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Kapitel 5: Die misslungene Landung

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Der Hund blickte nach unten. „Ich werde versuchen, hinter dem großen Felsen da links zu landen, der ins Meer hineinragt.“

„Aber da ist kein Sand“, wandte die Katze ein. „Es sind nur Felsen da, und das Boot kann ja nicht aus dem Wasser auf einen Felsen springen!“

„Nein, aber wir können springen. Wir lassen das Boot wieder verkleinern und Veronica kann es aus dem Wasser ziehen.“

Der Hund drückte auf einen der zwei smaragdgrünen Knöpfe. „Bring uns zehn Meter nach links und dann nach unten. Danke!“

Geräuschlos flog das Boot in Richtung der hohen Felsen, die die Bucht zu ihrer linken Seite säumten.

„Hinter diesen Felsen“, sagte der Hund an Veronica gewandt, „erstreckt sich ein langer Sandstrand, an dem um diese Uhrzeit viele Menschen spazieren. Da können wir auf keinen Fall landen. Aber wenn wir uns zwischen diesen Felsen hier niederlassen, wird uns keiner bemerken. Wir können nur hoffen, dass die Person, die dort im Sand sitzt, nicht aufschaut. Keiner darf sehen, dass du auf diesem ungewöhnlichen Weg auf unsere Insel kommst.“

„Warum denn nicht?“

„Es reicht schon, dass du so viel anders aussiehst als wir. Wenn jemand noch mitbekommen würde, dass du mit einem fliegenden Boot auf unserer Insel landest, würden sie dich für eine Chi Chi halten. Sie würden sich dann von dir fernhalten, und das wollen wir nicht. Um die Smaragde zu finden, musst du dich unter die Menschen mischen.“

„Eine Chi Chi? Was ist denn das?“

„Erkläre ich dir später, wenn wir mehr Zeit haben.“

„Warum sehe ich anders aus als ihr?“, hakte Veronica nach.

„Deine Haut ist viel blasser als unsere, außerdem haben die Leute hier noch nie solche gelben Haare gesehen.“

„Meine Haare sind nicht gelb, sondern blond!“

„Und deine Haare sind wunderschön“, sagte die Katze. „Was Ricky sagen wollte, ist, dass wir an solche hellen Haare und blasse Haut nicht gewöhnt sind.“

Das Boot begann langsam herabzusinken. Veronica schaute zurück zum Strand, wo die Person immer noch im Sand saß, den Kopf über das Stück Papier gebeugt. Als sie nur noch ein Meter von dem großen Felsen trennte, hinter den das Boot zusteuerte, nahm sie wahr, wie sich die Person aufrichtete und, den Blick immer noch auf das Papier geheftet, in ihre Richtung zu laufen begann. Erst jetzt bemerkte Veronica, dass es kein Erwachsener war, denn die Person schien ungefähr so groß zu sein wie sie. Sie wollte gerade Lidia und Ricky warnen, als die Person plötzlich aufsah und sich ihre Blicke trafen. Es war ein Junge, dessen dunkle Locken ihm bis zu den Schultern reichten. Sie sah nur noch, wie der Junge stehen blieb, denn im nächsten Augenblick erreichte das Boot den Felsen und landete hinter diesem auf dem Wasser.

„Er hat uns gesehen!“, rief Veronica. „Er hat aufgeblickt und mir genau ins Gesicht geschaut!“

Die Katze sprang aus dem Boot und blickte zwischen zwei Felsen hindurch zum Strand. Unterdessen forderte der Hund Veronica auf, die Wörterbuchflasche in ihrem Koffer zu verstauen.

„Er kommt hierher!“, rief die Katze ihnen zu. „Schnell, Veronica, raus aus dem Boot!“

Veronica hatte Mühe, aus dem Boot zu steigen, denn sie musste auch noch ihren Koffer heraushieven. Als sie es schließlich schaffte, rutschte sie auf einem glitschigen Felsen aus und wäre um ein Haar ins Wasser gestürzt. Sie kletterte auf einen größeren flachen Felsen, auf dem sie aufrecht stehen und ihren Koffer abstellen konnte.

„Schnell, wir müssen verschwinden! Er kommt immer näher!“, rief die Katze.

Der Hund, der sich noch im Boot befand, drückte auf einen der zwei Knöpfe an der Innenseite, rief ,Kleinboot!‘, und das Boot wurde zusehends kleiner, bis es wieder die Größe einer Obstschale annahm. Dann sprang er auch heraus und kletterte auf den Felsen, auf dem sich Veronica befand.

„Beug dich hinunter und zieh das Boot aus dem Wasser!“, rief er ihr zu.

Veronica ging in die Knie und streckte die Arme nach unten. Ihre Fingerspitzen berührten den Bootsrand, doch im selben Augenblick wurde das Boot von einer kleinen Welle erfasst und einige Zentimeter weggetragen.

„Ich komme nicht ran!“

Die Wellen trieben das kleine Boot zurück an den Felsen und Veronica beugte sich so weit über die Felskante, dass sie beinahe kopfüber ins Wasser gefallen wäre. Als sie dachte, sie hätte das Boot ergriffen, entglitt es ihr wieder.

„Wir müssen los! Er ist fast hier!“, rief die Katze. „Schnell Veronica!“

„Ich kann nicht! Es entgleitet mir immer wieder!“

„Kommt, wir laufen zum Haus“, sagte der Hund. „Wir kommen das Boot später holen! Er darf dich nicht noch mal sehen!“

Veronica richtete sich auf, zog ihren Rollkoffer hinter sich her und folgte Lidia und Ricky, die zwischen zwei Felsen einen schmalen Weg hinaufliefen. Der Schweiß brach ihr auf der Stirn aus und sie gab sich Mühe, mit den beiden Schritt zu halten. Als sie schon fast oben auf dem Hügel ankamen, stolperte sie über einen Stein. Beim Aufstehen warf sie einen kurzen Blick über die Schulter. Der Junge war schon bei den Felsen angekommen und starrte sie an. Rasch wandte sie den Kopf wieder nach vorne und lief noch schneller hinter der Katze und dem Hund her.

Der Weg führte zwischen bunten Sträuchern hindurch. Veronica musste eine Hand vor das Gesicht halten, um sich an den spitzen Blättern nicht zu verletzen. Als sie an eine große Palme mit dickem Stamm kamen, blieben ihre kleinen Begleiter stehen.

„Versteck dich hinter der Palme“, rief ihr der Hund zu. „Wir mussten einen Umweg nehmen, damit der Junge uns nicht zu Quionis Haus folgt. Ihr zwei bleibt hier, ich laufe vor und schaue, ob der Weg zum Haus frei ist.“

Der Hund lief davon und Veronica drückte ihren Rücken gegen den dicken Stamm der Palme. „Er hat mich gesehen. Und das Boot auch.“

„Ja, aber nur für einen kurzen Augenblick“, sagte Lidia. „Und er ist nur ein Kind, niemand wird ihm glauben. Gut, dass wir rechtzeitig weggelaufen sind.“

Der Hund kehrte wenig später zurück. „Er ist immer noch unten am Strand – ist uns nicht hinaufgefolgt.“

„Und das Boot?“, erkundigte sich die Katze.

„Wir gehen später hinunter und schauen nach – wenn der Junge weg ist. Wir nehmen Quioni mit, sie ist größer als Veronica, sie wird es bestimmt aus dem Wasser heben können.“

Sie folgten einem gewundenen Pfad, der zwischen hohen Palmen verlief. Buntgefiederte Vögel flogen über ihre Köpfe hinweg, sangen und zwitscherten. Veronica blieb stehen, als ein zierliches Eichhörnchen an ihr vorbeihuschte und im Dickicht am Wegrand verschwand. Sie setzte ihren Gang fort und hielt erst wieder an, als sie an eine große Lichtung kamen. Vor ihnen erhob sich ein buntes einstöckiges Haus und Veronica stellte fest, dass sie sich auf dem gleichen Hügel befanden, den sie vom Boot aus gesehen hatte. Und dies war dasselbe Haus, auf das Ricky sie aufmerksam gemacht hatte, nur hatte sie es von der anderen Seite gesehen, die zum Strand hinausging.

Noch nie hatte Veronica ein solch farbenprächtiges Haus gesehen. Die Fassade war weiß, doch die breiten Fensterrahmen waren helllila, die hölzernen Fensterläden und die Veranda hellrosa und die Dachrinne hellblau angestrichen. Auch das schräge Dach bestand aus rosa, lila und hellblauen Ziegelsteinen und der Schornstein war dunkellila. Der Holzzaun, der den großen Vorgarten umgab, war ebenfalls hellrosa und hellblau gestrichen.

Links und rechts vom Haus konnte Veronica den Horizont sehen, an dem das Meer und der Himmel miteinander verschmolzen. Sie wusste nun, dass hinter dem Haus unten der sandige Strand lag, an dem der Junge gesessen hatte.

„Quioni, Quioni!“, schrien der Hund und die Katze im Chor, während sie durch den Vorgarten zum Haus rannten. Sie liefen die Stufen zur Veranda hinauf und verschwanden im Haus.

Veronica blieb am Gartenzaun allein zurück und stellte ihren Koffer auf dem Erdboden ab. Auf der Veranda des Hauses erblickte sie einen lilafarbenen Holztisch und zwei blaue Lehnstühle. Eine große Obstschale stand auf dem Tisch, und beim Anblick der köstlich aussehenden Obstsorten meldete sich ihr Magen mit einem lauten Knurren. Vor der Veranda erstreckte sich ein Garten, geteilt in zwei Hälften durch einen schmalen, mit Steinen gepflasterten Weg, der zum Haus führte. Die rechte Hälfte bestand aus einem farbenfrohen Blumenbeet, durch das sich ein enger Pfad hindurchschlängelte. Die linke Hälfte war von einem sattgrünen Rasen bedeckt, der so sauber und ordentlich gemäht war, dass Veronica den Wunsch verspürte, sich ins Gras zu setzen. Auf dieser Seite des Gartens war eine dunkelblaue Hängematte zwischen zwei stattlichen Palmen gespannt.

Mit langsamen Schritten betrat sie den Vorgarten und atmete den süßen Duft der Blumen ein. Als sie den Garten zur Hälfte durchquert hatte, sprang urplötzlich etwas sehr Großes und Schweres auf ihren Rücken und packte sie von hinten am Hals. Vor ihren Augen tauchten zwei riesige schokoladenfarbige Hände auf, die in mit schwarzem Haar bedeckte Arme übergingen. Um ihre Hüfte schlangen sich ebenfalls mit schwarzem Fell bedeckte Beine, die in zwei unbehaarten Füßen mit dicken Zehen endeten. Veronica schrie auf und versuchte das Ungeheuer auf ihrem Rücken abzuschütteln.

Einen Augenblick später kamen der Hund und die Katze auf die Veranda gestürmt, begleitet von einer dünnen weißhaarigen Frau.

„Hilfe!“, würgte Veronica unter der schweren Last auf ihrem Rücken hervor.

Die alte Frau lief schnellen Schrittes auf sie zu. Als sie vor Veronica stehen blieb, brüllte sie ihr mit donnernder Stimme entgegen: „TICO!“

Veronica erschrak so sehr, dass sie rückwärts stolperte und mit dem Ungeheuer auf ihrem Rücken auf dem gepflasterten Weg landete.

Marismera

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