunkler Rahmen das Greisengesicht umso deutlicher hervortreten lässt. Dürer hat seinen Lehrer ungeschönt mit allen Zügen des Alters, aber äußerst würdevoll wiedergegeben. Das Auffälligste an diesem Antlitz sind die hervortretende Adlernase, der schmale, willensstarke Mund und die tief liegenden Augen mit ihrem wachen, scharfen Blick. Das Bildnis ist im wahrsten Sinne des Wortes ein „Meisterporträt“ und gleichzeitig eine sehr persönliche Hommage Dürers an seinen Lehrer, dem er die Grundlagen seiner Malkunst verdankte.


Abb. 3: Porträt von Michael Wolgemut (datiert 1516).

Über Wolgemut selbst ist nur wenig bekannt. Um 1434/37 geboren, erfuhr er seine Ausbildung vermutlich bei seinem Vater Valentin sowie bei dem Nürnberger Maler Hans Pleydenwurff (um 1420–1472), dessen Witwe er 1472 heiratete. Mit der Eheschließung erfüllte er eine wichtige Grundvoraussetzung für die Selbstständigkeit als Meister. Zudem konnte er wohl Teile der Werkstatteinrichtung und Vorlagensammlung Pleydenwurffs übernehmen.

Wolgemuts erstes, dokumentiertes Werk war gleich ein Großauftrag. 1479 lieferte er einen mehrteiligen Flügelaltar in die St. Marienkirche zu Zwickau, für den er 1.400 Gulden erhielt – ein Betrag, für den man in Nürnberg mehrere Häuser kaufen konnte. Diese ernorme Summe relativiert sich jedoch angesichts der Tatsache, dass Künstlerlöhne im Spätmittelalter normalerweise alle Materialkosten, den Lohn und die Verpflegung der Mitarbeiter, das Honorar für Schreiner und Bildschnitzer sowie die Transport- und Aufstellungskosten umfassten. Allein die Materialkosten werden bei einem riesigen Wandelaltar wie dem „Zwickauer Marien-Altar“ einen Gutteil der Summe verschlungen haben.

Der Gesamtentwurf des Altars stammt sehr wahrscheinlich von Wolgemut selbst, doch der unterschiedliche Stil der einzelnen Tafeln verrät, dass an ihrer Ausführung mehrere Mitarbeiter beteiligt waren. Die Gemälde stehen in der Tradition des süddeutsch-niederländischen Mischstils, wie ihn Pleydenwurff Mitte des 15. Jahrhunderts in die Nürnberger Malerei eingeführt hatte. Kennzeichen dieses Stils ist ein neuartiger Realismus, der die Heilsgeschichte in die Welt eines spätmittelalterlichen Betrachters versetzt.

Der wohl kurz vor Dürers Antritt als Lehrling vollendete „Katharinen-Altar“ (Nürnberg, St. Lorenz) zeigt, dass Wolgemuts Stärken neben der detailreichen Schilderung von Architekturen und Interieurs die kunstvolle Wiedergabe kostbarer Stoffe und einzelner Pflanzen waren – Merkmale, die sich später ebenso bei seinem Schüler Dürer finden. Probleme hatte Wolgemut hingegen bei der Figurenproportion und dem Verhältnis von Figuren und Umgebung, doch versuchte er, die mangelnde Interaktion der Figuren durch eine übertrieben wirkende Gestik und Mimik auszugleichen.

Wolgemut war auch als Entwurfszeichner (Reißer) für Holzschnitte tätig. Zusammen mit seinem Stiefsohn Wilhelm Pleydenwurff (1460–1494) entwarf er die Holzschnitte der „Schedelschen Weltchronik“, dem 1493 vollendeten Großprojekt des Nürnberger Frühdrucks mit 1.804 Illustrationen von 652 Holzstöcken. Initiator, Koordinator und Finanzier der Chronik war der Nürnberger Kaufmann Sebald Schreyer (1446–1520). Gedruckt wurde die vom Nürnberger Arzt Hartmann Schedel (1440–1514) verfasste Weltgeschichte in einer deutschen und einer lateinischen Ausgabe in der Druckerei von Dürers Paten Anton Koberger (um 1445–1513). Er besaß die größte Buchdruckerwerkstatt der Stadt, die zeitweilig mehr als 100 Mitarbeiter beschäftigt haben soll. Vielleicht hat Dürer während seiner Lehrzeit noch einige Vorarbeiten zur „Schedelschen Weltchronik“ miterlebt, die eigentlichen Arbeiten an den Holzschnitten wurden aber wohl erst 1490/91 in Angriff genommen, als Dürer sich bereits auf Wanderschaft befand.

Sucht man in der Nürnberger Kunst nach Vorbildern für Dürer, so bietet sich vor allem der „Schatzbehalter“ an, ein großformatiges Erbauungsbuch von P. Stephan Fridolin (um 1430–1498), dessen Holzschnitte am ehesten Wilhelm Pleydenwurff zugeschrieben werden können. Die Illustrationen weisen einen monumentaleren Stil auf, der jenem Wolgemuts eher unähnlich ist. Es ist der Meister des „Schatzbehalters“, von dem der junge Dürer für sein späteres Holzschnittwerk unter allen Nürnberger Künstlern am meisten gelernt hat.

Auf dem Gebiet der Malerei wurde von der Forschung auf den 1487 geschaffenen „Augustiner-Altar“ (Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum) hingewiesen, dessen anonymer Meister als „die wohl stärkste in Nürnberg tätige Begabung vor dem Auftreten Albrecht Dürers“ (Strieder, 1993) gilt. Es ist jedoch durchaus möglich, dass der Altar gar nicht in Nürnberg gefertigt wurde, sondern, ähnlich wie Wolgemuts „Zwickauer Marienaltar“, von einer auswärtigen Malerwerkstatt geliefert wurde. Auch wenn der „Augustiner-Altar“ qualitativ über den meisten Gemälden der Wolgemutwerkstatt steht, ist er stilistisch insgesamt noch sehr in der spätmittelalterlichen Figuren-, Landschafts- und Raumgestaltung verhaftet. Das Werk mag anregend für den jungen Dürer gewesen sein, prägend für seine künstlerische Entwicklung war es nicht.

Albrecht Dürer

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