Читать книгу Auf die leise Weise - Anne Heintze - Страница 10
ОглавлениеINTROVERSION UND HOCHSENSIBILITÄT
In meiner Arbeit fiel mir sehr schnell auf, wie viele hochsensible Menschen gleichzeitig introvertiert sind. Das liegt einfach in der Natur dieser Veranlagung. Wenn du introvertiert bist, könnte es also gut sein, dass du auch hochsensibel bist, es muss aber nicht so sein. Wenn du den Zusammenhang verstehst und für dich selbst begreifst, ist das eine enorme Hilfe auf deinem Weg zu dir selbst.
AUFS HÖCHSTE SENSIBEL
Der Begriff »Hochsensibilität« wird für Menschen verwendet, die über ein besonders sensibles Nervensystem verfügen und intensivere Wahrnehmungen über ihre fünf Körpersinne erleben als Normalsensible. Viele sind ebenfalls hochsensitiv und haben einen ausgeprägten »sechsten Sinn«. Sie spüren die Stimmungen anderer Menschen sehr intensiv, nehmen Veränderungen im Betriebsklima deutlich wahr, haben eine stark ausgeprägte Intuition bis hin zu medialen Fähigkeiten.
VIEL REIZ – VIEL RÜCKZUG
Ein überaus sensibles Nervensystem passt nun auch ganz wesentlich zu introvertierten Menschen. Diese sind feinfühliger für Stimulationen jeder Art und benötigen daher zumindest phasenweise eine ruhigere Umgebung, um sich wohlzufühlen und in Balance zu bleiben. Während Extrovertierte auch nach einer längeren Zeit unter vielen Menschen und ohne Zeit für sich selbst noch voller Energie sind, suchen Introvertierte viel schneller nach einer kleinen Auszeit, um sich zu regenerieren. Ein Grund kann in der Hochsensibilität liegen. Intros weisen ebenso wie Hochsensible in vielen Situationen eine höhere Gehirnaktivität auf. Es werden einfach mehr Reize ins Bewusstsein vorgelassen und dort gründlicher verarbeitet. Dies führt natürlich schnell zur Überforderung und zu einer Reizüberflutung. Und selbst wenn schon keine neuen Reize mehr eintreffen, bleibt dieser hohe Aktivitätsstand erhalten. Eine Auszeit ist nun dringend notwendig, damit das nervliche Erregungsniveau absinken kann.
NUTZE DEIN WISSEN ÜBER DICH SELBST
Es ist wichtig, nicht gegen die eigene Natur, sondern im Einklang damit zu leben. Da introvertierte und extrovertierte Menschen unterschiedliche Stimuli benötigen, muss jeder für sich die passende Dosis finden: weder zu viele noch zu wenige Reize. Die richtige Stimulation sorgt für maximales Wohlbefinden und höchste Leistungsfähigkeit. Zu wenig wäre langweilig, zu viel überfordernd.
Stell dir vor, du bist auf einer Party und amüsierst dich prächtig. Doch irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem du dich zurückziehen und nach Hause gehen möchtest, statt die ganze Nacht durchzufeiern. Dann ist es besser, sich zum richtigen Zeitpunkt zu verabschieden und somit einen gelungenen Abschluss zu finden. Wer mich kennt, nickt jetzt mit dem Kopf. Ich habe mir meinen Ruf in diesem Zusammenhang schon vortrefflich ruiniert. Aber damit lebt es sich leichter. Auf Partys bin ich meist die Letzte, die kommt, und die Erste, die geht. Ich habe es schon fertiggebracht, eine Silvesterfeier um 23 Uhr zu verlassen, weil es mir zu laut und zu anstrengend war. Bei eigenen Einladungen konnten meine Gäste schon öfter erleben, dass ich einfach ins Bett gegangen bin. Meine Freunde kennen das und denken sich nichts dabei. Wenn ich morgens wieder auf bin, ist immer alles prima aufgeräumt und ich finde einen Brief, der mir berichtet, dass sie noch viel Spaß zusammen hatten. Wer wirklich selbstbewusst zu sich steht und seine leisere Lebensart mag, wird darin keine Probleme mit seinem Umfeld haben. Menschen, die das nicht verstehen, können nicht meine Freunde sein, sonst müsste ich mich verbiegen und das will ich nicht.
WOHER KOMMT DEINE KRAFT?
Nach einer Veranstaltung ist es für mich normal, dass ich auf der einen Seite innerlich aufgedreht und auf der anderen Seite erschöpft bin. Ich brauche neue Kraft. Die kann ein introvertierter ebenso wie ein hochsensibler Mensch vor allem aus seiner inneren Welt beziehen. Introversion bedeutet ja nicht umsonst, dass du dich lieber auf dein Inneres ausrichtest. Es ist dein Energiereservoir. Dein Akku wird aufgeladen, sobald du für dich sein kannst. Für neue Kraft kann es beispielsweise förderlich sein, ein Buch zu lesen, einen ruhigen Abend zu Hause zu verbringen oder einen Spaziergang zu machen. Extrovertierte hingegen beziehen ihre Energie aus dem Zusammensein mit anderen Menschen und aus Aktivitäten.
Finde die Balance
Instinktiv machen die meisten es genau richtig. Sie wissen, was ihnen guttut. Es ist wichtig, auf die innere Stimme zu hören und die Balance zwischen Aktivität und Entspannung zu finden. Im Alltag kann das allerdings Probleme machen, denn wir sind immer irgendwie von unserem Umfeld abhängig und werden von ihm beeinflusst. Während du dich vielleicht gerade ausruhen möchtest, wirst du von Freunden gefragt, ob du sie nicht zu einem aufregenden Event begleiten willst. Die Welt ist stark extrovertiert ausgerichtet, sodass es Introvertierten schwerfallen kann, zu ihrem Ruhebedürfnis zu stehen und sich dabei nicht langweilig zu finden. Es hilft, solche Situationen möglichst frühzeitig zu erkennen und sensibel zu entscheiden, was angebracht ist. Das bedeutet auch für Intros und Hochsensible nicht, dass sie alle interessanten Möglichkeiten ausschlagen sollten. Aber sie sollten nach Phasen eines aktiveren Lebensstils wieder ausreichend Zeit für sich selbst und das Auftanken im Rückzug finden.
SCHAU NACH INNEN
Bist du hochsensibel?
Die Hochbegabung der Sinne zeichnet sich durch Merkmale aus, die du leicht an dir erkennen kannst. Hochsensible reagieren vor allem empfindsamer auf Reize. In welchen Lebenssituationen und mit welchen Sinnen sie hochsensibel sind, kann jedoch unterschiedlich sein. Manche reagieren nur auf bestimmte Reize, andere haben generell eine sehr sensible Wahrnehmung. Es ist wahrscheinlich, dass du hochsensibel bist, wenn du:
von äußeren Eindrücken schnell genug hast und dich überreizt fühlst.
Sinneswahrnehmungen (Licht, Geräusche ...) oft als zu stark empfindest.
dich sehr gut in andere hineinversetzen und mit ihnen fühlen kannst.
intensiv auf bestimmte Nahrungsmittel oder Chemikalien reagierst.
stark berührt werden kannst von der Natur, von Kunst und Schönheit.
einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn hast und mit anderen mitleidest.
intensiv und bunt träumst und dich in Tagträumen verlieren kannst.
eine hohe Schmerzempfindlichkeit besitzt.
von vielen gleichzeitig anstehenden Aufgaben leicht überfordert bist.
ein tendenziell sehr gutgläubiger oder sogar naiver Mensch bist.
von neuen und unbekannten Situationen leicht gestresst wirst.
die Stimmungen anderer schnell erfassen kannst.
ein gutes Gedächtnis für Sinnesreize wie Geruch oder Geschmack hast.
Zugang zu Spirituellem, Psychologischem oder Philosophischem hast.
komplexe Zusammenhänge schnell erkennen und verstehen kannst.
nicht leicht Grenzen setzen und Nein sagen kannst.