Читать книгу Das Erwachen der Raben - Anke Schmidt - Страница 6

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Astrid klopfte das Lineal in die Hand, ohne es zu registrieren. Der alte Mann würde sterben. Seine Zeit lief ab, denn sonst hätte die Heimleitung sie nicht benachrichtigt. Eine Frage von Stunden oder Tagen? Höchstens zwei Tagen. Sie warf das Lineal auf den Schreibtisch, erhob sich vom Stuhl und blickte hinüber zum Bauplan, an dem sie die Arbeit immer wieder unterbrochen hatte.

Mr. Nervensäge war ein Kunde, der nicht wusste, was er wollte, genauer gesag,t immer wieder Neues wollte. Jetzt verlangte er ein Atrium für sein Stadthaus. Vielleicht wäre es ratsam, einem ihrer Mitarbeiter die weitere Änderung zu überlassen.

Astrid betrachtete den Stein, der vor ihr lag und den sie heute Morgen aus dem Karton genommen hatte. Nicht ein einziges Mal hatte Astrid, seit sie in New York lebte, nach ihm gesehen. Sie nahm den Stein, umschloss ihn, spürte seine Kälte. Ein Stein wie hundert anderer an irgendeinem Strand. Glatt und oval. Keine Auffälligkeiten. Sie hätte ihn damals wegwerfen können. Ein Souvenir. Jetzt könnte sie ihn in der alten Heimat zurücklassen, denn es war Zeit für einen Schlussstrich. Jetzt, wo der alte Mann um seine letzten Atemzüge rang. Den Flug hatte sie bereits gebucht, noch heute Abend würde sie aufbrechen. Astrids Gesicht hellte sich auf. Ein Gutes hatte die Sache. Sie würde einen Abstecher ins Dorf machen und Claudia treffen. Der einzige Mensch auf der Welt, den sie als Freund betrachtete.

Astrid sah wieder auf den Bauplan. Manche Menschen konnten sich einfach nicht entscheiden, konnten nicht zu den Entscheidungen stehen, die sie einmal getroffen hatten. Sie war dazu in der Lage und akzeptierte die Konsequenzen. Mit dem Tod des alten Mannes hatte sie nichts zu tun. Trug keine Verantwortung. Aber zu Lopez hatte sie eine Entscheidung getroffen. Ein Anflug von Bedauern streifte sie. Doch es half nichts.

Das Erwachen der Raben

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