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4.1 Übertragungstechnik

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Die Rundfunkverbreitung findet auch über das Internet oder unter Nutzung des Internetprotokolls statt. Insbesondere Radioprogramme werden aufgrund der geringeren Übertragungskapazitäten, die für die Live-Streams benötigt werden, bereits seit vielen Jahren von den Sendeanstalten parallel im Internet verbreitet. Vor allem durch die DOCSIS 3.0-Technologie für Breitbandkabelnetze und die DSL-Technik für Kupferdoppeladernetze wurden in den vergangenen Jahren die Übertragungsgeschwindigkeiten sehr stark erhöht, so dass auch Fernsehprogramme ohne wesentliche Qualitätsverluste über das Internet verbreitet werden können.[90] Da breitbandige Internetverbindungen in den meisten deutschen Haushalten verfügbar sind, konnte sich das Internet immer stärker als Rundfunkübertragungsweg etablieren, der in ähnlich starker direkter Konkurrenz zu Terrestrik, Satellit und Kabel steht. Anbieter wie Zattoo und Waipu verbreiten ein Portfolio linearer Rundfunkprogramme unter Nutzung der IP-Streaming- Technologie über das offene Internet an ihre registrierten Kunden (geschlossene Benutzergruppe) und auch Sendeunternehmen haben begonnen, ihre linearen Programme und einzelne Sendungen auf Abruf über eigene Websites oder entsprechende Apps den Rezipienten zur Verfügung zu stellen. Anbieter wie Netflix, AmazonPrime und Maxdome nutzen ebenfalls das Internet als Vertriebsweg für ihre bezahlpflichtigen Abonnementdienste für Filme, Serien und weitere Dienste, jedoch kann das Portal YouTube bei weitem die meisten Nutzer auf sich ziehen. Auch die traditionellen Telekommunikationsunternehmen haben ihr Produktportfolio um die neue Sparte „Rundfunk“ erweitert, um den Kunden ein sog. „Triple Play-Angebot“ unterbreiten zu können. Insbesondere die dem Internet „angeborene“ Abruffunktionalität, die durch den Aufbau einer rückkanalfähigen Punkt-zu-Punkt-Verbindung stets gegeben ist, ermöglicht es, über das Internet Filme als video-on-demand Dienste anzubieten. Durch diese individuelle Zugriffsmöglichkeit auf eine virtuelle Videothek hat das Internet eine erhebliche Auswirkung auf die Veränderung der allgemeinen Nutzungsgewohnheiten und das Wettbewerbsverhältnis der Distributionswege.[91] Dies hat auch erheblichen Einfluss auf die medienrechtliche Einordnung bzw. Abgrenzung von Diensten als Rundfunk, Medien- oder Teledienste.[92] Die Landesmedienanstalten haben sich von ihren früheren Festlegungen abgewendet und qualifizieren Rundfunkangebote, die über das Internet bzw. unter Nutzung des Internetprotokolls verbreitet werden, grundsätzlich als Rundfunk i.S.d. § 20 RStV.

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Technisch ist jedoch zwischen Web-TV bzw. Internet-Fernsehen im allgemein zugänglichen world wide web und IPTV zu unterscheiden. Das Web-TV nutzt die Streaming-Technologie in Form von Live-Streams, die zeitgleich mit den über andere Verbreitungswege verbreiteten Programminhalten im Internet jedem Nutzer zur Verfügung gestellt werden (z.B. Zattoo, Waipu, Apps der Sendeunternehmen, etc.). Trotz des notwendigen Aufbaus einer entsprechenden Verbindung zwischen dem Nutzer und dem Server, über welchen der Live-Stream zur Verfügung gestellt wird, handelt es sich bei Live-Streams um linear verbreitete Rundfunkangebote, da sie ohne zeitliche Verzögerung an die Allgemeinheit „gesendet“ werden. Davon zu unterscheiden sind Programminhalte, die auf Servern zum individuellen zeitversetzten, nicht-linearen Abruf zur Verfügung gestellt werden (z.B. Abrufinhalte in Mediatheken, Netflix, Maxdome, etc.); diese Abrufangebote werden in der Regel rechtlich als Telemedien qualifiziert. Für die Bereitstellung von Abrufinhalten wurden unterschiedlichste Begrifflichkeiten entwickelt, die meist nicht trennscharf verwendet werden. Audiovisuelle Abrufinhalte fallen grundsätzlich unter den technischen Oberbegriff Video-On-Demand (VoD), wobei aus wirtschaftlicher Sicht unter VoD in erster Linie Programmplattformen verstanden werden, die Programminhalte zum kostenpflichtigen Abruf bereitstellen; entweder Bezahlung je Film (Transactional VoD) oder monatliche Abonnements für eine Filmbibliothek (Subscriptional VoD). Mit dem Begriff „Catch-Up TV“ werden hingegen Inhalte bezeichnet, die meist noch 7 Tage nach der linearen TV-Verbreitung auf Video-On-Demand-Plattformen kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Noch kürzer verfügbar sind Programminhalte beim sog. Instant Re-Start bzw. Start-Over, da bei dieser Abruffunktionalität ein bereits laufendes lineares Rundfunkprogramm nochmals von Anfang an gestartet werden kann, so lange die Sendezeit des Programms noch nicht beendet ist. Als „Podcasts“ werden hingegen in der Regel audiovisuelle Inhalte bezeichnet, die ähnlich wie Catch-Up-TV zum kostenfreien Abruf bereitgestellt werden. Erfolgte die Nutzung der Abrufinhalte bislang meist am Computer, ermöglichen die VoD Plattformen von Kabelnetzbetreibern und DSL-Anbietern sowie hybride TV-Geräte, die einen Internetzugang über Funkverbindungen aufbauen, oder Zusatzdienste wie Google-TV eine Verschmelzung zwischen Fernsehen und Internet, so dass das TV-Gerät immer mehr zu einem Bilddarstellungsgerät wird, auf dem die unterschiedlichsten Inhalte linear oder nicht-linear genutzt werden können. Das Web-TV bzw. die Videonutzung im Internet gewann auch wegen der komfortablen Zugriffsmöglichkeit über Apps in den letzten Jahren großen Zuspruch. Insgesamt zeigt sich der Trend zur meist komplementären Nutzung von internetbasierten Rundfunk und Video-On-Demand-Inhalten auch in der stetig steigenden Anzahl von interaktiven TV-Geräten, die mit dem Internet verbunden sind (sog. iDTV), wobei auch Laptops, Spielkonsolen, Streamingboxen etc. immer stärker genutzt werden.[93] Dieser Wachstumstrend setzt sich beständig fort, insbesondere bei jüngeren Nutzergruppen.

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Von diesen Formen des „Internet-Fernsehens“ ist der speziellere Begriff „IPTV“ abzugrenzen, der jedoch ebenso wenig ein legal definierter Begriff ist. IPTV ist die Bezeichnung eines Übertragungsstandards, der die Rundfunkverbreitung unter Verwendung des Internet-Protokolls ermöglicht. In der Praxis wird unter IPTV jedoch meist die lineare Verbreitung von Rundfunkprogrammen unter Nutzung des Internetprotokolls über DSL-Netze verstanden.[94] Die Einschränkung des Begriffsverständnisses auf die Übertragung über DSL-Netze ist jedoch grundsätzlich nicht zutreffend, da die Rundfunkübertragung unter Verwendung des Internetprotokolls auch über alle klassischen Verbreitungswege realisiert werden kann, und angesichts der technischen Konvergenz ist es in Zukunft nicht fernliegend, dass sich dieser IP-basierte Übertragungsstandard auch in den herkömmlichen Infrastrukturen durchsetzen wird.

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Anders als beim Web-TV werden im Rahmen des IPTV einem zuvor registrierten Nutzerkreis Rundfunkprogramme zugeleitet, wobei der Empfang über einen an das DSL-Modem angeschlossenen speziellen Decoder erfolgt, der die Darstellung der Programme auf dem Fernsehgerät ermöglicht. Die Programme werden von den Telekommunikationsunternehmen innerhalb der eigenen Infrastruktur nur in den zur Rundfunkübertragung reservierten Übertragungskapazitäten verbreitet. Hierbei wird die IP-Multicast Funktionalität verwendet, mit Hilfe derer ein Inhalt nicht mehr jedem einzelnen Nutzer gesondert zugesendet wird (Unicast), sondern es werden mehrere Nutzer in eine Gruppe zusammengefasst, der Inhalt nur einmal an diese Gruppenadresse gesendet und erst im letzten Netzknotenpunkt im DSLAM für mehrere Empfänger vervielfacht.[95] Durch das IP-Multicast werden große Mengen an Übertragungsbandbreiten eingespart und somit eine wesentliche Voraussetzung zur Realisierung von IPTV geschaffen. Trotz der Verwendung des IP-Multicast werden noch immer hohe Bandbreiten für die IPTV-Verbreitung benötigt. Deshalb können IPTV-Angebote in der Regel nur in Netzen vermarktet werden, die entsprechend hohe Übertragungskapazitäten von meist über 16 Mbit/s bereitstellen und dadurch einen ausreichenden Qualitätsstandard gewährleisten.[96] Die Übertragung von bandbreitenintensiven HD-Programmen über IPTV-Netze erfolgt in der Regel erst bei verfügbaren Bandbreiten von ca. 50 Mbit/s.

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