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Oma – die Lady aus Stahl

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von Ulrike Feifar


Im Juni 2002 trat Oma in unser Leben. Die damals etwa elfjährige Galgo-Grey-Hündin aus Madrid wurde uns von unseren spanischen Tierschutzfreunden vorgestellt. Jäger hatten sie jahrelang zur Zucht missbraucht. Als sie einen nicht rassereinen Wurf zur Welt brachte, sollten die Welpen getötet werden. Bei der Verteidigung ihrer Jungen – sie legte sich schützend über sie – hatte man ihr ein Auge ausgetreten. Tierschützer hatten diese Szene beobachtet, eingegriffen und sie und einen Welpen retten können. Oma hat – von ihrem fehlenden Auge abgesehen – Leishmaniose, schwerste Arthrose und schlimme körperliche sowie seelische Narben aufgrund der jahrelangen Misshandlung durch ihre Vorbesitzer. Man sagte uns, sie hätte nicht mehr lange zu leben, und so wollten wir ihr die Gelegenheit geben, vor ihrem Tod noch etwas Liebe und Zuwendung zu erfahren.

Die ersten Wochen mit ihr waren schwer auszuhalten. Ein »zivilisiertes« Leben in einem Haus, in einer Familie mit einem Rudel aus Menschen, Hunden und Katzen war Oma völlig fremd. Sie war nicht nur interessiert daran, unsere Katzen zu töten, sondern verhielt sich auch Menschen gegenüber sehr aggressiv. Offenbar war sie es gewohnt sich durchzusetzen. Und ihre Traumata saßen tief. Um ganz ehrlich zu sein: In den ersten Wochen zweifelten wir fast jeden Tag daran, dass wir es schaffen würden. Aber wir gaben nicht auf, und das Durchhalten hat sich gelohnt. Als wir uns damit abfanden, dass sie eine reife Persönlichkeit war, und uns auf einige Kompromisse im Zusammenleben geeinigt hatten, wurde das Verhältnis zusehends entspannter. Eines war uns völlig klar: Einen Hund mit Omas Vergangenheit umzuerziehen, war nahezu aussichtslos. Aber wir konnten ihr wichtige Verhaltensregeln beibringen.

Erstes Gebot: Du darfst keine Katzen fressen! Das hinzubekommen, war eine echte Herausforderung und nur durch ein mehrwöchiges, intensives Training möglich. Wir entwickelten ein »Codewort«, das immer, wenn Oma im Begriff war, eine unserer Katzen zu jagen, angewandt wurde, während wir sie gleichzeitig festhielten und beruhigten. Das »Codewort« funktioniert mittlerweile sogar in 80 Prozent aller Fälle, wenn wir draußen eine Katze treffen. Ein – wie wir meinen – beachtlicher Erfolg.

Zweites Gebot: Du sollst nicht stehlen! Da alle Windhunde exzellente Diebe sind, war es wichtig für Oma zu verstehen, dass gelbe Säcke, Mülltonnen etc. keine »Supermärkte« sind. Durch konsequente Anwendung des Kommandos »Nein« konnten wir Oma innerhalb weniger Tage beibringen, solchen »Wundertüten« keine Beachtung mehr zu schenken.

Drittes Gebot: Du sollst deine Menschen nicht beißen! Hier mussten wir schon etwas massiver eingreifen und ihr klar machen, dass WIR die Rudelführer sind. Oma wurde beim leisesten Versuch, sich aufzulehnen, streng zurechtgewiesen und durch entsprechende Unterordnungsübungen trainiert. Auch hier waren die Fronten innerhalb weniger Tage geklärt. Oma lernte außerdem Kommandos wie »Steh«, »Warten« und natürlich »Komm«, wobei Letzteres nur funktioniert, wenn sie in einem geschützten Raum ist. In freier Wildbahn dagegen sind unsere Chancen eher gering. Befehle wie »Sitz«, »Platz«, »Fuß« haben wir erst gar nicht mit ihr geübt, da sie unserer Meinung nach nicht notwendig sind und Oma sich aufgrund der häufig auftretenden Schmerzen gar nicht auf Kommando in eine sitzende oder liegende Position begeben kann. Hält man sie an der kurzen Leine, geht sie sehr brav. »Fuß« ohne Leine ist aufgrund ihres sehr ausgeprägten Jagdtriebes ohnehin nicht möglich. Wir denken, dass gerade bei einem sehr alten und stark von seinem Vorleben geprägten Hund Kompromisse dieser Art unumgänglich sind, und sie erschweren das Miteinander auch nicht.

Ihre gesundheitlichen Behinderungen haben Oma in ihrem Verhalten nicht verändert, d. h. sie war und ist eine leidenschaftliche Jägerin und eine sehr dominante, selbstbewusste Hündin. Sie schließt keine Hundefreundschaften, verhält sich entweder neutral oder – speziell Rüden gegenüber – oft auch aggressiv. Man merkt deutlich, dass sie früher gezwungen war sich durchzusetzen, um zu überleben. Menschen gegenüber verweigert sie jede tiefe Bindung, da die negativen Erfahrungen tief verwurzelt sind. Je schlechter allerdings ihr Gesundheitszustand – auch altersbedingt – wird, desto mehr sucht sie nun die menschliche Nähe, wenn auch immer noch äußerst zurückhaltend. Ich nehme an, ihre sehr ausgeprägten Überlebensinstinkte signalisieren ihr, dass sie es allein nicht mehr schaffen würde, und deshalb schließt sie sich enger an uns an. Als sie das erste Mal ihren Bauch zum Kraulen anbot, waren wir völlig begeistert. Unser schönstes Erlebnis war, als Oma – die ehemalige Katzenkillerin – unsere Samtpfoten gegenüber einem fremden Hund verteidigte. In diesem Moment wussten wir, dass sie endlich ihr Rudel gefunden hatte.

Oma ist mit ihrem Leben – soweit wir das beurteilen können – sehr zufrieden und wenn sie heute ab und zu sogar mit Emily, einem unserer anderen Hunde, spielt, freuen wir uns wie kleine Kinder. Vor einer Woche zeigte Oma erste Anzeichen, sich mit einem Plüschtier beschäftigen zu wollen. Sie hat offensichtlich nie die Gelegenheit gehabt zu spielen und es war ein merkwürdiger Versuch … Aber immerhin! Wenn wir sehen, wie sie es genießt, in der Sonne zu liegen, und ab und zu sogar kommt, um ihren Kopf an unseren Beinen zu reiben, oder sich – selten, aber doch – ganz fest an uns drückt, wissen wir, dass sie alles gibt, was elf Jahre Misshandlung ihr noch möglich machen. Oma, die eigentlich keine vier Wochen mehr zu leben hatte, hat ganz offensichtlich beschlossen, es doch noch ein wenig länger zu versuchen und beeindruckt uns mit ihrem Stolz und ihrer Würde jeden Tag aufs Neue. Sie ist ein Gewinn für unser Leben und wir bereuen nicht, sie aufgenommen zu haben.

FAZIT: Wenn man als Mensch nicht den Anspruch hat, der unumschränkte Herrscher über ein Lebewesen zu sein, kann man auch mit einem Hund wie Oma sehr harmonisch zusammenleben. Hat man zudem die Fähigkeit, sich auch über die kleinsten Fortschritte zu freuen, ist die Aufnahme eines solchen Hundes ein echter Gewinn. Wir würden es jederzeit wieder tun.

Anders – aber trotzdem glücklich

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