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Destination: Unbekannt

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ISLAMABAD

Clemens | Als wir in den Sinkflug gehen, zeigt meine Armbanduhr genau 04:03 Uhr. Viel zu früh am Morgen, um sich darüber bewusst zu sein, dass es gleich losgeht, das Abenteuer Pakistan.

Der Pilot von TK710 kennt kein Erbarmen. Seine Durchsage scheppert so gnadenlos aus den Lautsprechern über den Sitzen, dass es mich aus dem Tiefschlaf reißt. Das Cockpit will uns unmissverständlich wissen lassen: »Wir! Landen! Gleich!« Damit haben wir also Gewissheit. Jetzt gibt es kein Zurück. Da hilft auch mein ausgiebiges Augenreiben nicht.

In dem Moment, in dem wir die Reiseflughöhe verlassen, stellt sich ein ganz eigenartiges Gefühl ein. Der Druck in meinem Ohr wird immer größer und lässt meine Augen so weit aufreißen, dass ich nicht merke, wie ich aufhöre zu blinzeln. Meine Gedanken kommen mir wirr und unentschlossen vor, sie pendeln zwischen kindlicher Neugier und erwachsener Achtsamkeit wild hin und her wie ein kaputtes Metronom. Wo ich gerade noch selig schlummerte, bohren jetzt tausend Fragen Löcher in mein Nervenkostüm.

Kann man durch ein Land reisen, dem ein schlechter Ruf vorausgeht? Einer, der von Taliban, Terroranschlägen und Osama bin Laden erzählt? Pakistan ist ein weißer Fleck auf der Reiselandkarte, ausgefüllt nur durch das, was wir aus den Medien kennen.

Der Inflight-Screen teilt mir mit, dass ich mich physisch genau 10.324 Meter über den südwestlichen Ausläufern Islamabads befinde. Mental aber bin ich irgendwo zwischen ›Was machen wir hier eigentlich‹ und ›Wird schon alles irgendwie‹. An dieses Gefühl sollte ich mich besser gewöhnen.

Schlagartig bin ich hellwach, im Gegensatz zum zartrosa schimmernden Himmel. Auch Anne, die bis eben noch meine Schulter weichgelegen hat, sitzt jetzt kerzengerade neben mir. Durch das beschlagene Flugzeugfenster sieht die Landschaft märchenhaft verschlafen aus, aber auch ungewöhnlich nichtssagend. Fast so, als hätte sie jemand amateurhaft mit einem viel zu breiten Pinsel und dunkel gepanschter Farbe in das Tal hineingemalt. Statt eines kunstvoll arrangierten Lichtermeers begrüßt uns ein eintöniges Nebelfeld mit nur spärlichen Lichtakzenten. Seit wann hat Grau eigentlich so viele Nuancen? Meine Augen wollen nicht von der aufwachenden Szenerie lassen. Meine Nase klebt an der kalten Plexiglasscheibe. Wie ein kleines Kind kauere ich mit meinen fast 1,90 Metern Körpergröße am tief verbauten Flugzeugfenster.

»Bing!« Über den Köpfen der Passagiere leuchten Anschnallzeichen auf. Zwei Stewardessen beginnen von beiden Seiten der Kabine mit einem abschließenden prüfenden Gang. »Bitte anschnallen!« »Sind Sie angeschnallt?« Die Anweisungen kommen nicht nur in Dauerschleife daher, sondern Reihe für Reihe immer näher, während die Silhouette von Islamabad mehr Kontrast bekommt. Konturen werden stärker, Lichtpunkte heller. Allmählich zeichnen sich dahinter auch die sanften Margalla Hills ab, an die sich die Hauptstadt im seichten Morgenlicht schmiegt wie an ein kuscheliges Kissen. Guten Morgen, Islamabad!

Touchdown um 04:40 Uhr, Pakistan Standard Time. Die Passagierbrücke ist stark heruntergekühlt. Darin würden auch die hartnäckigsten Viren und Bakterien freiwillig tot umfallen. Die große Ankunftshalle wirkt nigelnagelneu: hohe Decken, viel Glas und noch mehr Chrom. Eine imposante Wanduhr thront über dem Geschehen, und grelle LED-Monitore weisen den Weg zur Passkontrolle. Der Islamabad International Airport begrüßt uns wie jeder andere moderne Flughafen auch.

Bei Immigration Officer Nr. 8 ist die Schlange am kürzesten. Wir reichen unsere zerfledderten Reisepässe über den Tresen. Er ist so sorgfältig poliert, dass ich darin mein Spiegelbild beobachten kann, während der Einreisebeamte durch unsere Länderstempel blättert, wie durch eine wertvolle Briefmarkensammlung. Sie scheint ihn allerdings wenig zu beeindrucken.

»Wie lange bleibt ihr in Pakistan?«, nuschelt er, ohne aufzuschauen. Kein Funken einer Melodie liegt in seiner Stimme.

»Vier Wochen«, antwortet Anne ähnlich monoton.

Stille. Ich kann den Sekundenzeiger bis hierher hören. Für eine halbe Minute kreist der Einreisebeamte mit seinem Caran-D’ache-Kugelschreiber 849 in Saphirblau über einem leeren Blatt Papier, und dann schießt er eine zweite Frage hinterher, diesmal deutlich druckvoller und mit einer bedeutungsschwangeren Betonung: »Was wollt ihr in Pakistan?«

Erst jetzt treffen sich unsere Augen. Die meinen, laut Reisepass grün-braunen und westeuropäischen, mit den seinen: tiefen, dunklen. Solchen, die über einen Menschen mehr erzählen können, als jedes Wort es vermag, und sie erzählen mir gerade vor allem, dass wir extrem aufpassen müssen, was wir sagen. Denn seine Frage nach der Intention unserer Reise garniert er mit einem Blick, der so misstrauisch ist, dass er uns schneidet wie ein leicht erwärmtes Buttermesser.

»Reisen!« Ich versuche genauso sachlich zu bleiben wie er. Hoffentlich will er nicht wissen, was wir genau vorhaben. Dann müsste ich ihm erzählen, dass wir zuerst in den Norden in die Region Gilgit-Baltistan reisen wollen (ein Rückzugsgebiet der Taliban), dann nach Peschawar im Osten (an der Grenze zum nächsten Problemherd: Afghanistan), danach an die Grenze mit Indien (dem ewigen Erzfeind) und zuletzt einmal quer durchs Land bis nach Karatschi am Persischen Golf (eine der gefährlichsten Städte der Welt, wo gleich mehrere Nationen ihre Schlachtschiffe im Arabischen Meer Gassi führen). Ja, das könnte definitiv ein längeres Gespräch werden. Vorsichtshalber füge ich besänftigend hinzu: »Tourismus.«

Wieder übertönen meine Gedanken darüber, ob wir uns gerade richtig in die Scheiße reiten oder nicht, eine sekundenlange Stille. Kurz scheint die Zeit in Islamabad stillzustehen. Unsere Augen heften aneinander wie ein Klettverschluss.

Es gibt Reiseländer, die Backpacker förmlich anlocken: zum Beispiel Thailand, Indonesien und Vietnam. Alle drei sind Klassiker unter den Individualreisenden. Sie bieten günstige Unterkünfte, wilde Nachtmärkte, dampfendes Streetfood auf den Nachtmärkten und günstige Transportmittel, die von Stadt zu Stadt und von Land zu Land fahren. Alles zum Schnäppchenpreis, versteht sich.

Auch Pakistan wurde im Jahr 2013 vom Lonely Planet als »next big thing« gehandelt, das nächste große Reiseland. Der Tourismus im Land blieb seither trotzdem auf Sparflamme. Im Jahr 2018 machte CNN Pakistan zum »am besten gehüteten Geheimnis« in Sachen Abenteuerreisen. Ein Geheimnis, das der Einreisebeamte nicht zu kennen scheint. Seine verhaltene Reaktion lässt zumindest vermuten, dass das Wort »Tourismus« bei ihm nichts auslöst.

Der Mann mustert Anne, dann wieder mich. Und dann kann ich seine Mundwinkel dabei beobachten, wie sie bedächtig nach oben wandern. Scheint ein anstrengender Klettersteig zu sein. Erst ist nur eine klitzekleine Erhebung zu erkennen, dann bilden sich in seinen wohlgeformten Wangen tiefe Grübchen, bevor er über das ganze Gesicht strahlt und es aus ihm heraussprudelt: »Welcome to Pakistan!«

Puh! Endlich eine Aussage, aus der man keine Zweifel herauslesen kann und keinen prüfenden Unterton. Endlich Worte, die uns nicht auf die Finger fühlen, sondern vor allem eines sind: ehrlich. Ein aufrichtiger Willkommensgruß. Der erste Schritt wäre getan.

Am Gepäckband drehen unsere Backpacks schon die eine oder andere Ehrenrunde. Wir aber müssen uns erst mal durch andere Passagiere kämpfen, die am Nebenband auf ihr Gepäck warten. Sie alle sind in strahlend weiße Gewänder gehüllt, die wie eine Mischung aus Bademantel und Yukata anmuten, dem traditionellen Kimono eines Sumoringers. Manchmal sind es auch improvisierte Outfits aus Frottee-Handtüchern, die leger um die Hüften gebunden wurden. Der klinische Geruch des Flughafens mischt sich mit einem charakteristischen Moschusgeruch, der erst einmal für eine Weile in der Nase bleibt.

Wie ein menschlicher Scanner schaue ich mich um und sinniere über die ungewöhnlich abgestimmten Outfits, da höre ich eine tiefe Stimme. Sie ist so laut, als stünde der Mann genau neben meinem Ohr. Dann schallt ein lang gezogener Ton durch die Gepäckhalle und kommt als Echo von den hohen Wänden zurück, was die Wirkung noch verstärkt: »Allaaaa…« Plötzlich kommt Bewegung in die Menschenmasse. Mit einem stumpfen »…hu akbar!« vollendet die Stimme ihre Botschaft – Gott ist der Größte, ruft sie. Wieder ertönt die Stimme, und jetzt merke ich auch, dass sie aus dem Lautsprecher kommt, der über uns an der Decke hängt.

Der Ruf des Muezzins lässt alle Anwesenden auf den Boden knien, mal zwischen den Gepäckbändern, mal in einer Ecke. Sie rollen kleine Teppiche aus und beugen sich darauf in dieselbe Richtung. Dann drücken sie ihre Stirn fest auf den Boden. Zeit für das Morgengebet, für das es keinen speziellen Ort gibt, dafür aber eine Himmelsrichtung: Mekka. Wieder schallt der Singsang aus den Boxen: »Allahu akbar!«

Die Anzeigetafel des Gepäckbands erklärt auch ihr weißes Gewand. Der Flug kommt aus Dschidda, einer saudischen Hafenstadt am Roten Meer, die als Tor zu Mekka gilt, der heiligsten Stadt des Islams und zugleich Geburtsort des Propheten Mohammed und des Glaubens selbst. Das weiße Outfit ist also nicht der neuste pakistanische Schrei in Sachen Mode, sondern die traditionelle Kleidung auf der Haddsch, der islamischen Pilgerfahrt. Und die Passagiere dieses Fliegers sind, na klar, auf dem Rückweg aus Mekka.

Meine Gehirnzellen schlagen Purzelbäume. Die Betenden murmeln leise vor sich hin und legen einen beruhigenden Soundteppich über die Ankunftshalle. Mehrmals am Tag wenden sich also alle Muslime derselben Richtung zu. Nicht Hunderte oder Tausende, sondern allein in Pakistan rund 200 Millionen Menschen.

Anne | Pakistan und uns trennt nur noch eine Schiebetür. Sie ist mit einer undurchsichtigen Folie beklebt. Darüber prangen vier dicke knallrote Buchstaben: E, X, I und T. Ich fühle mich wie eine Kandidatin bei der Mini Playback Show, die kurz davor ist, durch die Zauberkugel zu gehen und in einer anderen Welt zu landen. Ich bin nervös, merke ein Stechen im Magenbereich. Die Tür öffnet sich viel schneller als gedacht, und schon steht sie vor uns, die pakistanische Realität in Form einer Traube von Männern. Alle Augen landen auf mir. Schade, von Marijke Amado keine Spur. Stattdessen schauen mich etwa 50 Männer mit langen ergrauten Bärten und dicken braunen Filzumhängen an. Einige von ihnen tragen die passenden Mützen, die sie leger schräg auf dem Kopf liegen haben. Sie mustern mich von oben bis unten und von vorn bis hinten, wo mein riesiger Backpack meinen Rücken leicht zurückzieht. Auch ich mustere die Menschenansammlung von links nach rechts, von rechts nach links. Und mir fällt auf: Niemand achtet auf die anderen Passagiere, auf die Pilger, die aus Dschidda zurückkommen und mit ihren weißen Umhängen durch das Airport-Gebäude zu schweben scheinen. Auch Clemens ist Luft für die Männer. Alle Blicke sind auf mich gerichtet, auf die europäische Touristin mit dem riesigen Rucksack auf dem Rücken.

Für mich gehören die ersten Minuten an einem neuen Ort zu den spannendsten. Es sind die Momente, in denen mir fremde Gerüche auffallen, in denen ich das erste Mal fremden Menschen einer noch fremderen Kultur in die Augen blicke. Ich spüre, dass ich mich erst wieder warmlaufen muss, um in den Rhythmus zu kommen, wie ein altes Auto, das lange nicht bewegt wurde. Langsam nehme ich dann alles um mich herum wahr, sauge Eindrücke auf und verarbeite sie ganz automatisch in den Tiefen meines Bauchs, wo seit Sekunden sowieso schon das Adrenalin vor sich hin köchelt. Und dann, wenn ich angekommen bin und diese paar Sekunden, die sich wie Stunden anfühlen, verarbeitet habe, dann kann es starten. Dann brettert der bis eben noch schlummernde Motor hinein in das neue Abenteuer. Das neue Land. Die neue Kultur.

Bisher besteht all die vor allem aus Hunderten Männeraugen. Ein komisches Gefühl. Vor allem wenn sie mich mit ihren Blicken gleichzeitig ausziehen. Ich spüre sie überall. Auf meiner Brust, an meinen Beinen und sogar an meiner Hüfte, und die ist nun wirklich nicht spektakulär. Und all das, obwohl ich mich schon vor unserem Weiterflug von Istanbul nach Islamabad in passende Kleidung geworfen habe. Mein Körper und alle weiblichen Rundungen sind bedeckt von einer lockeren schwarzen Stoffhose, einem langärmligen, dünnen hellroten Pullover, der weit über den Po reicht, und um meinen Hals hängt ein Tuch, das meinen Oberkörper verdeckt. Und doch fühle ich mich nackt.

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Pakistan-Lektion #1: Frauen sollten keinerlei Rundungen zeigen sowie Knie und Schultern verdecken. Auch bei Männern werden kurze Shirts und Hosen nicht gern gesehen.

Clemens | Während uns die Köpfe wie beim Tennis folgen, manövrieren wir uns aus dem Pulk heraus und begeben uns direkt in die Fänge der Marktschreier, die wir von vielen anderen Flughäfen der Welt kennen: der mehr oder weniger offiziellen Taxifahrer.

Gleich vier Männer mittleren Alters reden gleichzeitig auf uns ein, einer wilder und schneller als der andere. Ihre Aussprache des Englischen klingt wie jene, die man von indischen Charakteren in Filmen und TV-Serien kennt: Die Wortwahl ist sehr gut, aber der für westliche Ohren ungewohnten Melodie wohnt ein spezieller Charme inne.

Anne beäugt jedes Schild über unseren Köpfen ein zweites und drittes Mal, auf der Suche nach den magischen drei Buchstaben ›ATM‹. Doch davon keine Spur.

Bevor ich eine adäquate Lösung parat habe, fällt uns einer der Fahrer ins Wort: »Geld?«

Ich bin anscheinend nicht der Einzige, für den Annes Augen ein offenes Buch sind. Der ambitionierte Fahrer gibt vor, uns einen Geldautomaten zeigen zu können. Ja, er würde uns sogar hinführen. Wir stehen mit dem Rücken zur Wand. Sollten wir um halb sechs am Morgen mit einem fremden Mann um die Ecke gehen und hoffen, dass da tatsächlich ein Geldautomat steht? Klingt ziemlich fahrlässig. Oder sollten wir lieber ablehnen und, bis es hell wird, einen Plan B, C oder D machen?

Annes Bauchgefühl entscheidet sich für die unvernünftige Variante. Als wäre damit auch die Taxifahrt ins 50 Kilometer entfernte Islamabad bereits in trockenen Tüchern, lassen seine Konkurrenten abrupt von uns ab. Der potenzielle Bankautomatenräuber führt uns aus der Ankunftszone heraus und über eine Treppe ins obere Stockwerk. Er geht voran, wir schwanken, mit unseren dicken Backpacks beladen, wie eine Ameisenkolonne hinterher. Unsere Mission endet fürs Erste vor einem Eingang und zwei mit Kalaschnikows bewaffneten Polizisten.

»ATM?«, rufe ich ihnen fragend zu und deute dabei auf eine Schiebetür.

Keine Reaktion.

Der Taxifahrer ergreift das Wort in einer mir völlig unbekannten Sprache, die wie Hindi klingt, gepaart mit einem Hauch Arabisch. In Pakistan sind mehr als 50 verschiedene Sprachen verbreitet. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich eine davon spreche, liegt bei genau null.

Seine Ansprache scheint jedoch gewirkt zu haben. Nach einem händischen Sicherheitsscreening und einem zusätzlichen Gang durch den Körperscanner, habe ich mein Ziel erreicht. Mein Gepäck, mein Handy und Anne muss ich draußen zurücklassen.

Anne | »Seid ihr verheiratet?«, fragt mich einer der Polizisten. Es ist der jüngere von beiden. Seine Statur ist schmal, aber muskulös, sein Camouflage-Anzug vorbildlich gebügelt.

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Pakistan-Lektion #2: Als Paar einfach als verheiratet ausgeben, das erspart eine Menge Stress.

»Ja, sind wir.« Die Antwort habe ich mir schon längst bereitgelegt. Ein Allheilmittel, um lästige Fragen zu umgehen und einfach nur innerhalb von Sekunden den eigenen Standpunkt klar zu vermitteln. Dass Clemens und ich nicht verheiratet sind, das muss jetzt niemand wissen. Pakistan gilt als eines der konservativsten Länder der Welt. Die Beziehung zwischen Mann und Frau passiert hier hinter verschlossenen Türen und Fenstern, so kennen wir es zumindest aus anderen muslimischen Ländern wie Indonesien, dem Libanon und dem Senegal. Aber ehrlich, wie genau es funktionieren wird, als Paar durch Pakistan zu reisen: keine Ahnung. Für jetzt sind wir verheiratet, und das sogar ohne Ring am Finger.

»Wie lange seid ihr in Pakistan?«, bohrt der Polizist weiter. Ein dicker Aufnäher prangt über seiner rechten Brust. Eine weiße Mondsichel und ein fünfzackiger Stern auf grünem Grund – die Flagge Pakistans. Dabei ist das Dunkelgrün als Farbe des Islams auch ein Symbol für die Muslime, die mit 96,4 Prozent die klare Mehrheit im Land sind. Daneben ist in lateinischer Schrift »Burki« auf sein Namensschild genäht. Ich finde, der Name passt, auch wenn es nur der Nachname ist. Er passt zu seinem jugendlichen Auftreten und zu seiner schmalen Figur.

»Wir bleiben einen Monat.« Dieses Mal lüge ich nicht.

Ein Grinsen macht sich auf seinem Gesicht breit. »Wow«, ruft er und übersetzt meine Aussage seinem Kollegen, der sein Vorgesetzter sein könnte. Er ist älter, seine Schläfen bereits angegraut, und neben seinem Namensschild kleben etliche Auszeichnungen wie kleine Fähnchen in verschiedenen Musterungen.

Aus dem anfänglichen Verhör wird der erste richtige Smalltalk. Dabei habe ich ganz vergessen, auf Clemens zu achten, der immer noch hinter der dicken Scheibe am Geldautomaten steht.

»Kein Problem«, beruhigt mich Burki, der in meinen Kopf gehorcht haben muss. »Das ist Pakistan. Alles ist ein bisschen langsamer«, erklärt er.

Clemens | Ich bin kurz davor, aufzugeben. Erst beim achten Anlauf rattert es endlich im Inneren des Automaten. Kurz darauf schießt ein Geldbündel von 17.000 pakistanischen Rupien aus dem Schlitz. Das macht umgerechnet etwas mehr als 100 Euro in kleinen Scheinen – fast zu viel für meinen schmalen Geldbeutel. Er ist jetzt so prall gefüllt, als hätte er sich überfressen.

In Pakistan gibt es neben regulären Taxis sowohl den Fahrdienstvermittler Uber als auch die Nahost-Variante Careem. Vorbereitet, wie wir als ordentliche Deutsche sind, haben wir uns bereits informiert und den Fahrpreis vom Flughafen in die Stadt notiert. Nicht bedacht haben wir allerdings, dass so früh am Morgen noch kein offizieller Fahrer unterwegs ist.

»Fahrzeuge in Ihrer Umgebung: null«, zeigt die App an. Läuft bei uns. Umso weniger überrascht es, dass unsere männliche ATM-Eskorte das Vierfache des Standardpreises verlangt. Die Frage nach seiner Taxilizenz hat sich damit auch geklärt.

Wir schalten mit unseren deutschen Reiseweltmeisterqualitäten in den nächsten Gang: auf Verhandeln.

»Ich habe ein wirklich modernes Auto«, versucht der Fahrer es mit einem weiteren Lockmittel.

Wir handeln ihn noch um die Hälfte herunter und schlagen darauf ein. Die Bezeichnung »modern« ist, wie sich auf dem Parkplatz herausstellt, nicht ganz präzise. Sein Suzuki Alto ist eine alte Schrottmöhre. An der Stoßstange und der Fahrertür klaffen Dellen, der Lack ist an vielen Stellen abgeblättert, und das Sitzpolster müffelt nach Raucherkarre. Über so was wie den TÜV könnte er nur lachen. Kaum ist der Schlüssel in der Zündung, wummert pakistanische Musik aus den Lautsprechern. Schon nach wenigen Kilometern passt sich unser Herzschlag dem einlullenden Beat an.

Backpacking in Pakistan

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