Читать книгу Worte wie wir - Annah Fehlauer - Страница 7

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„Warum bist du nicht mehr mit Martin verheiratet?“

Die Frage kam etwas überraschend für Catharina.

Und dann auch wieder irgendwie nicht, denn Martin war gerade zu Besuch gewesen, und Marie und Catharina hatten einen gemütlichen Kuchen- und Kakaonachmittag mit ihm verbracht, ein seltenes Vorkommnis dank Martins vollem Terminkalender. Inzwischen waren sie aus dem Wohnzimmer wieder in die Küche um­gezogen, und Marie hatte angefangen, ein Bild einer Wiesen­land­schaft zu malen, während Catharina das Geschirr in die Spülmaschine räumte.

„Es hat für uns beide nicht mehr gepasst.“

„Und bist du noch sehr traurig deswegen?“

„Nein, gar nicht, ich denke, dass es uns beiden sehr gut so geht.“

„Habt ihr euch viel gestritten, als ihr ein Ehepaar wart?“

„Überhaupt nicht, wir haben uns prächtig verstanden.“

„Und warum seid ihr dann nicht mehr verheiratet?“

Weil wir nie wirklich verheiratet waren, schoss es Catharina durch den Kopf.

„Weil es, wie gesagt, irgendwann einfach nicht mehr gepasst hat.“

„Und warum habt ihr vorher keine Kinder zusammen gekriegt? Mag Martin keine Kinder?“ Die letzte Frage klang etwas zag­hafter.

„Doch, Martin mag Kinder auch gern. Aber er wollte nie Vater sein.“

Das stimmte sogar. Und es stimmte auch, dass sie eine Zeit lang tatsächlich überlegt hatte, ob sie mit Martin zusammen nicht doch ein Kind zeugen könnte.

Alles stimmte. Auch, dass sie sich quasi nie gestritten hatten. Genau wie, dass es irgendwann nicht mehr passte. Weil sie beide reifer wurden und irgendwann verstanden, dass sie es zwar wirk­lich gut miteinander hatten und den Schein nach außen ganz schmerz­frei wahrten, dass das aber nicht genug war, um eine Ehe aufrecht zu erhalten, die keine war.

Erst recht nicht, als Martin schließlich jemanden kennenlernte und es da auf einmal eine Person gab, die nicht nur die Rolle einer Affäre spielte, sondern sich als Martins große Liebe entpuppen sollte.

„Mama und Papa haben ganz viel gestritten, als sie noch verheiratet waren, sagt Mama. Und jetzt streiten sie immer noch manch­mal. Vor allem, wenn Papa findet, dass ich zu viel Zeit alleine bin. Oder bei dir.“

„Ja, Marie, es gibt sehr viele Paare, die ziemlich viel streiten. Leider. Und es ist scheußlich, wenn Kinder das mit­bekommen.“ So wie ich bei meinen Eltern.

„Aber das heißt nicht, dass einen die Eltern nicht mehr lieben. Ich bin mir ganz sicher, dass dich sowohl deine Mama als auch dein Papa sehr, sehr doll lieben.“

„Ja, schon. Mama liebt mich, glaub ich, schon. Aber Papa hat doch eine neue Familie. Und die brauchen ganz schön viel von seiner Liebe auf.“ „Und ganz schön viel von seinem Geld“, schob sie hinterher.

„Dass die neue Familie deines Papas durchaus Geld braucht, glaube ich. Aber ich bin mir ganz sicher, dass sie seine Liebe nicht aufbrauchen. Im Gegenteil, meine Süße, weißt du, mit der Liebe ist es ganz wundervoll: Je mehr man davon verschenkt, desto mehr hat man davon. Wenn also dein Papa seiner neuen Familie Liebe schenkt, dann hat er deswegen nicht weniger Liebe in seinem Herzen, sondern mehr – und damit letztlich auch mehr Liebe für dich.“

„Vielleicht. Aber Zeit hat er fast gar keine mehr für mich. Und wenn, dann sind seine neuen Kinder immer mit dabei.“ Bei diesen Worten hatte Maries Stimme einen beinahe trotzigen Unterton angenommen.

„Ja, das kann ich mir vorstellen, dass das schwierig für dich ist, Marie. Vor allem, weil dein Papa dir, als du ganz klein warst, ja fast alleine gehört hat.“

„Und warum hat es bei euch nicht mehr gepasst?“ Maries Stimme war kaum zu hören.

Catharina wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie mochte Marie sehr und liebte diese Nachmittage, die sie miteinander ver­brachten. Und oft vergaß sie tatsächlich, dass Marie erst neun Jahre alt war, so sehr genoss sie meist ihre Unterhaltungen.

Dennoch war Marie ein Kind. Ein sehr kluges Kind, aber doch ein Kind.

Und die Geschichte mit Martin war kompliziert, sogar für Erwachsene.

Als sie Mariella damals, vor dreizehn Jahren, belogen und betrogen hatte, war Martin ihre Anlaufstelle. Ihr bester Freund war er schon seit Jugendtagen gewesen, und er hatte ihr fürch­ter­lich gefehlt, als sie und Mariella sich näher gekommen waren. In dieser Zeit hatte er ein Jahr als Gast­dozent an einer renommierten Uni in den Vereinigten Staaten verbracht. Als er zurückkam, war Catharina die rettende Idee gekommen, wie sie Mariella doch noch dazu bewegen konnte, das Stipendium für die Londoner Law School anzunehmen. Voraus­gesetzt, die Idee war rettend gewesen und nicht die fatalste Fehlentscheidung, die sie in ihrem Leben je getroffen hatte.

In der Zeit nach der Trennung hatte ihr Martins Nähe Trost geschenkt. Obwohl sie ihm nicht von Mariella erzählt hatte, zumindest nicht die ganze Geschichte, hatte er gespürt, dass es ihr nicht gut ging, hatte wohl auch geahnt, dass sie an einer Art Liebes­kummer litt, aber er war nie weiter in sie gedrungen. Das liebte sie so sehr an ihm, seine einfühlsame, aber gleichzeitig zurück­haltende Art, die es ihr leicht machte, sich bei ihm geborgen zu fühlen und Nähe zuzulassen, ohne befürchten zu müssen, dass ihrem geschundenen Herzen noch mehr Schmerz zugefügt würde. Nein, Martin würde sie nie verletzen, zumindest nicht absichtlich. Sie liebte ihn auf eine unaufgeregte Art und Weise, wie man eben nur einen guten Freund oder Bruder liebt.

Die Entscheidung zu heiraten war nicht plötzlich geboren worden, son­dern nach und nach gereift. Ursprünglich war es die leicht ver­rückte Idee zweier bester Schulfreunde gewesen. Kennengelernt hatten sie sich schon in der weiterführenden Schule. Er, der gut aus­sehende Sohn eines ebenso erfolgreichen wie bekannten Berliner Rechtsanwalts mit eigener Kanzlei. Sie, das über­durch­schnitt­lich intelligente Mauer­blümchen, das sich mit Jungs in der Schule immer etwas unbeholfen angestellt hatte – wenngleich nicht un­behol­fener als mit Mädchen. Die Mitschüler hatten sich über diese un­gleiche Paarung gewundert, viele der Mädchen waren eifer­süchtig gewesen, die meisten Jungs hatten nur den Kopf über Martin geschüttelt.

Martin und sie hingegen hatten sich zu dieser Zeit wie im siebten Himmel gefühlt, nur dass sie bereits damals gespürt hatten, dass sie wohl eher nicht zum Liebespaar, sehr wohl aber zu einer wun­der­baren Freundschaft, taugten. Eines feucht­fröhlichen Abends hatten sie beschlossen, dass sie, wenn sie dreißig wären und noch nicht vergeben, einander heiraten würden. Wahr­schein­lich hatten sie damals beide bereits geahnt oder unbewusst ge­wusst, dass es nicht leicht werden würde, andere ernsthafte Part­ner­schaften ein­zugehen.

Sie hatte noch mehrere Jahre gebraucht, um sich endgültig ein­zugestehen, dass sie sich regelmäßig in Mädchen, später dann in junge Frauen, aber so gut wie nie in Männer verliebte.

Und Martin, nun ja, Martin hatte noch zu Schulzeiten begonnen, eine Art Doppelleben zu führen. Sie schmunzelte unwill­kürlich, als die Erinnerung sie überkam, wie fasziniert er zu dieser Zeit von Stevensons Dr. Jekyll and Mr. Hyde gewesen war, das sie in ihrem Englischkurs gelesen hatten. Wenig später war er wochen­lang mit Oscar Wildes The picture of Dorian Grey unter dem Arm herum­gelaufen, so dass Catharina angefangen hatte, ihn auf­zuziehen, indem sie ihn wahlweise mit Dorian, Mr. Grey oder Dr. Jekyll ansprach.

Martin war schon damals sehr attraktiv, offenbar für beide Geschlechter gleichermaßen. Catharina konnte nur grob schätzen, wie viele ihrer Mitschülerinnen für ihn schwärmten. Da er zudem sehr sportlich war, war er auch bei den Jungs sehr beliebt, fühlte sich jedoch in der testoste­ron­geschwän­gerten Luft der Männer­umkleide­kabine äußerst un­wohl.

Dass er sich zu Männern hingezogen fühlte, war, zumindest für Catharina, ein offenes Geheimnis, so dass sie wenig erstaunt war, als er ihr Anfang Zwanzig endlich offiziell gestand, schwul zu sein. Catharina hatte ihn damals fest in die Arme geschlossen und ihm ins Ohr geflüstert, dass sie sich womöglich auch deshalb einander so nah fühlten.

„Wieso, weil ich Jungs mag und du auch?“

„Sag mal, ist dir wirklich nie aufgefallen, dass mich Jungs nicht besonders interessieren? Außer dir, meine ich!“

Martin hatte sie ein Stück von sich weggehalten und geradezu ängstlich angesehen: „Du willst mir aber nicht ausgerechnet jetzt gestehen, dass du in mich verknallt bist, oder?“

Die Sorge war ihm deutlich anzumerken gewesen. Einen kur­zen köstlichen Augenblick war Catharina versucht ge­wesen, ihren Freund ordentlich auf den Arm zu nehmen und die unglücklich Verliebte zu spielen. Doch ihre Vernunft – und mit ihr ihr gut­mü­ti­ges Herz – siegte. Sie hatte die Umarmung erneuert und Martin ins Ohr geflüstert: „Nein, du eingebildeter Gockel, auch wenn ich meilen­weit hier um dich herum die Einzige zu sein scheine, die nicht bis über beide Ohren in dich verliebt ist. Ich steh auf … na ja, auf Mädchen eben … oder mittlerweile wohl eher Frauen.“

Noch Jahre später hatten sie aus tiefstem Herzen über diese Situa­tion lachen können, und wenn sie einander vorher schon sehr eng verbunden waren, war die Nähe zwischen ihnen danach noch intensiver geworden.

Martin war nicht nur ein sehr attraktiver, sondern zudem auch sehr selbstbewusster junger Mann. Doch er litt zunehmend da­runter, ein Doppelleben führen zu müssen. Nach dem Abitur war er für zwei Monate in die USA gereist und hatte in den ein­schlä­gi­gen Bars New Yorks und San Franciscos nicht gerade seine Un­schuld verloren, aber seinen Erfahrungsschatz doch erheblich erweitert.

Auch das Berlin der 1970er war nicht prüde zu nennen, doch der Paragraph 175 war noch in Kraft, und schwule Männer konnten ihre Bedürfnisse nicht ungefährdet offen ausleben.

Hinzu kam, dass Martin fest vorhatte, in die Fußstapfen seines überaus erfolgreichen Vaters zu treten und eines Tages seine renommierte Kanzlei zu übernehmen. Dass sein Vater Ende der 70er die Kanzlei mit einem Partner fusioniert hatte und die Kanzlei überwiegend gut betuchte, erzkonservative Berliner Groß­bürger vertrat, half Martin nicht eben dabei, seinen privaten Lebensstil mit dem öffentlichen in Einklang zu bringen.

Während des Studiums – beide studierten an der FU, Martin Jura, Catharina Geschichte, Germanistik und Anglistik – hatten sie zunächst in verschiedenen WGs gewohnt. Nach einigen Se­mestern waren sie der üblichen Aus­ein­an­der­setzun­gen um Putz­dienste und Klopapierkäufe allerdings überdrüssig und be­schlos­sen, zusammen zu ziehen.

Nach kurzer Zeit der Suche fanden sie eine Wohnung in einer alten Villa in Lichterfelde, die in Bezug auf die Uni hervor­ragend lag, in Hinblick auf das Nachtleben hingegen lange und etwas um­ständliche Heimwege bedeutete. Dies wiederum führte dazu, dass beide die Nächte recht häufig in fremden Betten verbrachten.

Die Villa war für ihre Zwecke ideal, für andere Mieter wäre sie wohl eher unpraktisch gewesen.

Catharina und Martin bewohnten das Dachgeschoss.

Im ersten Stock wohnte eine ebenso sympathische wie un­kon­ven­tionelle Familie, die Heines, mit drei pubertierenden Kindern und Eltern, die zwar getrennt und jeweils neu liiert waren, der Kinder zuliebe aber dennoch weiter gemeinsam wohnten.

Und im Erdgeschoss wohnte Frau von Steinfeld, die eigentliche Besitzerin der Villa, der das Haus jedoch im Alter zu groß und zu einsam geworden war.

Keinen der Bewohner schien es zu stören, dass die drei Wohnungen nicht wirklich voneinander abgetrennt waren, wobei es Catharina und Martin dennoch recht war, das Dach­geschoss zu bewohnen, was noch am ehesten etwas Privat­sphäre bot.

In den Sommerferien konnten sie ausgelassene Partys ver­an­stal­ten, da Heines die Ferien immer in ihrer Finca in Spanien ver­brach­ten und Frau von Steinfeld meist zur Kur nach St. Peter-Ording fuhr.

Für die Sommermonate brachten sie gemeinsam mit den Nach­bars­kindern Anfang Juni den ziemlich betagten Pool in Schuss, so dass sie abwechselnd im Pool und im Wannsee baden konnten, was Catharina als geborene Wasserratte liebte.

Kurz vor dem Examen zogen sie gemeinsam in eine Wohnung in Schöne­berg, nachdem Frau von Steinfeld einen Schlaganfall erlitten und beschlossen hatte, die Villa zu verkaufen. In der neuen Wohnung, einer typischen Berliner Altbauwohnung, fühl­ten beide sich richtig zuhause. Die Wohnung war riesig, beide hatten ein eigenes Schlafzimmer und ein Arbeitszimmer. Darüber hinaus teilten sie sich ein gemeinsames Wohnzimmer, eine Art „Kreativzimmer“ in dem Martins Flügel stand und Catharinas Cello ebenso Platz hatte wie ihre Leinwände. Für die zahlreichen Über­nachtungsgäste gab es ein Zimmer, das ehemalige Dienst­boten­zimmer. Und ein separates Esszimmer gab es noch zu­sätz­lich zur gemütlichen Wohnküche, die über einen Aufgang zum hellen Hinterhof verfügte. Die Wohnung war in der Tat so mon­dän, dass sogar Martins, und selbst Catharinas, Eltern sie für stan­des­gemäß befanden.

Während dieser Zeit wiegten sich beide Elternpaare in der schein­baren Gewissheit, Martin und Catharina seien ein Liebes­paar. Martin war das aus den bekannten Gründen nur recht, er­leich­terte es sein anstrengendes Doppelleben doch um einiges. Und Catharina war es leid, die zermürbenden und häufig ver­letz­en­den Diskussionen mit ihren Eltern zu führen.

Ihr Vater war ein renommierter Heidelberger Herzspezialist, der, als Catharina dreizehn war, einen hochdotierten Posten an einer Berliner Privatklinik angenommen und die Familie aus dem beschaulichen, wenngleich etwas provinziellen, Städt­chen am Neckar in die Großstadthölle, wie Catharinas Mutter die spätere Hauptstadt zu nennen pflegte, verpflanzt hatte.

Während des Jahres vor dem Umzug hatte es zwischen den Eltern noch mehr und noch lautstärkere Streitereien gegeben als ohnehin schon üblich, und Catharina hatte, von den Eltern unbemerkt, eines Tages eine Diskussion belauscht, in der der Vater anbot, ihrer Mutter die Villa in Heidelberg sowie ein großzügiges monat­liches Taschengeld zu überlassen.

Catharina hatte nie wirklich verstanden, weshalb ihre Mutter dieses Angebot damals nicht angenommen oder was ansonsten dazu geführt hatte, dass schließlich doch die gesamte Familie Düsterweg nach Berlin umzogen war. Falls ihre Mutter gehofft hatte, sie und ihr Mann würden trotz seiner zahlreichen Affären noch einmal zu einander finden, musste ihre Hoffnung in den folgenden Jahrzehnten bitter enttäuscht worden sein.

Mit Anfang Zwanzig hatte Catharina mehrfach den Versuch unternommen, ihre Eltern von ihrem Lesbischsein in Kenntnis zu setzen, der jedoch regelmäßig daran scheiterte, dass ihre Mutter behauptete, das sei nur eine Phase. Ihr Vater hingegen vertrat sogar allen Ernstes die Ansicht, sie wolle ihn nur provo­zieren, da sie genau wisse, dass ihn der Anblick zweier sich küssen­der Frauen regelrecht ekele, wenngleich der Anblick zweier sich küssender Männer noch schlimmer sei.

Das erste Mal, als ihr Zwiegespräch mit den Eltern derart eskaliert war, hatte Catharina kaum glauben können, mit welch verletzenden und respektlosen Aussagen insbesondere ihr Vater auf ihr versuchtes Coming-out reagierte.

Es entbehrte nicht einer gewissen Ironie, dass Catharina ihrem Coming-out vor ihren Eltern mit großer Sorge ent­ge­gen­ge­blickt hatte, um dann feststellen zu müssen, dass die Eltern es gar nicht als ein solches verstanden, sondern weiterhin davon ausgingen, sie mache sowohl sich selbst als auch ihnen etwas vor.

Ein ähnliches Maß an Ironie des Schicksals sah Catharina jedes Mal dann am Werke, wenn sie daran dachte, dass aus­gerechnet ihr Vater, ihr empathieloser Vater, ein berühmter und erfolgreicher Herzspezialist und zugleich einer der Menschen war, der ihrer Ansicht nach am wenigsten vom menschlichen Herzen und dessen Irrungen und Wirrungen verstand.

„Du magst nicht darüber reden, stimmt’s?“, Maries Stimme riss Catharina aus ihren Gedanken.

Sie hatte keine Vorstellung davon, wie lange sie geschwiegen und sich in Erinnerungen verfangen hatte. Erst der Blick auf Maries Bild ließ sie annehmen, dass sie mehrere Minuten lang getag­träumt hatte. Sie hielt noch immer eine der Tassen in der Hand und stellte fest, dass die Kakaoreste in der Zwischenzeit an­getrock­net waren.

„Das ist es nicht, meine Süße. Es ist nur recht kompliziert zu erklären, warum es mit Martin und mir als Ehepaar nicht mehr gepasst hat, und ich weiß noch nicht, wo ich anfangen soll. Aber ich verspreche dir, eines Tages werde ich versuchen, dir das zu erklären. Nur heute schaffe ich das nicht. Es ist auch schon ziemlich spät, und ich vermute, deine Mama wartet schon auf dich.“

Marie widersprach nicht.

Doch sie sah etwas betrübt aus, als sie anfing, ihre auf dem Küchentisch verstreuten Schul- und Malsachen einzupacken. Ob sie betrübt war, weil sie nicht mehr erfuhr oder weil der gemüt­liche Kakao- und Kuchennachmittag zu Ende ging, konnte Catha­rina nur mutmaßen. Vielleicht war es eine Mischung aus beidem, wobei Marie tapfer versuchte, sich ihre Ent­täuschung nicht anmerken zu lassen.

Jule schien die Aufbruchsstimmung ebenfalls wahrzunehmen. Wäh­rend sie eben noch zusammengerollt und leise schnurrend neben Marie auf der Küchenbank gelegen hatte, streckte sie nun die Glieder, sprang von der Bank und strich um Maries Beine, während die beiden zur Wohnungstür gingen.

Kam es Catharina nur so vor, oder umarmte Marie sie an diesem Tag wirklich ein bisschen länger und fester, bevor sie sich mit ihrem typischen „Hab dich lieb“ verabschiedete und die Stufen runter zur eigenen Wohnung hüpfte?

Worte wie wir

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