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Inside Islamabad

ISLAMABAD

Anne | »Kommt ihr aus Deutschland?«

Ich bin gerade dabei, ein letztes Foto von der Moschee zu schießen, als mich von hinten eine weibliche Stimme anspricht – auf Deutsch. Ich drehe mich um, und vor mir steht ein junges pakistanisches Paar. Sie hat lange glänzend schwarze Haare. Ihre Skinny Jeans betont ihre dünnen Beine, darüber trägt sie einen schmal geschnittenen Mantel. Er hat einen perfekt getrimmten Bart, um seinen Hals hängt ein ordentlich gefalteter Burberry-Schal, der sich passgenau an sein Wintersakko schmiegt. Zusammen sehen sie aus wie pakistanische Superstars und passen damit genauso wenig auf den Vorplatz der Moschee wie wir drei Touristen.

Mina und Abdul kommen aus Islamabad. Mina hat die ersten acht Jahre ihres Lebens in Frankfurt gelebt und spricht bis heute sehr gutes Deutsch. Abdul lebt schon immer in Islamabad, spricht dafür aber akzentfreies Englisch.

Ich ertappe mich dabei, wie ich jetzt diejenige bin, die die beiden, gerade Mina, von oben bis unten mustert. Noch vor unserer Abreise habe ich all meine Schränke auf den Kopf gestellt, nach langen, weiten Kleidungsstücken gesucht, mir neue Kleider gekauft, und jetzt reise ich mit einem Potpourri an Kartoffelsäcken, die zwar kulturell passend sind, aber, rein physisch gesehen, unpassender nicht sein könnten. Während ich aussehe, als würde ich mir heute einen entspannten Tag vor dem Fernseher machen, ist Mina so hübsch zurechtgemacht, dass sie locker im nächsten Tanzfilm die orientalische Hauptrolle kassieren könnte.

»Wir haben euch schon die ganze Zeit beobachtet«, erklärt Mina schüchtern.

Wir stechen heraus mit unseren Kameras, den westlichen Klamotten und den Rucksäcken. Aber das tun auch Mina und Abdul. Damit haben sich die einzigen beiden Ausnahmen wie Magnete inmitten der großen Masse an Moscheebesuchern angezogen.

Minas Deutsch ist gut, aber langsam. Mit Bedacht bahnt sie sich ihren Weg durch ihre eigenen Sätze und verpasst damit dem quirligen Gewusel um uns herum eine besondere Ruhe. Wir vergessen schnell, dass wir schon Pläne für den ersten Abend in Islamabad gemacht haben, aber ehrlich, das könnte gerade nicht unwichtiger sein. In einem Kauderwelsch aus Englisch und Deutsch versuchen wir beiden gleichzeitig zu erklären, was wir die nächsten Wochen vorhaben.

»Habt ihr Hunger?«, fragt Mina.

Noch bevor ich eine Antwort geben kann, ist mir klar, dass es sowieso kein Nein geben wird.

Außer für Flo, er winkt freundlich ab. »Nein, danke, ich muss noch ein paar Sachen organisieren«, ruft er und steigt ins nächste Taxi.

Schon sitzen wir im schicken schwarzen Peugeot von Abdul und Mina. Wer sich auf die Pakistaner vorbereiten möchte, der muss mit stets geöffneten Armen rechnen. Unser nächstes Ziel: die brutzelnden Grillstationen des Jinnah Supermarkets.

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Pakistan-Lektion #8: Einladungen aller Art niemals ausschlagen. Das gilt als unhöflich.

»Mach das ja ordentlich«, ruft Mina dem Mann hinter dem Grillstand zu. Sie klingt dabei forsch und fordernd. Der Mann lässt sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen und entgegnet ihr durch ein gekonntes Kopfsenken nach rechts ein eindeutiges »Ja, klar!«. Sein Oberteil ist gezeichnet von seiner täglichen Arbeit, sein Bart vollends grau. Er dreht und wendet gekonnt seine Fladenbrote, brät weiterhin Fleisch und vereint beides zu einer kleinen Rolle, die mich an Dürüm-Döner erinnert.

Essen und Reisen gehört für Clemens und mich zusammen. Wir haben schon lange aufgehört, ein bestimmtes Essverhalten mit auf unsere Reisen zu nehmen, sondern probieren uns wild durch das komplette Angebot. Denn genau hier, finden wir, ist ein riesiger Teil der Kultur des Landes verankert.

Mina hat unseren Abend fest im Griff. In Pakistan ist Gastfreundschaft genauso wichtig wie der Islam. Noch besser, sie ist ein Teil von ihm. Dahinter steckt der arabische Begriff Adab, ein Verhaltenskodex, der dazu führt, dass man als Gast auf Händen getragen wird, ob man es nun will oder nicht. Dass Mina und Abdul deshalb auch alles bezahlen, ist uns fast noch unangenehmer, als nichts entscheiden zu dürfen.

Abdul hält hinter uns die Stellung, während Mina ihre kleine Food-Tour im Herzen von Islamabad weiterführt.

»Kennt ihr Paan?«, fragt sie und grinst dabei verschmitzt.

Nein, natürlich nicht. Wir sind gerade einmal knapp zehn Stunden im Land.

Paan ist eine Droge. Aber keine, die man raucht oder die einen in komplett andere Sphären schießt. Sie ist eher eine von der sanften Sorte, die gegessen wird und langsam eine beruhigende Wirkung entfaltet. Dahinter verstecken sich die knallgrünen Blätter der Betelnuss, die mal mit Tabak, mal ohne Tabak gefüllt werden. Mina nimmt die tabaklose Variante, lässt sich die Blätter mit Süßigkeiten und Rosenwasser füllen und steckt sie uns in den Mund.

Ich kann mit Drogen nicht gut. Gras lässt meine Arme und Beine einschlafen und färbt mein Gesicht an schlechten Tagen grün. Vor all den anderen Sachen habe ich mehr Respekt als vor einem Flug nach Pakistan. Das letzte Mal, dass mir etwas einfach in den Mund gesteckt wurde, war auf Fidschi. Da war es Kava vom Stammesältesten, der meinen Mund in Windeseile betäubte. Aber so richtig. So sehr, dass ich prüfen musste, ob mir aus den Mundwinkeln Speichel läuft. Testergebnis: negativ.

Bisher spüre ich nichts. Gut so, denn es geht weiter. Und ich habe viel zu viele Fragen an Mina, da wäre eine wie ein Waschlappen hängende Zunge nicht der beste Zustand. Und doch lasse ich meinen Daumen einmal kurz über meinen Mundwinkel fahren. Kein Speichel. Ein Glück. Vom Jinnah Supermarket geht es in eine ganz andere Gegend, in der die Straßenlampen neuer und moderner scheinen als die meisten bei uns Deutschland.

Es geht in das Lieblingsrestaurant der beiden. Und zwar im schicken F-7-Bezirk von Islamabad – mit noch dickeren Mauern vor den Häusern, noch präsenteren Kameras. Es ist die Heimat der absoluten Oberschicht des Landes. Mittendrin wird an einem Rondell aus westlichen Restaurants alles angeboten, was wir in Pakistan eigentlich nicht haben wollten: Burger, Pizza, Sandwiches, Pommes.

Mina bekommt eine persönliche Begrüßung vom Inhaber, den besten Platz des Ladens und vier Heizstrahler, die uns in der kühlen Nacht ganz edel von hinten den Nacken wärmen.

Heute Morgen noch hat uns Momi, unser Taxifahrer, mit seinen verdreckten Händen Schwarzen Afghanen angeboten. Jetzt gibt es Curly Fries. Die Terrasse des Howdy, eines US-amerikanischen Tex-Mex-Restaurants mit Cartoon-Cowboy als Logo, ist bis auf den letzten Tisch besetzt. An einem sitzen nur Männer, an einem anderen nur Mädels. Das typische Bild einer gemischten Freundesgruppe aus Mädels und Jungs sieht man in Pakistan nicht. Mit einer Ausnahme: uns vieren.

Dieser Abend ist eine typische Clemens-Anne-Situation. Immer wieder passiert es uns, dass wir an fremden Orten angesprochen werden. Das war schon beim viel zu alkohollastigen King’s Day in Amsterdam so, als eine Niederländerin uns einfach umarmte und schrie, dass uns eine ganz besondere Aura umgebe. Und auch sonst schaffen wir es, immer und überall die richtigen Leute zu finden – oder die richtigen Leute schaffen es, uns zu treffen. Ein Freund meinte mal über uns, dass wir Menschen lieben würden, während er dafür viel zu skeptisch sei. Damals hatte ich diese Aussage nicht verstanden. Aber jetzt, am Tisch mit Mina und Abdul weiß ich, glaube ich, was er meint. Wir schrecken nicht zurück vor Begegnungen mit Fremden. Wir ziehen sie vielmehr an und gehen in ihnen auf.

Kurz vor Mitternacht werden wir vor unserem Gasthaus abgesetzt. Wie schon den ganzen Abend fährt Abdul – wenigstens ein weltweites Mann-Frau-Klischee erfüllen die beiden.

»Kommt gut in den Norden«, ruft Mina und umarmt mich fest, wie eine gute Freundin. Clemens reicht sie die Hand. »Und meldet euch, wenn ihr wieder da seid.«

Das machen wir, ganz bestimmt.

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