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Den Hund sah er erst, als er schon fast vor ihm stand. Das Tier war in höchster geschlechtlicher Erregung, kurz vor dem Augenblick, da der Samen aus dem starren, dünnen Glied schießen musste. Der Hund kümmerte sich nicht um ihn, bemerkte ihn wohl gar nicht in seiner Ekstase. Zwischen den langen, spitzen Eckzähnen schlenkerte ihm die Zunge weit aus dem Maul. Sein Bauch, flach an den Boden gepresst, bewegte sich in schnellem Rhythmus vor und zurück, die Vorder- und Hinterpfoten waren vom Leib weggespreizt und vom Festkrallen im Sand halb darin vergraben. Der Hund war allein. Er bestieg den Strand, kopulierte mit der Erde.

Sperber konnte die Augen nicht abwenden, es war ein obszönes, ein unheimliches, ein Naturschauspiel, der Hund hielt die Erde umschlungen und besprang sie rückhaltlos.

Es kommt vor, dass ein Hund ein menschliches Bein umkrallt und beginnt, sich daran abzuarbeiten, bis entweder der Hunde- oder der Beinbesitzer eingreift und ihm seine Onanierhilfe entzieht. Dieser Hund aber, der weiter unbeirrt sein Geschlecht in den warmen Sand rammte, schien sich vor aller Augen, in diesem Fall vor den zweien des Wanderers, mit dem ganzen Erdenrund vereinigen zu wollen, und wer wollte ihm schon die Erde wegnehmen? Die Erde wehrte sich nicht. Das Liebesgebaren der Geschöpfe auf ihrer runden, haftenden Oberfläche war für sie nur ein leises Kitzeln, ein Ameisenverkehr, dem sie keine Beachtung schenkte, sie drehte sich weiter, ohne dass die wilden Zuckungen dieses tierischen Liebhabers ihre Drehungen auch nur um eine Viertelsekunde beschleunigt hätten. Die Mutter Erde, die Fruchtbarkeit selbst, lässt sich nicht befruchten.

Er riss sich los, bevor die Erregung des Hundes ihren Höhepunkt erreicht hatte. Er fühlte sich als Voyeur, war fasziniert und zugleich abgestoßen. Wovon eigentlich abgestoßen? War das nicht ein natürlicher Vorgang, und dazu noch ein lustvoller? Vor diesem Hund stehend, stand er vor sich selbst, vor einem Ich-Selbst ohne Scham, ohne Hemmungen, ohne Moral. Stattdessen mit etwas anderem, was er nicht besaß?

Er betrat die Mole, an deren ins offene Meer hineinragendem Ende ein kleiner, von einem rostigen Gitter bekränzter Leuchtturm stand. Er ging darauf zu. Es war jene Stunde zwischen Hund und Wolf oder vielmehr zwischen Schwalbe und Fledermaus, die Stunde, in der sich beide in der Luft begegnen, die eine geht schlafen, die andere wacht auf, die Lichter sind schon entzündet, aber der Himmel ist noch hell, und die Sterne liegen noch tief in ihm verborgen. Und es begab sich, jawohl, es begab sich, dass zu dieser Stunde und an dieser Stelle des Horizonts das dunstige Silberblau des Himmels und des Meeres fugenlos ineinanderflossen und nicht mehr zu unterscheiden waren. Die Mole führte geradewegs in diese graublaue Tiefe hinein, und bei jedem neuen Schritt war es ihm, als stiege er eine Himmelsleiter empor, aber er erblickte keine Engel und auch keinen Gottvater, stattdessen weiterhin den Leuchtturm, dessen einst weiß getünchte Mauern sich hell von dem Meereshimmel abhoben wie auf einem alten Porträt das rissige, matte Weiß eines Brusttuchs von einem blassblauen Kleid, und dessen Spitze jetzt wie ein Gestirn zu leuchten begann.

Wo der nur bei Ebbe freiliegende Leuchtturmsockel im Boden verankert war, erblickte der Spaziergänger den Betonwall, den man zur zusätzlichen Befestigung schlangenlinienförmig um das Fundament gegossen hatte. Mit jeder zurückflutenden Welle wurde die von weißem Schaum ins schlürfende Wasser gezeichnete Schlangenlinie einen Atemzug lang sichtbar. Der Leuchtturm bleckte die Zähne, wie um das Meer in Schach zu halten. Am Fuß des Leuchtturms war das Wasser fast schwarz.

Tal der Herrlichkeiten

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