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3.2.1 Rundfunkrechtliche Regulierung

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Im Hinblick auf die rundfunkrechtlich besonders wichtige Frage der Regulierung des Zugangs zu den teilweise knappen Übertragungskapazitäten des wichtigsten Rundfunkverbreitungsweges sind die Regelungen zu Art, Weise und Umfang der (hoheitlichen) Kabelbelegungsvorschriften in allen Mitgliedstaaten der europäischen Union seit jeher von herausragender Bedeutung. Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat in Art. 31 Universaldienstrichtlinie (UDRL)[63] einen technologieneutralen Regulierungsansatz für alle Infrastrukturbetreiber gewählt und hierbei trotz des Grundsatzes der Inhaltsneutralität des europäischen TK-Rechtsrahmens einen Ausgleich zwischen den Interessen des Rundfunks einerseits und den Interessen der Eigentümer der jeweiligen Übertragungsinfrastrukturen andererseits geschaffen. In Anbetracht der zunehmenden Wahlfreiheit der Verbraucher bzgl. des genutzten Empfangsweges und des starken Infrastrukturwettbewerbes wurde in Art. 31 UDRL festgelegt, dass die Mitgliedstaaten nur dann Infrastrukturbetreibern zumutbare Übertragungsverpflichtungen für Rundfunkdienste auferlegen dürfen, wenn diese Netze von den Nutzern als Hauptmittel zum Empfang von Rundfunkprogrammen genutzt werden. Überdies dürfen derartige Übertragungsverpflichtungen nur auferlegt werden, soweit sie zur Erreichung klar umrissener Ziele von allgemeinem Interesse erforderlich sind; sie müssen verhältnismäßig und transparent sein und regelmäßig überprüft werden. Diese gemeinschaftsrechtliche Vorgabe des Art. 31 UDRL wurde im Hinblick auf die analogen Kabelbelegungsvorschriften formell und nur teilweise in § 51b Abs. 3 RStV übergeleitet, ohne jedoch diese „Rahmengesetzgebung“ inhaltlich auszufüllen. Danach sind landesrechtliche Regelungen zur analogen Kanalbelegung für den Rundfunk zulässig, soweit sie zur Erreichung klar umrissener Ziele von allgemeinem Interesse erforderlich sind. Insbesondere können diese Vorgaben zur Sicherung einer pluralistischen, am Gebot der Meinungsvielfalt und Angebotsvielfalt orientierten Medienordnung getroffen werden. Folglich unterliegen die Kabelnetze rundfunkrechtlichen Regulierungen unterschiedlichster „Landesfärbung“, die die jeweils zuständige Landesmedienanstalt berechtigen, zum Zweck der Meinungsvielfaltsicherung den Kabelnetzbetreibern per Verwaltungsakt konkrete Vorgaben hinsichtlich der Belegung der Kabelkanäle mit bestimmten Programmangeboten (sog. must-carry Programme) zu machen. Im Rahmen der rundfunkrechtlichen Netzregulierung ist jedoch zu beachten, dass die must-carry Regelungen in Abhängigkeit davon, ob es sich um analog oder digital verbreitete Rundfunkprogramme handelt, in Struktur und Umfang sehr unterschiedlich sein können.

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Aufgrund der das Angebot weit übersteigenden Nachfrage nach analogen Übertragungskapazitäten unterliegt die analoge Kabelbelegung einer sehr restriktiven Zugangsregulierung, die gem. § 51b Abs. 3 RStV der jeweiligen Ausgestaltung durch den Landesgesetzgeber unterworfen ist. Die Bundesländer haben ihre diesbezügliche Ausgestaltungsfreiheit in Anspruch genommen, weshalb die jeweiligen Kabelbelegungsvorschriften somit sehr unterschiedlich ausgeprägt sind. Während in einigen Bundesländern eine liberale Regulierung den Kabelnetzbetreibern in gewissem Umfang einen Belegungsfreiraum zubilligt,[64] werden in anderen Bundesländern ausnahmslos alle verfügbaren analogen Kabelkanäle von Belegungsvorgaben der Landesmedienanstalt erfasst,[65] obwohl sich die gesetzgeberische Zielsetzung allein in der Verhinderung von Meinungsmonopolen durch Gewährleistung eines vielfältigen Programmangebots erschöpft.[66] Ein solches vollständiges analoges Kabelbelegungsmonopol einer Landesmedienanstalt ist nach weitverbreiteter Auffassung mit dem Grundsatz einer verhältnismäßigen Ausgestaltung der Belegungsvorgaben nicht vereinbar.[67] Auch die Europäische Kommission sah die Umsetzung der Universaldienstrichtlinie in Deutschland als unzureichend an und leitete ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland ein.[68] Deshalb war es lange Zeit umstritten, ob die unionsrechtlichen Bestimmungen des Art. 31 Universaldienstrichtlinie[69] einer Vollbelegung des analogen Kabelnetzes durch die Landesmedienanstalten entgegensteht. Dennoch hat der EuGH in einem Urteil v. 22.12.2008 den Mitgliedsstaaten die Befugnis für ein umfassendes Belegungsregime bis zur Vollbelegung zugestanden, obwohl der Wortlaut der Universaldienstrichtlinie ("bestimmte Fernsehkanäle") für ein gegenteiliges Ergebnis spricht.[70] Ein wesentlicher Grund für die Annahme der Verhältnismäßigkeit eines derart weitgehenden Regulierungseingriffes durch den Landesgesetzgeber sah der EuGH in seiner Entscheidung darin gegeben, dass der betroffene Kabelnetzbetreiber eine wirtschaftliche Kompensation für den hoheitlichen Eingriff in sein Eigentum durch die Zahlung von Einspeiseentgelten erhält, die die von der must-carry Regelung begünstigten Sendeunternehmen für die Kabelverbreitung ihrer Programme an die Kabelnetzbetreiber zahlen.

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Im Gegensatz zu der landesrechtlich sehr fragmentierten Regulierung der analog genutzten Kabelnetze wird die digitale Kabelbelegung im Rahmen der „Plattformregulierung“ bundeseinheitlich durch § 2 Abs. 2 Nr. 13 i.V.m. §§ 52, 52a und 52b RStV geregelt. Plattformbetreiber werden, sofern sie nicht einem der privilegierenden Merkmale des § 52 Abs. 1 S. 2 RStV unterfallen (privilegierte Plattformen), von der ZAK in der Regel als Plattformbetreiber i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 13 RStV eingestuft. Von Belegungsvorgaben nach § 52b RStV verschont bleiben gem. § 52b Abs. 3 RStV zudem sog. Programmplattformen, die jedoch weiterhin den technischen Plattformanforderungen nach § 52c RStV entsprechen müssen.[71]

Nach § 52b erfolgt die Belegung der Kabelnetze mit digitalen Programmen in einem dreistufigen Regulierungskonzept. Nach § 52b Abs. 1 Nr. 1 RStV werden dem Kabelnetzbetreiber zunächst Belegungsvorgaben (must-carry) für die drei digitalen Programmbouquets von ARD und ZDF, für die privaten Programmangebote, welche gem. § 25 RStV Regionalfensterprogramme verbreiten, sowie für regionale Programminhalte auferlegt. Gem. § 52b Abs. 1 Nr. 2 RStV ist der Kabelnetzbetreiber berechtigt, in einem Umfang, der der Programmanzahl der must-carry-Programme gem. Abs. 1 Nr. 1 entspricht, die digitalen Kabelkapazitäten unter Berücksichtigung von Vielfaltsaspekten selber zu belegen (can-carry). Bei der Programmauswahl darf der Kabelnetzbetreiber in diesem Vielfaltsbereich jedoch keine Programme berücksichtigen, die ihm nach § 28 RStV von Seiten der KEK zugerechnet oder von ihm exklusiv vermarktet werden, § 52b Abs. 4 RStV. Gem. § 52b Abs. 1 Nr. 3 darf der Kabelnetzbetreiber schließlich unter Beachtung der allgemeinen Gesetze die restlichen Kabelkapazitäten nach eigenen Auswahlkriterien belegen (non-must-carry).[72] Seit dem 10. RÄStV haben nach § 52b Abs. 1 Nr. 1 RStV nunmehr grundsätzlich alle öffentlich-rechtlichen Programme einen must-carry status. Dieser must-carry-Sstatus gilt derzeit jedoch nach weit verbreiteter Meinung nur für die in SD-Qualität verbreiteten Programme, so dass ein Plattformanbieter nicht verpflichtet ist, neben der Verbreitung von öffentlich-rechtlichen SD-Programmen zusätzlich auch noch die kapazitätsintensiven HD-Varianten dieser Programme zu verbreiten. Gesetzlich nicht geregelt ist jedoch die Frage, ob der must-carry status dann automatisch für HD-Programme gilt, wenn die vom must-carry-Status begünstigten Sender die SD-Verbreitung ihrer Programme auch über Satellit eingestellt haben, so dass sich ein Plattformbetreiber entweder veranlasst sieht, das ihm über Satellit zur Verbreitung zur Verfügung stehende Programm zu verbreiten oder das HD-Programm in eine SD-Qualität zu konvertieren.[73] Ferner hat der Plattformbetreiber in technischer Hinsicht Freiheiten bei der Verbreitung von Programmen, da er nicht verpflichtet ist, vorgefertigte Multiplexe/Programmpakete der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten zu verbreiten, sondern nur deren einzelne Programme bei der Verbreitung berücksichtigen muss. In gleicher Weise ist ein Plattformbetrieber nicht verpflichtet, die von Programmveranstaltern zusammen mit den Programmsignalen versendeten HbbTV-Signale zu verbreiten, da die HbbTV-Signale keinen integralen Bestandteil des Programmsignals darstellen noch einen Teletext oder eletronischen Programmführer darstellen, deren Verbreitung nach der Gesetzesbegründung zum 10. RÄStV auch von der must-carry-Regulierung des § 52b RStV erfasst sein soll. Vielmehr handelt es sich bei HbbTV Signalen um nicht-lineare vergleichbare Telemediendienste gem. § 52a Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 2 Nr. 13 RStV zu deren Verbreitung ein Plattformbetreiber nicht verpflichtet ist.[74]

Für eine Verbreitung von digitalen Hörfunkangeboten sieht § 52b Abs. 2 RStV eine entsprechende Regelung vor, die ergänzt wird in S. 3 durch Hinweise zum Verfahren bei Mischplattformen (mit Rundfunk- und Hörfunkprogrammen), die der Regelfall sind. Ob und inwieweit die landesrechtlichen Belegungsvorgaben für analoge Programme sowie die Regelung des § 52b RStV für den Plattformbetreiber unbedingte Übertragungsverpflichtungen begründet, ist derzeit Gegenstand mehrerer Gerichtsverfahren. Die öffentlich-rechtlichen Sendeunternehmen gehen nach der Kündigung ihrer Einspeiseverträge mit Vodafone und Unitymedia davon aus, dass die must-carry-Regelungen eine Verbreitungspflicht des Netzbetreibers begründen.[75] Die genannten Kabelnetzbetreiber sehen in den must-carry-Regelungen Belegungsvorgaben, bei deren Umsetzung zwischen den Sendeunternehmen und den Netzbetreibern ein entgeltlicher Einspeisevertrag abgeschlossen werden muss, der die Kompensation für die Nutzung der Übertragungskapazitäten regelt.[76]

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Der Bundesgerichtshof wurde in der Folge mit den Urteilen verschiedener Instanzgerichte befasst und machte grundlegende Ausführungen zum Verständnis der must-carry-Regulierung. Danach hat das durch einen must-carry-Status begünstigte Sendeunternehmen eine marktbeherrschende Stellung i.S.d. § 19 GWB, die dieser nicht missbräuchlich ausnutzen dürfe. Ferner seien die must-carry-Bestimmungen, die den Plattformbetreiber zu einer Einspeisung und Übertragung bestimmter gebührenfinanzierter Programme verpflichten, im öffentlichen Interesse geschaffen worden. Sie sollen danach sicherstellen, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihrem Grundversorgungsauftrag nachkommen können, dienen jedoch nicht dazu, diese wirtschaftlich zu begünstigen. Die Einspeisung und Verbreitung hat daher zu angemessenen Bedingungen zu erfolgen, deren Festlegung den Beteiligten obliegt.[77] Die Konditionen der Programverbreitung müssen zudem gem. § 52d RStV angemessen und diskriminierungsfrei ausgestaltet sein.[78]

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Neben der zentralen Vorschrift der Kabelbelegung treffen den Kabelnetzbetreiber noch weitere Vorschriften der Plattformregulierung. Der Kabelnetzbetreiber ist als Plattformbetreiber jedoch nur für eigene Programme und Dienste, nicht aber für die Inhalte Dritter verantwortlich (§ 51a Abs. 2). Ob die in den Kabelnetzen verbreiteten Programme den medienrechtlichen Anforderungen genügen, wird von den Landesmedienanstalten insbesondere im Hinblick auf die Weiterverbreitung von ausländischen Programmen überprüft. Um den Landesmedienanstalten eine derartige Überprüfung zu ermöglichen, sind die Programmveranstalter bereits einen Monat vor Beginn der Programmeinspeisung verpflichtet, im Rahmen einer Weiterverbreitungsanzeige den Landesmedienanstalten mitzuteilen, welche Programme in Zukunft in ihren Netzen digital verbreitet werden (§ 51a Abs. 2).[79] Hierbei müssen die Programmveranstalter ihre rundfunkrechtliche Lizenz vorweisen und die Einhaltung medienrechtlicher Anforderungen versichern (z.B. Jugendschutz, Abgeltung von Urheberrechten etc.). Diese Einhaltung medienrechtlicher Standards durch ausländische Programmveranstalter wird einerseits durch das im Europarecht zur Errichtung eines gemeinsamen Binnenmarktes eingeführte Anerkennungsprinzip sowie durch den Abschluss völkerrechtlicher Abkommen[80] ermöglicht.

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Als Plattformanbieter haben die Kabelnetzbetreiber ferner das Diskriminierungsverbot und Gleichbehandlungsgebot nach §§ 52c, 52d RStV zu beachten. Im Rahmen der Satzungsermächtigung des § 53 RStV haben die Landesmedienanstalten weitergehende konkretisierende Bestimmungen zur Plattformregulierung erlassen.[81]

Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht

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