Читать книгу Die neue Schulmeisterin - Anna Staub - Страница 9

Oh ja, das ist sie!

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Am nächsten Tag waren Finney und Luke bei ihrer Familie zum Abendessen zu Gast. Nachdem die Sullivan-Männer Prudles vorzüglichen Blaubeer-Kuchen bis auf den letzten Rest verputzt hatten, wurde der Abend im Salon mit einem Whisky beschlossen. Allerdings erst nachdem die Haushälterin Lukes Frau vehement verboten hatte, die Küche zu betreten und ihr beim Abwasch zu helfen. Prudle fand es schon sehr ärgerlich, dass die junge Mrs. ihren Haushalt alleine führte, aber es hätte ihr gerade noch gefehlt, dass ihr jemand aus der Familie bei der Küchenarbeit zur Hand ging.

„Harry Plockton hat seine Tochter heute Nachmittag für ein paar Stunden zu mir gebracht, weil er mit Liz nach Clarksville musste. Harriet hat mir ziemlich anschaulich von der neuen Lehrerin berichtet“, erzählte Finney, während sie neben ihrem Mann auf der Couch Platz nahm, der augenblicklich seinen Arm um ihre Schultern legte.

„Du meinst wohl: Von dem neuen Lehrer, Liebes“, antwortete Charles Sullivan seiner Schwiegertochter lächelnd. „Bess Aldridge hat mir nach der Kirche erst erzählt, dass sie drei Kreuze macht, wenn dieser Mr. Van Halen endlich seinen Dienst antritt und mit harter Hand bei Davy Slane durchgreift.“

Finney lachte leise auf, während sie vergnügt in die Runde schaute. Luke musterte seine Frau neugierig von der Seite. „Diesen Blick kenne ich inzwischen. Meine Frau hütet irgendein Geheimnis oder hat Neuigkeiten zu erzählen. Also Mrs. Sullivan, was hat es mit der neuen Lehrkraft auf sich?“, fragte er sie schließlich neckend und Finney stieß ihm leicht mit dem Ellenbogen in die Seite, bevor sie sich wieder an Charles wandte.

„Nein, es ist in der Tat eine Lehrerin. Laut Harriet hat es irgendeine Verwechslung mit dem Namen gegeben und jetzt ist Mr. Van Halen eine Miss und die angekündigte Mrs. ihre verwitwete Mutter.“

Für diese Neuigkeit erntete die ehemalige Krankenschwester drei verblüffte Blicke und schließlich lachten die Sullivan-Männer lauthals. Bis auf Bill, der wie gewöhnlich schwieg.

„Dass der alte Malbeth kein vernünftiges Wort raus bringt, wissen wir ja, aber hat er inzwischen auch das Lesen verlernt?“, platzte schließlich Charlie Jr. immer noch kichernd heraus, kassierte diesmal allerdings nur einen halb ernst gemeinten Tadel von seinem Vater. „Du sollst dich nicht über gewählte Würdenträger lustig machen. Oder zumindest bitte nicht außerhalb dieses Hauses“, wies Charles seinen jüngsten Sohn mit einem Augenzwinkern zurecht, bevor Finney auch Licht in dieses Dunkel bringen konnte. Sie erklärte, dass der Fehler wohl auf der Seite der jungen Dame gelegen hatte, da sie Briefe prinzipiell mit ihrem Spitznamen unterschrieb. „Sie scheint noch sehr jung zu sein. Und obendrein eine richtige Schönheit“, schloss Finney ihren Bericht.

„Eine unverheiratete, junge Schönheit!“ Josh, Charles Sullivans zweiter Sohn, rieb sich mit einem breiten Grinsen die Hände. „Ich denke, ich werde Green Hollow demnächst mal einen Besuch abstatten müssen.“

Diese Erklärung brachte das Familienoberhaupt wieder zum Lachen. „Was ist denn mit dir passiert, mein lieber Sohn? Hast du nicht immer ein Hoch auf das Junggesellen-Dasein gesungen?“

Mit einem verschmitzten Blick auf seinen älteren Bruder und dessen Frau, die sich gerade lächelnd in die Augen schauten, meinte Josh: „Seitdem ich so ein leuchtendes Beispiel für die Vorteile des Familienlebens habe, muss ich zugeben, dass die Ehe vielleicht gar keine schlechte Einrichtung ist.“

Mit dieser Offenbarung zog der zweitälteste Sullivan-Bruder nun alle Blicke auf sich. „Meinst du das ernst?“, fragte Luke schließlich misstrauisch, der seinen Bruder nur als eingefleischten Junggesellen kannte. Josh grinste für einen Augenblick unverschämt zurück, doch dann wurde er ernst. „Ja, ihr beide habt mich ein wenig neidisch gemacht. Ich habe nicht vor, das nächstbeste Mädchen zu heiraten, das mir über den Weg läuft, aber wenn ich jemanden treffen würde, der mir gefällt, würde ich einen Antrag zumindest in Erwägung ziehen.“

Luke und sein Bruder prosteten sich grinsend zu und Charles Sullivan lächelte versonnen vor sich hin. Bis vor einem Jahr hatte er noch damit rechnen müssen, dass die Sullivan-Familie mit Charlie ihr Ende finden würde, da keiner seiner Söhne Anstalten machte, sich zu verheiraten. Bis auf Bill und diese traurige Geschichte mit Josephine, aber das war etwas völlig anderes. Jedenfalls schien er sich jetzt keine Sorgen mehr um den Fortbestand der Sullivan-Linie machen zu müssen, wenn sogar Josh eine Ehe nicht mehr rundheraus ablehnte.

Finney schüttelte indes amüsiert ihren Kopf. „Na dann wünsche ich dir viel Glück. Aber wenn man bei Harriets Bericht zwischen den Zeilen liest, dann muss diese Miss Van Halen eine ziemlich chaotische Person sein.“

Zur allgemeinen Verwunderung meldete sich plötzlich Bill zu Wort. „Oh ja, das ist sie.“ Im selben Moment schaute er von seinem Whisky-Glas auf. Er war anscheinend selbst überrascht, dass er gesprochen hatte.

„Das ist ja überaus interessant, mein lieber Bruder. Und woher, wenn ich fragen darf, hast du diese Gewissheit?“, hakte Josh jetzt amüsiert nach und musterte seinen jüngeren Bruder. Der schien sich auf einmal gar nicht mehr wohl in seiner Haut zu fühlen und winkte ab. „Hab sie gestern zufällig kennengelernt.“

„Und hat sie sich beim Guten-Tag-Sagen so ungeschickt angestellt, dass du auf den ersten Blick gesehen hast, dass sie eine chaotische Person ist?“ Josh schien seinen Spaß daran zu haben, Bill ein wenig auf die Schippe zu nehmen und auch der Rest der Familie blickte jetzt interessiert zu dem blonden Sullivan hinüber.

„In gewisser Weise“, war die ablehnende Antwort und die beiden ältesten Sullivans schienen mit einem Mal bereit, die Sache damit bewenden zu lassen. Doch Charlie kannte anscheinend keine Gnade.

„Ach los, Bill, jetzt lass dir nicht jede Einzelheit aus der Nase ziehen. Was hat sie angestellt? Und ist sie wirklich so hübsch? Vielleicht kannst du Josh ja ein paar gute Ratschläge geben, wenn er seinen Antrittsbesuch bei ihr macht.“

Für einen kurzen Augenblick schien ein Schatten über das Gesicht des blonden Mannes zu fliegen, doch er antwortete seinem jüngsten Bruder. „Sie ist sehr hübsch, aber ich habe keine Lust, mit euch darüber zu diskutieren.“ Und im nächsten Augenblick sprang Bill auf und verließ den Salon, doch lediglich Finney und Charlie waren verwundert darüber.

„Was hat er?“, flüsterte Steffiney ihrem Mann zu. „Geht es ihm gut?“ Doch Luke schüttelte nur den Kopf und antwortete leise: „Bill ist immer etwas eigen, wenn es um Frauen geht.“ Dann wandte er sich in normaler Lautstärke an den Rest der Familie. „Finney und ich werden aufbrechen, es ist schon spät.“

Damit endete der gemütliche Abend. Luke und seine Frau bestiegen ihre Kutsche und machten sich auf den Heimweg, während Charles sich seinen Jüngsten schnappte, um ihm klar zu machen, dass jeder Spaß seine Grenzen hatte. Und Josh machte sich auf die Suche nach Bill, den er schließlich auf der Terrasse vor dem Haus fand.

„Was ist so besonders an dieser Lehrerin, dass du freiwillig den Mund aufmachst, nur um dann wie ein Schuljunge davonzulaufen?“, fragte der schwarzhaarige Sullivan. Sein Bruder wandte seinen Blick nicht von den Sternen ab, zu denen er aufschaute, sondern zuckte lediglich mit den Schultern. Doch Josh ließ nicht locker und blieb einfach auf der Terrasse stehen, bis Bill sich schließlich doch zu einer Antwort durchrang.

„Ich kenne sie überhaupt nicht, aber mir war klar, dass ihr sofort eine riesige Sache daraus machen würdet, nur weil ich einmal mit einer Frau gesprochen habe. Ich hatte keine Lust auf eure Späße.“

Josh nickte. Es war kein Geheimnis, dass sein jüngerer Bruder seit dem Tod von Josephine keine Frau mehr angeschaut hatte. Von daher war es eine kleine Sensation, dass ausgerechnet er von allen Sullivans der Erste war, der anscheinend einen Plausch mit Green Hollows neuer Schönheit gehalten hatte. Natürlich war es Bill unangenehm, mit der Nase darauf gestoßen und so zwangsläufig auch an Josephine erinnert zu werden.

„Tut mir leid“, sagte Josh schließlich und klopfte Bill auf die Schulter, bevor er sich abwandte, um wieder hineinzugehen. Doch an der Tür hielt ihn überraschend die Stimme seines Bruders zurück.

„Sie hing an der Dachkante ihres neuen Hauses und ich habe ihr herunter geholfen.“

Der zweitälteste Sullivan-Bruder hielt mitten in der Bewegung inne und drehte sich dann langsam um. „Du nimmst mich auf den Arm, oder?“, fragte er mit einer gehörigen Portion Misstrauen in der Stimme, doch Bill schüttelte den Kopf.

Mit einem lauten Lachen ließ sich Josh in einen Schaukelstuhl fallen und streckte seine langen Beine von sich. „Jetzt will ich die ganze Geschichte hören“, verlangte er grinsend und nun ließ sich Bill auch nicht länger bitten.

Doch am Ende seiner Erzählung nahm er seinem Bruder das Versprechen ab, niemandem gegenüber ein Wort zu verlieren. Miss Van Halen würde dieser kleine Zwischenfall sicherlich peinlich sein und eigentlich hätte er auch nicht darüber reden sollen.

Josh schien etwas überrascht, dass sein kleiner Bruder solche Rücksicht auf die Gefühle einer fremden Frau nahm, aber er versprach zu niemandem, auch nicht zu seinen Brüdern oder ihrem Vater, etwas zu sagen. Gleich darauf erschien Charles Sullivan auf der Terrasse und mit den Worten „Also ich habe zwar keine Ahnung, wie diese Frau Ordnung in ein Klassenzimmer bringen will, aber ich wäre verdammt gerne dabei.“ verabschiedete Josh sich immer noch lachend und ließ Bill und seinen Vater allein.

Der stellte sich neben seinen Sohn und gemeinsam schwiegen sie eine Weile, bis Charles schließlich das Wort ergriff. „Du findest sie also sehr hübsch“, stellte er fest und erntete dafür einen ärgerlichen Blick von seinem stillen Sohn.

„Ich kenne sie überhaupt nicht“, knurrte Bill und provozierte damit ein Lachen von seinem Vater.

„Man muss eine Frau auch nicht kennen, um sagen zu können, ob man sie hübsch findet oder nicht“, antwortete das Familienoberhaupt der Sullivans, doch sein Sohn schien nicht darauf eingehen zu wollen und schwieg beharrlich. Wenn Charles Sullivan es allerdings für angebracht hielt, konnte er sehr bestimmt sein. Meist gab er dann keine Ruhe, bevor er seinen Söhnen seinen Standpunkt nicht klargemacht hatte.

„Hast du ein schlechtes Gewissen, weil dir überhaupt aufgefallen ist, wie hübsch die junge Dame ist? Beziehungsweise weil es dir nicht gleichgültig war, dass sie so gut aussieht?“, hakte er schließlich nach und Bill senkte den Kopf.

„Ja“, bekannte er leise.

„Du weißt, dass das vollkommener Unsinn ist? Du verrätst Josephines Andenken nicht, nur weil du eine andere Frau hübsch findest.“ Sein Vater klang mit einem Mal sehr streng. Als hätte er wieder einen kleinen Jungen und keinen erwachsenen Mann vor sich.

„Ich bin mir nicht sicher.“ Bills Worte kamen nur leise und zögernd.

Charles Sullivan schüttelte den Kopf, ließ es aber für diesen Abend dabei bewenden, denn er wollte Bill nicht überfordern. Er versuchte seit vier Jahren seinem Sohn die übertriebene Treue zu seiner toten Frau auszureden, doch leider völlig ohne Erfolg. Aber bis jetzt hatte es auch noch nie eine Frau gegeben, die seit Josephines Tod in irgendeiner Weise Bills Aufmerksamkeit erregt hatte. Der Junge war wahrscheinlich schon durcheinander genug.





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