Читать книгу Die Stadt und der Tod - Anja Kuemski - Страница 5

Kapitel 3

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„Ich bin mir ziemlich sicher, dass du mir das alles gar nicht erzählen darfst“, stellte Alois grummelig fest und trank sein Bier aus. Er hatte sich nicht gewundert, als Linus ihn auf ein Feierabendbier eingeladen hatte, denn der Mensch schien sich in seiner Gesellschaft erstaunlich wohl zu fühlen, trotz seiner grantigen Bemerkungen. Was Alois viel mehr verwunderte war, dass er selber es auch recht angenehm fand, mit dem jungen Cop hin und wieder in die Kneipe zu gehen und etwas zu plaudern. Small Talk war eines Trolles Sache eigentlich nicht. Zumindest nicht in Alois' Fall. Aber als Linus ihm eine Nachricht geschickt hatte, ihn heute Abend zu treffen, hatte er sich doch ein wenig gefreut. Das musste er dem Kleinen aber nicht unbedingt auf die Nase binden. Menschen kriegten so etwas immer schnell in den falschen Hals.

„Aber der Psycho hat mir mal gesagt, ich soll dafür sorgen, dass ich meine Arbeit nicht in mich hineinfresse. Das kann doch nur bedeuten, dass ich es jemandem erzählen muss, oder nicht?“

„Welcher Psycho?“, wollte Alois wissen. Er war nicht ganz bei der Sache, denn verfolgte nebenbei auf dem Bildschirm über der Theke ein Raufball-Spiel. Er würde einen ordentlichen Batzen Geld bekommen, wenn die Werksmannschaft von Pan-Solar heute endlich mal den verdammten Cup gewinnen würde. Jedes Jahr kamen die bis ins Finale und dann verloren sie jedes mal kläglich. Langsam bekam Alois seine Zweifel, ob es im Konzern-Cup noch mit rechten Dingen zuging. Es war zum Hörner raufen.

„Bei der Einstellung in den Polizeidienst muss man sich mehreren psychologischen Tests unterziehen und es gibt jede Menge Gespräche.“

„Klar, damit man nicht zu viele neurotische Killer in den eigenen Reihen hat. Jedenfalls nicht von vornherein“, spottete Alois. „Was der Dienst dann aus euch macht, ist noch mal was ganz anderes, was?“

„Was?“ Linus sah aus, als habe er nicht wirklich zugehört.

Alois winkte ab. „War nicht so wichtig. Also, was ist dabei rausgekommen? Wer hat das Essen vergiftet und warum?“

„Keine Ahnung. Ich musste dann zurück zum Dienst. Glaube nicht, dass Weston sich die Mühe machen wird, mich über den Stand der Ermittlungen aufzuklären.“

Alois brummte zustimmend und winkte dem Wirt mit dem leeren Bierglas.

„Was hat dein Chef dazu gesagt, dass du mal wieder auf Abwegen warst?“

„Eintrag in die Akte“, sagte Linus leise und seufzte schwer. „Dabei hat er mich doch da hin geschickt. Und dass ich nicht sofort auf dem Absatz kehrt mache, sobald die STF eintrifft, ist doch auch klar, oder nicht?“ Der Kleine redete sich aus seiner Niedergeschlagenheit schnell in einen gerechten Zorn. Das kam Alois sehr entgegen, denn er wusste nicht, was er mit einem bedrückten Linus anfangen sollte. Wütend war auf jeden Fall besser.

„Die Welt ist schlecht und ungerecht“, reimte Alois und klopfte dem zart gebauten Menschen schwer mit der riesigen Pranke auf die Schulter.

„Ja, vielen Dank auch“, schimpfte Linus und rieb sich übertrieben die schmerzende Stelle.

„Was war denn das für eine Firma, wo das passiert ist?“, fragte Alois und überging den Vorwurf. Er wusste, dass Linus diese kameradschaftlichen Gesten eigentlich mochte.

HomeCare, eine Versicherungsgesellschaft.“

„Ha!“, machte Alois. „Ich wette, da hält sich das Mitgefühl in Grenzen, was?“

Linus zuckte mit den Schultern. „Könnte immerhin sein, dass es sich um einen Racheakt handelt.“

„Mit jedem einzelnen Versicherten als Verdächtigen? Na, dann viel Spaß bei den Ermittlungen.“ Auf dem Bildschirm sah er den Kapitän seiner Mannschaft unter einem Berg gegnerischer Trolle verschwinden und seufzte.

Linus schien das auf sich zu beziehen und nickte. „Ja, ich fahre dann doch auch lieber Streife“, stimmte er ihm zu, blickte dann aber an Alois vorbei und strahlte. Irritiert drehte der Troll sich um und sah Raglan auf sie zukommen. Er hatte mit dem Zwerg früher bei Jammer & Co. zusammen gearbeitet und kam ganz gut mit ihm aus, wenn der Sekretär nicht gerade hemmungslos mit ihm flirtete. Alois warf Linus sofort einen warnenden Blick zu, den der aber absichtlich zu übersehen schien. Der Cop hatte bereits mehrfach versucht, Alois und Raglan zu verkuppeln, ungeachtet derjenigen Tatsache, dass Alois weder auf Kerle noch auf Zwerge stand.

„Raglan“, flötete der Mensch und winkte dem Zwerg grüßend zu. „Das ist ja eine nette Überraschung.“ Er bot dem Zwerg einen Stuhl an und orderte mit einer Geste beim Wirt noch ein Bier.

„Woher weißt du, dass ich hier bin?“, knurrte Alois. Er sah, wie das Lächeln auf dem Gesicht des Zwerges kurz in sich zusammenfiel, während er den Sitz höher fuhr, und bekam tatsächlich ein schlechtes Gewissen. Das war alles Linus' Schuld. Früher hatte Alois nie ein schlechtes Gewissen gehabt, wenn er unfreundlich und grantig war. Er warf dem Cop einen wütenden Blick zu, aber wieder wurde er einfach ignoriert.

„Ich wusste es nicht“, erklärte Raglan und hatte seine gute Laune wiedergefunden. „Ich konnte es mir aber gut vorstellen, da ich dich zu Hause nicht angetroffen habe und Linus sein eKomm abgestellt hat.“

„Ich bin außer Dienst, und ich möchte, dass das für den Rest des Abends auch so bleibt“, erklärte der Cop und grinste breit über den Rand seines Bierglases hinweg.

Raglan nahm einen großen Schluck des Bieres, das der Wirt vor ihm abgestellt hatte und schloss genüsslich die Augen. „Echtes Zwergenbräu. Dafür verkaufe ich mein Seelenheil.“

„Raglan, du hast dein Seelenheil in dem Moment verscherbelt als du bei Renatus Jammer den Arbeitsvertrag unterschrieben hast“, erinnerte ihn Alois und klopfte ihm versöhnlich auf die Schulter. Der Zwerg verstand die Geste offenbar als Entschuldigung und prostete ihm mit einem strahlenden Lächeln zu. Dann stellte er sein Glas ab und atmete tief durch. „Tja, kommen wir zum dienstlichen Teil. Ich bin leider beruflich hier.“

„Für mich oder für ihn?“, fragte Linus und deutete erst auf sich und dann auf Alois.

„Herr Grantig hier ist gefragt. Renatus will dich für einen Job anheuern.“

Alois schnaubte verächtlich. „Erst schmeißt er mich raus, weil ich nicht mit Junior kooperieren kann und jetzt will er mich anheuern? Vergiss es.“

„Alois, sei nicht blöde“, mahnte Linus. „Da ist ne Menge Geld drin, meinst du nicht?“ Er blickte fragend zum Zwerg, der bestätigend nickte. „Und es sollte dir doch einige Genugtuung bereiten, dass er sich ausgerechnet an dich wendet. Muss ihm schwerfallen.“

„Ein komplizierter Fall, den er sonst niemandem zutraut“, fügte Raglan nickend hinzu.

„Oder er braucht einen Deppen, der entbehrlich ist, wenn was schiefgeht“, murrte Alois. Aber das war auch nicht neu und störte ihn im Allgemeinen nicht. Wenn man ihn für entbehrlich hielt, spornte ihn das erst recht an, sich nicht einfach aus dem Weg räumen zu lassen. Seine Neugier war geweckt. Er forderte den elegant gekleideten Zwerg mit einer Geste auf, fortzufahren. Das Raufball-Spiel verdiente seine Aufmerksamkeit ohnehin schon nicht mehr.

„Es ist in der Tat ein wenig kompliziert. Es hat einen Todesfall gegeben und die Firma ist beauftragt worden, das Ganze unabhängig von den Behörden zu untersuchen.“

„Misstraut man der Polizei oder ermittelt die gar nicht erst?“, hakte Alois nach.

Raglan wackelte mit dem Kopf hin und her. „Wie man es nimmt. Die Polizei ermittelt in der Tat nicht, aber dafür die STF.“

Linus stöhnt auf. „Lass mich raten: der Auftraggeber ist die Versicherungsgesellschaft HomeCare?“

Der Zwerg blickte ihn erstaunt an. „Woher weißt du das?“

„Weil ich als erster Cop am Tatort war. Und ich habe die STF eingeschaltet.“

Alois grinste sie beide zufrieden an. „Gruß an Jammer. Ich nehme den Fall. Doppelter Preis.“

„Äh, davon war nicht die Rede.“

„Dann muss er jemand anderen finden. Wird er aber nicht, sobald die Kollegen erfahren, dass sie es mit der STF zu tun bekommen.“

Raglan nickte missmutig. „Ja, das hat Renatus auch schon vermutet. Also schön, ich denke, ich kann ihm deinen Preis irgendwie schmackhaft machen. Wann fängst du an?“

„Habe ich schon. Informationen aus erster Hand, sozusagen“, sagte Alois und wedelte mit seinem Glas Richtung Linus. „Also, die Uhr läuft. Sag Renatus, wenn er versucht, mich über den Tisch zu ziehen, wird er es bitter bereuen.“

„Genau so sage ich es ihm“, versprach Raglan und hüpfte schwungvoll vom Stuhl.

„Wie, du gehst schon wieder?“, fragte Linus betrübt.

„War ja ein dienstlicher Besuch. Ich muss ihm ja wohl die frohe Kunde überbringen.“

„Das kannst du aber auch online machen, oder nicht?“, stimmte Alois mit ein. „Setz dich, schick ihm ne Videobotschaft und trink noch ein Bier. Ich wette, du hast noch ein paar Infos in der Hinterhand, die du gern mit uns teilen möchtest.“

Raglan ließ sich nicht zweimal bitten und machte Anstalten, den Stuhl wieder runter zu fahren. Alois stand auf, packte ihn unter den Armen und hob ihn auf den Sitz, was den Zwerg heftig erröten ließ. Linus prostete ihnen beiden vielsagend zu. Alois winkte gelassen ab. Zwar kam ihm kurz der Gedanke, dass der Zwerg die Aufforderung vielleicht als eine Art Date verstehen könnte, aber es wäre auch nicht das erste Mal gewesen. Sie waren früher immerhin öfter zum Tanzen ausgegangen. Etwas zweideutige Signale, zugegeben, aber Alois ging davon aus, dass Raglan kein Elfenmädchen war, das gleich in Tränen ausbrach, wenn die Gefühle übersprudelten. Wobei er keine Ahnung hatte, ob das Klischee den Tatsachen entsprach. Das einzige Elfenmädchen, das er etwas näher kannte, war Siranna, eine Nutte, und bei der musste er mit sentimentalem Gesülze nun wirklich nicht rechnen.

„Alois? Zentrale an Alois? Bist du noch bei uns?“ Linus wedelte mit der Hand vor seinen Augen herum.

„Lass das“, grunzte der Troll. Er schaute hinauf zum Bildschirm, wo das Ergebnis des Finalspiels von den Kommentatoren analysiert wurde, und stöhnte auf. Pan-Solar hatte natürlich verloren. „Es gibt so Tage...“, murrte er und bestellte noch ein Bier.

Die Stadt und der Tod

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