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Als Beatrice vor dem prall gefüllten Spirituosenregal im Supermarkt stand, wurde ihr zum ersten Mal seit langem bewusst, dass wenn sie nicht zugreifen würde, ihr heute Abend, nach dem Konzert, etwas fehlen würde. Sie war sich nicht im Klaren darüber, warum sie ausgerechnet heute Gedanken an ihren Alkoholkonsum verschwendete. Es gab keinen ersichtlichen Grund für diesen Gedankeneinschub, das machte sie stutzig. Für gewöhnlich spulte sie ihren Tag ab wie ein Uhrwerk. Morgens, mittags, abends, nachts, alles war wie immer. Tagsüber und später am Abend Alltag und Beruf, danach trinken, um zu vergessen. Sie hatte nicht vor, daran etwas zu ändern. Beatrice wusste, dass das nicht die Rolle war, die ihr das Leben schenken sollte. Doch sie gefiel sich darin. Oder machte die Sucht es, dass ihr keine andere Lösung einfiel?

Als sie die drei Wodkaflaschen in ihren Einkaufskorb legte, verwischte sie ihre Gedanken und freute sich insgeheim auf das Öffnen ihrer Schätze. Schätze, dachte Beatrice abfällig, sich selber doch irgendwie verurteilend: ”Du kannst ihnen ja gleich Namen geben”.

In ihrer Wohnung angekommen, stellte sie den Alkohol in die hinterste Ecke unter die Spüle in der Küche, verstaute die weniger wichtigen Lebensmittel in den Kühlschrank und ging ins Wohnzimmer. Es war noch etwas Zeit bis zum Konzert. Der Blick auf den Rhein, den sie durch ihr Stubenfenster jedes Mal aufs neue genoss, animierte sie, sich auf den Cellohocker direkt vor dem Fenster zu setzen.

Die rastlose Stille des Flusses war es, die sie immer wieder an diesem Ausblick so faszinierte. Beatrice dachte noch mal darüber nach, während sie mit ihren Augen einen Punkt in der Ferne zu fixieren versuchte, warum sie beim Einkaufen über sich und ihr Verhältnis zum Alkohol kurz beratschlagt hatte. Meistens, wenn sie über diese Situation einen Gedanken verlor, trat irgendetwas Unvorhergesehenes in ihr Leben, wie ein ungeschriebenes Gesetz in einem Rhythmus, der nicht zu erklären war. Gleichwohl diese Lage immer misslich war, hatte sie es stets geschafft, nicht gänzlich zu glauben, sie wäre Alkoholikerin, sondern in erster Linie Musikerin. Beatrice wusste, dass es der einzige Traum ihres Lebens sein sollte, dass sie immer nur Cello spielen wollte, schon seit Kindesbeinen. Doch auch seit Kindesbeinen war sie gefangen in ihrem Ich, welches durch ein tiefes Ereignis in ihrer Kindheit aus dem Gleichgewicht geraten war. Sie war gespannt, wie sie die nächste Runde meistern würde.

Das Erwachen der Raben

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