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Sie trafen sich seit fast einem Vierteljahrhundert hier, einmal im Monat, egal, was geschah. Und obwohl das Hinterzimmer des »Dionysos« roch, wie es seit Jahrzehnten roch – fettig, suppig, ungesund, passend zum Licht, das wie leberkrank durch die Fensterscheiben fiel –, hatten sie alle der Versuchung widerstanden, sich einen netteren Ort zu suchen.

Während Will Bastian auf die anderen wartete, studierte er die Fotos der Fußballmannschaften, die an der Wand hingen. Das, auf dem er neben Thomas Czernowitz, Max Winter, Michel Debus und Julius Wechsler hockte, hatte er lange nicht mehr betrachtet. Es machte verdammt melancholisch, wenn man sich mit der Tatsache konfrontiert sah, daß das Haar früher voller und die Taille entschieden schlanker gewesen war. Die anderen waren auch nicht hübscher geworden im Laufe der Jahre, aber sie hatten es wenigstens zu etwas gebracht. Thomas war Staatsanwalt, Max führte ein beliebtes Luxusrestaurant, Michel Debus besaß eine ganze Flotte antiker Automobile, und Julius Wechsler war Immobilienmakler, der nicht wußte, wohin mit dem Geld.

Iannis steckte den Kopf zur Tür herein und zog fragend die Augenbrauen hoch.

»Mach mir schon mal ein Bier«, sagte Will.

Noch vor dem Pils kamen Max, Julius und Michel, Max wie immer mit drei Flaschen unter dem Arm.

Er brachte schon seit Jahren den Rotwein mit, was Iannis mit schmerzverzerrtem Gesicht duldete. Schließlich war man auch als schlichter Wirt einer griechischen Kneipe stolz darauf, daß so prominente Frankfurter sich hier blicken ließen, selbst wenn sie glaubten, etwas Besseres trinken zu müssen als seinen Hausschoppen.

Will blieb stehen, während sich die anderen an den runden Tisch setzten, und betrachtete seine alten Kumpels mit Rührung und Ungeduld. Ihre Blicke waren auf Julius Wechsler gerichtet, als ob er das Orakel wäre. Und wie der dasaß, das Gesicht in Dackelfalten gelegt, den schweren Leib weit zurück in den Stuhl gelehnt, so daß der Bauch sich zu einem Hügel wölbte, wirkte er wie ein grundgütiger Landesfürst, dem seine Untergebenen huldigen.

Der Dicke hob das Glas an die normalerweise mißmutig nach unten gefaltete Nase, schwenkte es, sog das Bukett ein, nickte anerkennend, nahm einen Schluck, rollte ihn im Mund herum, horchte dem Geschmack hinterher, schmatzte ausgiebig und stellte das Glas mit aufforderndem Blick zurück auf den Tisch. Max goß nach, die andere Hand hinter dem Rücken, ganz Ihro untertänigster Diener.

Julius tut noch immer so, als ob er die Kunst des Weintrinkens erfunden hätte, dachte Will und sagte »Prost!«

Julius starrte ihn an. Das tat er gern, jemanden niederstarren, der es an Respekt fehlen ließ oder etwas Falsches gesagt hatte. Manchmal tat er es wahrscheinlich nur, um nicht aus der Übung zu kommen.

»Guter Winzer, großer Jahrgang«, sagte Winter. »Hallo, Will.«

Will hob die Hand, lächelte in die Runde und setzte sich neben Michel Debus. »Wo ist Marcus?«

»Keine Ahnung. Er hat sich nicht abgemeldet. Che auch nicht«, sagte Michel.

Das war ungewöhnlich. Marcus genoß ihre Zusammenkünfte immer noch, vielleicht am meisten von ihnen allen. Früher war er schüchtern gewesen, ein schmaler Junge mit Brille und dunkler Lockenmähne. Nicht nur Will hätte ihm seine Karriere damals nicht zugetraut, auch nicht, nachdem er eines Tages mit kurzen Haaren und entschlossenem Gesichtsausdruck zum Stammtisch gekommen war. Marcus war der erste von ihnen gewesen, der erwachsen wurde.

Che wiederum mochte es gar nicht, wenn man ihn noch so nannte, weshalb alle es taten. Er kam oft zu spät, immer natürlich wegen eines besonders wichtigen Falls, den nur Staatsanwalt Thomas Czernowitz lösen konnte.

»Und was gibt’s sonst Neues?«

»Da bist doch erst mal du dran, oder?« Max feixte.

Iannis kam mit dem Bier, und Will nahm einen tiefen Zug, bevor er antwortete. Vera telefonierte manchmal mit Max’ Verflossener, er hätte sich ja denken können, daß sie geplaudert hatte. Er stellte das Glas gut hörbar ab. »Vera und ich haben uns getrennt. Ich wohne zur Zeit bei meinem Vater. Thema durch.«

»Glückwunsch!« Michel Debus lächelte anerkennend. Ob sich das auf die Trennung von Vera bezog oder auf die neue Lebensgemeinschaft mit einem 82jährigen? Michel wohnte in einer schlampigen Altbauwohnung mit zwei anderen Kumpels. Sein behindertes Kind lebte bei der Mutter.

»Wenn du drüber reden willst ...« Max guckte ihn mit treuen blauen Augen an, wie der verständnisvolle Freund aus der Männergruppe.

Will verzog keine Miene. »Ich ziehe in die Wohnung meiner Eltern zu meinem pflegebedürftigen Vater, Max, das ist alles.«

»Hattest du nicht so deine Probleme mit deinem Alten?« nuschelte der Dicke ins Rotweinglas.

»Hatten wir die nicht alle?« Max lächelte milde. »Mit den autoritären Säcken? Wenn Vati vom Krieg erzählt?«

Hab’ ich noch immer, dachte Will.

»Im Alter wird man eben versöhnlich.« Julius Wechsler sah nicht so aus, als ob das auch auf ihn zutraf.

Max schob Will ein Rotweinglas hinüber. »Und was soll mir mein Gerede von vorvorgestern?«

Man konnte sich auf seine Freunde verlassen. Irgendeinem fiel immer ein besonders dummer Spruch ein.

»Laß das Bier, probier den Rotwein und mach nicht so’n Gesicht«, sagte Max. »Und schön langsam trinken. Mit Verstand. Der Stoff ist gut.«

Michel Debus lächelte Will kurz zu, um sich dann wieder mit gesammelter Aufmerksamkeit Julius Wechsler zuzuwenden, der mit gesenktem Stierkopf, die Hand um den Fuß des Rotweinglases gelegt, auf Max einredete. Wills Erinnerung warf ihm wie ein maliziöses Teufelchen ein paar Bilder zu, die nicht ganz zu diesem edlen Tableau vom Herrn und seinen Jüngern paßten.

Wie Julius laut jammernd über das Fußballfeld hoppelte, weil Michel ihn angeblich gefoult hatte. Wie er am Telefon seine damalige Flamme anflehte, ihn nicht zu verlassen. Wie er sich von Thomas bei der Examensarbeit helfen ließ und von Michel beim Führerschein.

Plötzlich schämte sich Will für die alten Kumpels. Früher hatten sie den Dicken nicht für voll genommen. Heute bukkelten sie vor ihm. Nur, weil er Geld hatte. Und Einfluß.

Michel hatte das Skatspiel aufgenommen und mischte.

Iannis warf einen Blick ins Zimmer und zog sich gleich wieder zurück. Max Winters Mobiltelefon gab schnarrende Geräusche von sich, er starrte aufs Display und bellte dann »Jetzt nicht« hinein.

»Wer gibt?« fragte Julius.

Drei Minuten später kam Thomas Czernowitz. Er sah noch bleicher und sauertöpfischer aus als sonst, wie er da in der Tür stand, die Arme links und rechts gegen den Rahmen gestützt.

»Habt ihr’s schon gehört?«

»Na sag schon«, sagte Max und nahm zwei Karten auf.

Czerno holte tief Luft. »Marcus ist tot.«

»Was?« Michel hatte die Hand vor den Mund gelegt. Julius verzog keine Miene. Max schüttelte den Kopf.

Und Will fühlte sich, als ob ihm jemand in die Magengrube geschlagen hätte.

Will Bastian ging als erster. Der Weg vom »Dionysos« nach Hause war länger, seit er im Westend wohnte. Er fühlte die kühle Nachtluft auf seiner Stirn und freute sich einen unvorhergesehenen Moment lang auf den Frühling, nach dem es heute das erste Mal zu riechen schien.

Vor dem Gyros-Imbiß an der Bockenheimer Warte standen sie Schlange, Jungen und Mädchen mit glatten Gesichtern, die Will geradezu unanständig jung vorkamen. Ihm machte der Geruch nach Hammelfleisch und Knoblauchsauce keinen Appetit mehr, und nach der Disco verlangte ihn auch nicht. Flirten war eh nicht mehr angesagt, in seinem Alter, in dem man mit einem Fuß im Grabe stand.

Marcus Saitz war, wenn er sich richtig erinnerte, gerade mal zwei Monate älter als er. So jung und schon tot. Von einer Minute auf die andere. Plötzlicher Herztod, hatte Che mit wichtiger Miene diagnostiziert. Das ist genetisches Schicksal, hatte Julius behauptet. Womit er wahrscheinlich vorsorglich behaupten wollte, daß weder Sport noch gesunde Lebensführung dieses Schicksal abwenden konnten.

Tot ist tot, dachte Will. Was interessiert da noch das Warum und Weshalb? Er vermißte Marcus – er war der Netteste der ganzen Bande gewesen. Und Marcus hatte sie alle geliebt, völlig unverdienterweise – sie waren seine Familie gewesen, all die Jahre über. Er war der einzige von ihnen, der ganz und gar ohne Zynismus von Freundschaft sprach.

Auf der Bockenheimer Landstraße war es ruhig. Will nahm die Abkürzung durchs nördliche Westend, vorbei am amerikanischen Konsulat. Am ehemaligen Konsulat. Er erinnerte sich nicht daran, die Siesmeyerstraße jemals ohne Stacheldrahtverhaue gesehen zu haben. Sie gehörten hier zum Stadtbild, ebenso wie ein handlicher kleiner Wasserwerfer und gelangweilte Polizisten, die im Wagen warteten, daß etwas passierte – und nun waren die Amerikaner umgezogen, und die Szene überraschte mit ihrer Normalität. Fast vermißte er etwas.

Gut, daß man nicht weiß, wie viele Jahre einem noch bleiben. Will fürchtete sich plötzlich mehr vor dem Alleinsein als vorm Sterben. Vor einem tristen, grauen, frauenlosen Leben in einer ungelüfteten Wohnung mit Pflegefall. Dann lieber tot sein.

Die Hansaallee wirkte wie aus dem Museumsdorf im schummrigen Licht der Straßenlaternen, nur das Jugendstilhaus an der Ecke war hell angestrahlt. Will öffnete die Haustür mit einer seltsamen Mischung aus Erwartung und Melancholie. Seine neue Wohnung war die alte Wohnung – wer hätte das gedacht? Niemals hätte er sich früher vorstellen können, wieder in die Wohnung seiner Eltern zurückzukehren – woran man sieht, wie wenig Vorstellungsvermögen man hat, wenn man jung ist.

Er war außer Atem, als er im 4. Stock ankam und fragte sich, wie sein Vater das schaffte, der mindestens einmal am Tag »an die frische Luft« mußte, um einzukaufen oder wenigstens soldatisch-streng einen »strammen Marsch« zu absolvieren. Vor der Wohnungstür holte er tief Luft. Erst war es der falsche Schlüssel, den er ins Schloß zu stecken versuchte. Und dann ließ sich die Tür nur einen Spalt weit öffnen. Will spürte, wie ihm der Schweiß auf die Stirn trat. Er lehnte sich gegen die Tür und drückte. Er rief, erst leise, dann lauter. Dann sah er den Schuh, Filz, schmutziggelbbraunes Karo, hinten an den Fersen abgetreten und abgenutzt, die Nähte schimmerten durch wie bloßgelegte Sehnen. Will stemmte sich mit aller Kraft gegen die Tür und zwängte sich hinein.

Karl Bastian lag auf dem Boden, im Morgenmantel. Das Flurlicht war an, den alten Herrn mußte es auf dem Weg zur Toilette erwischt haben, wahrscheinlich halb im Traum. Friedlich sieht er aus, dachte Will, gerührt vom Anblick eines weißen Fußes, Greisenmarmor, blaugeädert und schmal. Er ließ seinen Blick nach oben gehen. Die linke Hand lag am Aufschlag des Hausmantels, die gekrümmten Finger weiß wie Gips. Und das Gesicht. Eine Totenmaske, dachte Will und schloß die Wohnungstür, bevor er sich neben seinen Vater kniete. Der gab ein schmatzendes Geräusch von sich und öffnete die Augen.

»Hallo Willi«, flüsterte er.

Will stieß den angehaltenen Atem aus und versuchte zu lächeln, obwohl er am liebsten »Wie kannst du mich bloß so erschrecken« geblafft hätte.

»Was guckst du so?« Karl Bastian zog die Brauen zusammen und blickte dann an sich hinunter. »Und was ist hier eigentlich los?«

»Du gehörst ins Bett.« Will faßte den Alten unter die Achseln und versuchte ihn aufzurichten. Sein Herz klopfte noch immer viel zu heftig. Der alte Herr hing in seinen Armen wie ein Mehlsack. Karl Bastian war weißhaarig, knochig, zäh und 82 Jahre alt, aber kein ausgemergelter Greis. Will schob den Teppich beiseite, über den auch er schon gestolpert war. Man sollte ihn zusammenrollen und wegpacken. Aber er wußte, was sein Vater dazu sagen würde: »Den hat Mutter gekauft!« Und was Karl Bastians Frau angeschafft hatte, war heilig.

Will wehrte sich nur halbherzig gegen das schlechte Gewissen, das sich anschlich. Er hätte vielleicht’ zu Hause bleiben sollen, Karl Bastians vorhersehbarer Verfall war schließlich der Grund, warum Will bei ihm eingezogen war – nicht der einzige Grund, aber der einzige, den man vorweisen konnte.

Er spürte ein ungewohntes Gefühl in der Kehle und in den Augen. Flennen? Vor Rührung? Er? Schließlich hatte er dem alten Knacker oft genug den Tod an den Hals gewünscht, wieso dann Krokodilstränen, bloß weil man für kurze Zeit hatte glauben können, das Ende sei eingetreten?

Als Karl Bastian endlich stand, knickte er gleich wieder ein. Will legte ihm den Arm um die Schultern, zart wie Vogelknochen, dachte er in einem weiteren Anfall von Zärtlichkeit.

Der Alte fluchte vor sich hin, als er, auf Will gestützt, zum Bett hinkte.

»Soll ich nicht doch besser den Notarzt anrufen?« Will zog ihm den Morgenmantel von den Schultern und half ihm ins Bett.

»Untersteh dich!« Karl Bastian schüttelte den Schädel, auf dem sich die Haare wie weiße Vogelfedern sträubten, und zog die Bettdecke hoch bis unters Kinn. Als Will unschlüssig stehenblieb, drehte er sich zur Wand und raunzte: »Mach, daß du rauskommst.« Will schloß die Tür rücksichtsvoll leise hinter sich und durchquerte auf Zehenspitzen den Flur, bis er merkte, wie er sich aufführte. Wie eine Glucke. Wie Mutter.

Er sah sich im Garderobenspiegel vorbeigehen. Wie Vater. Der gleiche viel zu lange Oberkörper, leicht vornübergebeugt. Der gleiche wirre Haarschopf – nur war seiner noch nicht weiß. Will ging ein paar Schritte zurück und sah sich ins Gesicht, was er normalerweise sogar beim Rasieren vermied. Die gleichen großen blaugrauen Augen. Die gleichen scharfen Linien zwischen Nasenflügeln und Mundwinkeln. Er sah dem Alten immer ähnlicher. Schlimmer noch: Er wurde ihm immer ähnlicher. Will drehte seinem Spiegelbild den Rücken zu.

In der Küche stand eine Flasche Rotwein auf dem Kühlschrank, viel war nicht mehr drin. Der Alte bevorzugte den billigsten Rotspon aus dem Supermarkt, im Grunde war es ihm egal, was er abends trank: Hauptsache, es enthielt Alkohol und machte müde. »Rotwein ist für alte Knaben eine der ...« Der dumme Spruch reimte sich auf Gaben, aber Will fiel partout nicht das dazugehörige Adjektiv ein. Er wischte mit dem benutzten Küchenpapier, das Karl liegengelassen hatte, über den Kühlschrank und ging hinüber in sein Zimmer.

Seltsam, wieder hier zu sein. Es war auch keine Entschuldigung, daß Vera ihn rausgeschmissen hatte aus der gemeinsamen Wohnung und daß er bei der Zeitung gekündigt hatte, bevor sie ihm mitteilen konnten, daß er zur Avantgarde der Mitarbeiter gehören würde, auf deren Dienste wir, leider, aber die konjunkturelle Lage, wir bedauern nichts mehr als das, werden verzichten müssen. Die Abfindung hatte er sich mit diesem heroischen Schritt der Selbstbestimmung natürlich auch entgehen lassen.

Er hatte bei den.Kollegen verbreitet, er wolle endlich das Buch schreiben, das er schon seit Jahren plane – über die Frankfurter Nachkriegsarchitektur. Ein Sabbatical einlegen. Nachdenken über die Zukunft des Journalismus, Deutschlands und der Welt und sich neu positionieren auf dem Feld der Möglichkeiten. Als sie verlegen zur Seite blickten, während er gute Laune mimte, gab er es auf und zählte die Tage, bis er endlich gehen konnte.

Das Nützliche mit dem Unvermeidlichen verbinden. Ja ja. Man macht sich auch in reiferen Jahren noch Illusionen.

Im Bett dachte er an den letzten Tag, den er in dieser Wohnung verbracht hatte, bevor er nach dem Abitur ausgezogen war – natürlich in eine Wohngemeinschaft. Max und Julius wohnten bereits in der großen dunklen Altbauwohnung, in einer Seitenstraße hinter der Häuserreihe, an deren Stelle heute die Zwillingstürme der Deutschen Bank standen, verspiegelte Glaspaläste, 158 Meter hoch.

Karl hatte die monatliche Überweisung um hundert Mark gekürzt, obwohl Will nach seinem Auszug teurer lebte, weil er ja Miete zahlen mußte. »Wenn du endlich was Vernünftiges studierst, Willi, unterstütze ich dich gerne, aber für brotlose Kunst gibt’s bei mir nichts.« Sogar Marga hatte den Alten nicht überzeugen können. »Musik! Und Soziologie! Was für ein hirnverbrannter Blödsinn!«

Mit hochrotem Kopf hatte sein Vater im Flur gestanden, er trug noch den Geschäftsanzug, er war gerade erst zurück-gekommen aus »der Firma«.

Will stand mit gepackten Sachen an der Wohnungstür. Der Abschied von seiner Mutter war tränenreich geworden, am liebsten hätte er mitgeweint. Es lenkte ab, sich über den Alten zu erregen. »Ich will herausfinden, warum Leute wie du so geworden sind!« schleuderte er seinem Vater entgegen.

»Wie was?« Karl war rot geworden im Gesicht und hatte sich hinter den Krawattenknoten gegriffen, um ihn zu lokkern.

»Wie ein Betonkopf!«

Will zog sich die Bettdecke unters Kinn und verzog den Mund. Wenigstens hatte er nicht »wildgewordener Spießer« oder »faschistoider Kleinbürger« gesagt, aber das geriet damals gerade aus der Mode.

Karl Bastian hatte nur »Raus!« gebrüllt.

Will seufzte und drehte sich auf die Seite. Und jetzt kehrte der verstoßene Sohn reumütig zurück. Auch wenn es nur Frikadellen gab und kein gemästetes Kalb.

Im Halbschlaf dachte er an Marcus und sandte ihm schöne Grüße hoch zur Wolke, auf der er ihn sitzen sah. Es gab eindeutig Schlimmeres als Frikadellen beim Vater. Noch war das Leben besser als der Tod.

Sauberer Abgang

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