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Freundschaftsanfrageversendet

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ISLAMABAD

Clemens | Rashid dürfte an der 50 kratzen. Er trägt eine weite Leinenhose, glänzend polierte Lederschuhe und ein weißes Anzughemd, aus dessen Kragen schwarze Brusthaare herauswuchern. Genau dieselbe Farbe hat auch sein breiter Schnurrbart, der so perfekt voluminös und rundum getrimmt ist, dass ich ihn zuerst für eine Filmrequisite halte.

Kaum sind wir in den Honda Civic gestiegen, beugt sich Rashid zu seinem chinesischen Smartphone vor, das im festen Klammergriff einer Plastikhalterung von der Windschutzscheibe hängt. ›Pakistan Monument‹ ist darauf als Ziel angegeben. Und darunter ist die genaue Adresse zu erkennen: Shakarparian Hills, Islamabad, Islamabad Capital Territory, Pakistan.

»Dann wollen wir mal«, sagt Rashid und schaltet in den D-Modus seines Automatikgetriebes. Schon nach wenigen Kurven durch das Botschaftsviertel biegen wir auf eine sechsspurige Straße ab, den Kashmir Highway, der die Stadt exakt in der Mitte durchschneidet.

Rashid ist sichtlich erfreut über den besonderen Fang, den er mit uns gemacht hat. Immer wieder äugt er durch den schmalen Rückspiegel zu uns auf die Rückbank. Schauen wir zurück, huscht ein Lächeln über sein Gesicht.

»Wusstet ihr, dass früher Karatschi unsere Hauptstadt war, ganz im Süden am Arabischen Meer?«

Nein, das wussten wir nicht.

»Von der Unabhängigkeit Pakistans 1947 bis zum Jahr 1958. Dann sollte aber eine Stadt in einer besseren Lage gefunden werden, mit besserem Klima und so.« Er hält kurz inne und dreht sich zu uns um. »Na ja, die gab es aber nicht!« Er bricht in ein gelöstes Lachen aus, als hätte er gerade den Witz des Tages gemacht. Und obwohl wir überhaupt nichts Lustiges erkennen können, wirkt sein Lachen ansteckend. Also lachen wir mit.

Die Geschichtsstunde geht weiter. Wir erfahren, dass es eine Planstadt sein sollte. Sie sollte nordwestlich von Rawalpindi aus dem Boden gestampft werden, am Fuße der ersten Ausläufer des Himalayas, wo die Temperaturen wesentlich besser sind als im heißen Karatschi.

Als hätte er parallel zu seinen Erläuterungen eine Schautafel hingestellt, zieht Islamabad an der Fensterscheibe vorbei und unterstreicht seine Ausführungen. Es gibt breite Alleen. Die Straßen sind sauber. Parks und Gartenanlagen wirken wie abgezählt. Und die Straßen sind ähnlich kerzengerade wie in Mannheim oder Manhattan.

»Habt ihr denn die Sektoren schon verstanden?«

Islamabad wurde am Reißbrett entworfen und dabei kurzerhand in Sektoren unterteilt. Anstatt wohlklingender Namen für die einzelnen Stadtviertel, trifft man auf kryptische Bezeichnungen, gepaart mit einer farblichen Kennzeichnung: I-9, G-6/4, F-5/1 usw. Die Sektoren tragen eine Art Suchindex als Namen. Der Buchstabe steigt von Nord nach Süd an. Wird die Stadt erweitert, und das wird sie ständig, dann geht es einfach weiter im Alphabet. Wie es wohl wäre, wenn ich Islamabad in 50 Jahren besuchen würde? Würde ich dann vielleicht in Sektor X übernachten und in Y frühstücken gehen?

Das relativ junge Land Pakistan ist in seiner Entwicklung aber noch lange nicht am Ende, schon gar nicht was seine Bevölkerungsdichte angeht. Dabei liegen Pakistan und Deutschland einer aktuellen Statistik zufolge dahingehend gar nicht so weit auseinander. In Deutschland leben laut der jüngsten Bevökerungsprognose der Vereinten Nationen auf einem Quadratkilometer im Schnitt 232 Menschen. In Pakistan sind es 272. Soviel zum Status quo. In Zukunft jedoch wird eine riesige Kluft zwischen diesen Zahlen liegen, die immer größer werden wird. Denn während sich die Bevölkerung in Pakistan bis zum Jahr 2100 mehr als verdoppeln wird, soll die in Deutschland um ein Fünftel schrumpfen.

Die Steigung auf den letzten Metern zu den Shakarparian Hills schafft der neue Honda mühelos. Schon auf der Zufahrt wirkt das Pakistan Monument heroisch, vor allem, da sich dahinter das Panorama von Islamabad entfaltet, mit den Marghalla Hills als Kulisse, wie mit Wasserfarbe an den Himmel gemalt. Von oben lässt sich besonders gut erkennen, dass die Stadt am Reißbrett entstanden ist.

Wir schlagen Rashid vor, auf uns zu warten, dann würde die gemeinsame Erkundungstour durch die Hauptstadt nach unserer ersten Sehenswürdigkeit weitergehen. Wann bekommt man schon mal eine Geschichtslektion umsonst? Sein breites Grinsen heißt »Ja« auf Esperanto.

Das riesige, blütenblattförmige Monument von Islamabad wurde 2007 eröffnet. Es soll die Einheit der Pakistaner beschwören und ist, wie es die Macher selbst formulieren, all jenen gewidmet, die ihr ›Heute‹ für ein besseres ›Morgen‹ geopfert haben. Märtyrern also. Ob mit dem Morgen der Sektor Z gemeint ist?

Ich versuche, den monströsen Bau auf ein Foto zu bekommen, da spricht mich eine Gruppe junger Männer an, beziehungsweise derjenige von ihnen, der auserkoren wurde, den ersten Schritt zu machen. Doch er ist weniger an mir interessiert als an meiner Kamera, deutet auf meine schwere Spiegelreflex und möchte, dass ich ein Foto von ihm und seinen Freunden mache.

Schon stellen sich die Jungs in eine Pose, die ich nur von Actionfilmplakaten kenne. Die Körperhaltung ist lässig, der Blick cool. Klick, klick, klick. Ob ich ihm die Fotos zuschicken könne, fragt er, und ja klar, das kann ich machen. Aber erst, wenn ich sie auf meinen Laptop gezogen habe. Und der ist zu Hause in Deutschland. Ping! Ich habe einen WhatsApp-Buddy mehr: Samir und ich, wir wollen in Kontakt bleiben.

Wieder im Auto scheint es Rashid gar nicht abwarten zu können, das nächste Ziel unserer spontanen Tour zu erfahren.

»Faisal-Moschee«, sagt Anne mehr zum Rückspiegel als zum Fahrer.

»Das ist die schönste Moschee in ganz Pakistan«, lässt uns Rashid wissen. »Sie ist unser Wahrzeichen, schöner als alle anderen Moscheen im Land, ach was, in ganz Asien.«

Die nächsten 20 Minuten macht er zu einer kleinen Sightseeing-Tour. Aus Taxifahrer wird Geschichtslehrer wird Kurzzeitreiseleiter. Unsere Route geht vorbei an der Centaurus Mall, deren drei Türme wie riesige stählerne Pinnadeln aus dem flachen Stadtbild herausragen. Für den Einlass müssen Besucher laut Rashid einen Wertcoupon kaufen, den sie am gleichen Tag in den Shops des Einkaufszentrums einlösen können. In der öffentlichen Bekanntmachung wurden 23 Personengruppen aufgeführt, die die Eintrittsgutscheine nicht kaufen müssen. Darunter alle Frauen, Kinder unter zwölf Jahren, Senioren, Gesetzgeber und Führungskräfte, Diplomaten und Ausländer, Journalisten und Anwälte, Mitglieder von Country Clubs, eingetragenen Ingenieure, Ärzte und Lehrer. Ferner heißt es in der Bekanntmachung, dass »berühmte Spieler von Hockey, Cricket, Fußball und Golf« und »Prominente« den Eintrittsgutschein nicht kaufen müssen. Mit anderen Worten dürfte Anne gleich dreimal umsonst hinein: einmal als Frau, einmal als Ausländerin und einmal als Journalistin. An der großen Cricket-Karriere arbeiten wir noch.

Als wir uns der Faisal-Moschee nähern, erklärt uns Rashid, dass sie die größte Moschee in Südasien ist, zumindest was die Kapazität angeht: Das Gebäude samt Außenbereich soll 300.000 Gläubige fassen. Heute hoffen Anne und ich auf weniger Besucher, das könnte sonst ganz schön anstrengend werden.

Als wir sie zum ersten Mal sehen, erscheint uns die Moschee jedoch überhaupt nicht so majestätisch, wie sie in Rashids Erzählungen klang.

»Da vorne, das ist sie!« Er deutet auf ein weißes Etwas am Ende der Straße, das eher an ein Raumschiff der Star-Wars-Saga erinnert als an eine Moschee, wären da nicht die vier Minarette, die sich an allen Seiten in die Höhe strecken.

Noch würde ich das angebliche Fassungsvermögen nicht unbedingt bestätigen wollen; noch ist sie ganz klein und wirkt wie ein Farbtupfer vor der fein gepinselten Bergkulisse.

»Sie ist unser Nationalsymbol«, platzt es stolz aus Rashid heraus. »Benannt wurde sie nach König Faisal von Saudi-Arabien«, erklärt er weiter. Das Panorama der Stadt habe dem König vom freistehenden Platz aus besonders gut gefallen. Die Finanzierung habe die saudische Regierung und damit Faisal persönlich übernommen. Erst nach seiner Ermordung im Jahr 1975 sei die Moschee nach ihm benannt worden.

Auf dem Parkplatz vor der Moschee ändert sich der Anblick schlagartig. Aus spacigem Raumschiff wird perfekte pakistanische Postkartenidylle. Und noch dazu ein echtes architektonisches Highlight. Das liegt daran, dass sie zwar erst 1986 fertiggestellt wurde, aber schon Ende der 1970er entworfen worden war. Und genau dieser 70er-Jahre-Touch ist unverkennbar und wirkt wundervoll futuristisch. Die harten Kanten, die strikten Strukturen, jedes noch so kleine Detail führt zusammen und flüchtet nach oben, zu Allah. Auch seine letzte Lektion erteilt Rashid liebevoll.

Wir sagen auf Wiedersehen und bedanken uns für die unerwartete Stadtrundfahrt.

Auf dem Vorplatz der Moschee sind wir mit Flo verabredet, einem Schweizer, den wir aus einer Facebook-Gruppe kennen und den wir heute bei einem der wichtigsten Gotteshäuser Pakistans zum ersten Mal treffen wollen. Andere Reisende kennenzulernen, das geht im Internetzeitalter schon lange vor der Abreise ins Abenteuer und kommt gerade in Ländern abseits der gängigen Backpacker-Reiserouten mit einigen Vorteilen daher, vor allem emotionalen. Je ungewöhnlicher und unbereister das Land, umso größer ist die Freude über eine neue, westliche Reisebekanntschaft. Im unbekannten Terrain begrüßt man sich wie alte Freunde, dabei hat man sich gerade zum ersten Mal gesehen. Einen Menschen aus dem gleichen Kultur- und damit Dunstkreis zu treffen hat dann fast etwas Heimeliges an sich.

»Hi Flo! « Wir winken ihm schon vom Parkplatz aus zu. Er ist barfuß auf dem glatten Marmorboden unterwegs, so wie alle Besucher. Es sind nicht viele, denn genau wie wir es uns ausgerechnet haben, sind wir nicht zur Gebetszeit da. Wir wollten unbedingt den Massen entgehen und stattdessen die Moschee im goldenen Licht der Abendsonne bewundern.

Wir stellen unsere Schuhe in die dafür bereit stehenden Regale und laufen Flo auf dem von der Sonne angenehm aufgewärmten Marmorboden entgegen. Über dem Areal liegt der markante Geruch von Stinkefüßen. So intensiv, dass es in der Nase wehtut. Ich glaube, gleich mehrere Abstufungen von Gouda erkennen zu können: jung, mittelalt und alt. Auch wünschte ich, ich hätte Ersatzsocken dabei, um meine Füße und Schuhe vor dem Gestank zu schützen.

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Pakistan-Lektion #4: Für den Moscheebesuch immer ein Paar Extrasocken einpacken, um Käsefüße zu vermeiden.

Unser Schweizer Eidgenosse wirkt nicht besonders Schweizerdeutsch, zumindest solange er nicht den Mund aufmacht.

»Ihr seid gut angekommen, oder?« Das Abgehakte in der Schweizer Mundart wirkt auf mich vom ersten Ton an warm und schwungvoll. Da ist sie wieder, die Heimeligkeit. Ich glaube, das schwungvoll aus dem Mund gepresste »Oder« am Satzende ist weniger als Frage gemeint, sondern vielmehr als Verdeutlichung seiner Aussage.

»Ja, alles super. Wir hatten auch kaum Jetlag, und du?«, antworte ich wahrheitsgemäß, während wir über den Moscheevorplatz schlendern.

Flo ist einen Kopf kleiner als ich, dafür aber umso trainierter. Er wirkt wie ein kleines Kraftpaket. Seine blonden Haare ragen in Form etwa drei Millimeter langer Stoppeln aus der Halbglatze. Eins fällt mir an ihm sofort auf: seine Ohren. Nicht dass diese besonders klein oder groß wären oder besonders abstehend. Sie sehen so aus, als hätte sie jemand wie ein Stück Knete zusammengedrückt und einfach verformt.

Nach wenigen Minuten fühlen wir uns beobachtet. Und tatsächlich haben drei Männer uns im Visier.

»Hallo, wo kommt ihr her?« Die erste Hand wird mir entgegengestreckt. Dann die zweite. Und dritte.

»Wir kommen aus Deutschland, und er kommt aus der Schweiz.«

Reihum schütteln sie Flo und mir die Hand, nur Anne nicht. Sie wird keines Blickes gewürdigt, als stünde sie gar nicht neben uns.

»Wie alt seid ihr?«

»Ich bin 35, sie ist 28, und er ist …« Ja, wie alt ist er eigentlich?

Flo übernimmt lachend die Antwort.

Wieder wird Anne nicht einmal angesehen, als wäre sie ein Geist. Schnell entzieht sie sich der merkwürdigen Situation und fotografiert stattdessen die Minarette.

Im nächsten Atemzug fragt uns einer der Männer: »Können wir ein Foto machen?«

Ich kann bei so was einfach nicht nein sagen, also sagen Flo und ich zu, ohne auch nur annähernd zu wissen, was das an der berühmtesten Moschee der Stadt für eine Kettenreaktion auslöst. Kaum haben wir das Gruppenfoto hinter uns gebracht, will der Erste auch ein Selfie mit mir. Und dann auch sein Kumpel. Und dann der Kumpel vom Kumpel. Und Flo! Flo soll auch noch aufs Foto.

Schon stehen die nächsten Selfie-Paparazzi bereit. Bald sind zehn Selfies geknipst und mindestens genauso viele Hände geschüttelt. Flo und ich können uns keinen Schritt weiter über den Vorplatz bewegen, ohne von Passanten angesprochen zu werden. Fängt man einmal mit einem Selfie an, geht es reihum. Jeder will ein Foto mit den europäischen Touristen. Und jeder will ein Wort mit uns wechseln.

Wo ist eigentlich Anne? Sie steht in einem Sicherheitsabstand, beobachtet die Situation sichtlich amüsiert und wird von den pakistanischen Männern immer noch kein bisschen beachtet.

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Pakistan-Lektion #5: Männer schütteln nur anderen Männern die Hände, nie Frauen.

Anne | Fatima hat das zarte Gesicht einer Zwölfjährigen. Sie hat mich längere Zeit gemustert, mich beobachtet. Jetzt schwebt sie in ihrer hochgeschlossenen Abaya zu mir, im Schlepptau vier Freundinnen, die ich schon von Weitem kichern höre.

Wie die Zeiger einer Uhr strecken die fünf Freundinnen ihre Hände in meine Richtung aus. Ich schüttle sie alle, nach und nach. Wir schreiben das islamische Jahr 1440, gerechnet wird von der Geburt des Propheten Mohammeds an. Eine Zeitspanne, in der sich viel hätte ändern können. Doch das hat es nicht. Während Clemens und Flo in ihrer Männertraube zu echten Stars werden, habe ich meinen ganz eigenen weiblichen Harem um mich herum.

Fatima und ihre Freundinnen sind Studentinnen an der National University of Modern Languages in Lahore. Sie studieren Englisch und sind gerade zu Besuch in Islamabad, um sich die Moschee anzuschauen. Ihr Englisch üben sie am liebsten an Touristinnen. Und davon gibt es gerade nur eine: mich.

»Wie alt bist du?«, fragt Fatima und landet dabei einen grammatikalisch korrekten Satz.

»28«, antworte ich.

»Ich auch«, erklärt sie. Ihr kindliches Gesicht, die weichen Konturen und die schüchterne Stimme versprühen keinen Funken von Selbstbewusstsein.

»Hast du Kinder?«, fragt mich ein anderes Mädchen. Sie ist rundlicher, wirkt kräftiger und auch stärker als die anderen. Bei den Spice Girls wäre sie ganz klar Tough Spice. Schade, dass es diesen Charakter nie gab.

»Nein, ich habe keine Kinder«, gebe ich zu und ernte offene Münder. Das hätten sie nicht erwartet.

»Und er?« Tough Spice bohrt tiefer und zeigt auf Clemens, der mittlerweile eine bestickte Gebetskappe auf dem Kopf hat und mit zwei zum Victory-Zeichen geformten Fingern in eine Handykamera grinst.

»Das ist mein Ehemann.« Meine Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen.

»Oh, er ist sehr schön«, flüstert Fatima, jetzt noch leiser als vorher. Ihre Freundinnen fallen in ein herzliches Lachen, verstecken es jedoch hinter vorgehaltenen Händen. Die Moschee ist kein Ort für einen Lachanfall.

Clemens | Als Tourist hat man in Pakistan schnell ein Dutzend neue Freunde, nicht unbedingt fürs Leben, aber zumindest für ein paar Minuten. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass man sie dazu noch als Facebook-Freunde bezeichnen kann oder, je nach medialer Neigung, vielleicht als Instagram-Follower.

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Pakistan-Lektion #6: Immer mehr Zeit einplanen, denn spontane Gruppenfotosessions dauern ewig.

Das Spiel mit den Selfies geht jetzt schon über eine halbe Stunde. Ich habe mit 53 Männern völlig unterschiedlichen Alters Selfies gemacht, habe mit 45 die Hand geschüttelt und mit 36 von ihnen persönliche Worte über meine Herkunft, mein Alter und unsere Reiseabsichten gewechselt. Auch haben wir 21 neue Instagram-Follower und 16 neue Facebook-Fans. Fünf von ihnen haben mir direkt eine offizielle Freundschaftsanfrage gestellt.

Die Mehrheit der Pakistaner ist genauso aktiv in den sozialen Netzwerken wie Europäer, Asiaten und Nordamerikaner, ganz gleich welchen Alters. Unter den 200 Millionen Pakistanern haben Facebook, Twitter, Instagram und Co. 150 Millionen Nutzer. Das heißt, uns folgen nun 0,00002 Prozent der pakistanischen Bevölkerung im Social-Media-fähigen Alter. Na, immerhin.

Um uns herum stehen immer mehr Menschen. Dabei verliert die Sonne bereits an Kraft. Wollten wir nicht eigentlich Fotos von der Moschee machen statt von uns? Vielleicht sollten wir mal damit anfangen, bevor es dunkel wird. Stattdessen werden uns von allen Seiten Fragen gestellt, zu unserer Herkunft, unseren Reiseplänen und wie uns das pakistanische Essen gefällt.

»Hey du!« Ein Halbstarker in einer abgewetzten Lederjacke wendet sich an Flo. Dabei ballt er seine Hände zu Fäusten zusammen, zieht seine Schultern nach oben und verschiebt den Unterkiefer nach vorne, sodass er mich an King Kong erinnert. Schnell wird mir klar, dass seine spontane Geste keine Anmache sein soll, sondern vielmehr eine Frage, die er pantomimisch stellt. Vielleicht weil ihm die passenden englischen Worte nicht einfallen?

Flo fängt an zu lachen. »Ja! Stimmt, ich war mal Wrestler«, antwortet er sichtlich amüsiert von der Slapstick-Einlage seines Gegenübers. Dabei stellt er für eine Sekunde selbst die berühmte King-Kong-Geste nach, was bei ihm natürlich viel authentischer wirkt. Ein Ringer also! Das erklärt auch seine seltsam geformten Ohren. Weil Ringer, Judoka und andere Kampfsportler regelmäßig auf die Ohren bekommen, sehen diese oft deformiert aus. In der Fachsprache nennt man sie daher auch Blumenkohlohren.

»Bruder!« Einer meiner neuen Facebook-Freunde klopft mir auf die Schulter und winkt Flo mit hektischen Handbewegungen herbei. »Lasst uns reingehen!«

In der Gebetszeit bleibt keine Zeit für Schnappschüsse. Wie auf Kommando laufen alle schnurstracks zu den Eingängen. Es gibt einen für Frauen und einen für Männer, wobei dieser deutlich größer ist. Mit einer Mädelsgruppe ins Gespräch vertieft, steht Anne vor dem Fraueneingang. Wir nicken uns wissend zu.

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Pakistan-Lektion #7: Niemals den Moschee-Knigge missachten.

Schuhe aus!

Man zieht seine Schuhe aus, bevor man eine Moschee betritt. Im Eingangsbereich befinden sich dafür Schuhregale. Es ist eine gute Idee, Schuhe zu tragen, die sich leicht ausziehen lassen. Extrasocken sind eine noch bessere Idee.

Frauen: Haare bedecken!

Für Frauen gilt beim Besuch einer Moschee die Kopftuchpflicht. Dafür reicht meist auch ein Tuch oder Schal, um das Haar zu bedecken. Auch der Rest der Kleidung sollte eher weit geschnitten und langärmlig sein sowie Proportionen verdecken.

Männer: Angemessene Kleidung tragen!

Auch für Männer ist es angemessen, auf kurze Kleidung zu verzichten. Lange Hosen und Hemden/T-Shirts sind für Männer geeignet.

Separate Zugänge benutzen!

In den meisten Moscheen gibt es für Frauen und Männer unterschiedliche Eingänge. Frauen beten hinter Trennwänden oder in abgetrennten Bereichen, nicht in der Hauptgebetshalle. Einige Moscheen lassen Frauen aufgrund des Platzmangels und der Tatsache, dass einige Gebete für Männer obligatorisch, für Frauen jedoch freiwillig sind, überhaupt nicht zu.

Handy aus!

Vor dem Besuch einer Moschee sollte man unbedingt das Handy ausschalten. Alles andere wäre respektlos.

Nicht essen oder trinken!

In Moscheen wird nicht gegessen oder getrunken, mit Ausnahme des Teilens von Süßigkeiten zu besonderen Anlässen wie dem Ramadan, Eid Mubarak oder bei Hochzeiten.

Ruhe, bitte!

Eine Moschee ist ein Ort der Ruhe. Man sollte nicht sprechen, sondern sich lautlos verhalten.

Besuchszeiten beachten!

Muslime beten fünfmal am Tag. Das beginnt schon vor der Morgendämmerung und geht bis in die Nacht. Man sollte sich vorab über Öffnungszeiten informieren (auf der Website oder auf Facebook).

Freitage beachten!

Das Freitagsgebet ist eine im Koran verankerte religiöse Verpflichtung. Es ist für muslimische Männer und Jungen ab der Pubertät vorgeschrieben und für muslimische Frauen empfohlen. Moscheen sind dann besonders gut besucht. Nichtmuslime dürfen manche Moscheen während des Freitagsgebets nicht besuchen.

Nicht stören!

Es gilt als respektlos, vor jemandem zu gehen oder zu stehen, der betet. Man sagt, das Gebet sei dann ungültig, da zwischen dem Gläubigen und Gott kein zweites Lebewesen treten darf.

Grüße erwidern!

Viele Besucher begrüßen sich beim Betreten der Moschee auf Arabisch: »As-Salamu alaikum« (Friede sei mit dir). Wenn man antworten möchte, lautet die Gegengrußbotschaft »Wa alaikum as-Salam« (Und Friede sei auch mit dir).

Bei der ersten Begegnung mit Muslimen ist es üblich, nur Gleichgeschlechtlichen einen Händedruck anzubieten. Viele Muslime nicken mit dem Kopf oder legen ihre Hand über ihr Herz, wenn sie jemanden des anderen Geschlechts begrüßen.

Anne | Mit dem Ruf zum Abendgebet ändert sich auch die Kulisse in der Moschee. Von allen Seiten strömen Männer, Kinder, Frauen und Babys auf den riesigen Vorplatz und in Richtung Eingang. Wer keinen Platz in der Moschee bekommt, der kann seinen Teppich vor den Toren ausrollen. Clemens und Flo folgen ihnen, während ich im Zentrum wallender Gewänder stehe. Eine Frau nach der anderen schwebt förmlich an mir vorbei, grüßt mich und streckt im Vorbeigehen noch schnell die Hand für ein Selfie hoch.

Für mich bleibt die Tür zur Moschee geschlossen. Zu viele Frauen sind heute da, zu wenig Plätze für Frauen in der Moschee.

»Du bist sehr schön«, schreibt mir Fatima um 17:45 Uhr auf Instagram.

Gut, dass Mohammed keine Ahnung von sozialen Medien hatte.

Fatima: Hi, haben uns in der Fasil Masjid getroffen. Hab gesagt, dass ich dir auf Insta folge. Bitte folge mir und antworte mir.

Anne: Hi! Klar weiß ich, wer du bist.

Fatima: Du bist sehr schön.

Anne: Danke fürs Folgen! Bis bald

Fatima:

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