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Vorwort

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An die Leserin, an den Leser,

bevor Sie dieses Buch lesen, möchte ich Sie kurz über mich informieren: Ich bin Mutter von drei Kindern. Zwei wurden während meines Studiums geboren, eines zu Beginn der Promotion. Heute arbeite ich als Akademische Rätin im Fach Geschichte an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Mein jüngstes Kind ist jetzt 12 Jahre alt. Inzwischen lässt sich meine Stelle in Forschung und Lehre gut mit meiner Aufgabe als Mutter vereinen. Die Kinder verstehen, was ich tue, und sie sind so unabhängig von mir, dass sie mich auch mehrere Tage entbehren können, wenn es sein muss. Als sie kleiner waren, war das für alle Seiten schwer. Für meinen Partner, der zum Teil unter großen persönlichen und beruflichen Einschränkungen alles alleine stemmen musste, während ich manchmal wochenlang irgendwo im Archiv saß, für die Kinder, die mich schmerzlich vermisst haben und für mich als Mama, die die Kinder vermisste und zugleich schreckliche Selbstzweifel (Stichwort: Rabenmutter) hatte.

Auch wenn man zwei Einkommen braucht, gibt es immer einen anderen Weg. Warum also habe ich den steinigen Weg auf mich genommen? Weil ich der Meinung bin, dass man seine persönlichen Fähigkeiten ausbilden und sich selbst gerecht werden muss, im besten Sinn!

Ich habe an den verschiedenen Universitäten, an denen ich war, aufgrund meines biografischen Modells einigen Gegenwind – und zwar meist von Personen ohne Kinder – erfahren. Manchmal war klar, dass ich aufgrund meiner Mutterschaft und der damit verbundenen fehlenden örtlichen Flexibilität und nicht etwa aufgrund fehlender Kompetenzen nicht weiter gefördert wurde. Nach der Geburt des zweiten Kindes wurde ich von einem männlichen Privatdozenten ernsthaft gefragt, „ob das denn sein musste“, im Sinn von: „Wir hatten so viele Hoffnungen in Sie gesetzt, aus Ihnen hätte wirklich etwas werden können!“ (Vermutlich meinte er es sogar gut.) Als ich mit 30 Jahren ins Ausland gehen wollte, bekam ich von der fachlichen Beratungsstelle mitgeteilt, dass ich dazu ja wohl ‚zu alt‘ sei. Ich ging nicht ins Ausland.

Ich habe aber zugleich auch viel Rückenwind und Unterstützung erfahren, von Vorgesetzten, die primär meine fachlichen Fähigkeiten sahen und die familiäre Situation in Kauf nahmen oder von solchen, die das im Sinn einer Pluralisierung begrüßten oder mich gerade wegen meiner Erfahrungen als Mutter u.a. zur Betreuung des Bereichs Combining Career and Family am Graduate Center for the Study of Culture der Justus-Liebig-Universität Gießen einstellten. Größte Unterstützung erhielt ich von Vorgesetzten, die selbst Kinder haben.

Inzwischen hat sich die Stimmung an den Universitäten auch aufgrund der wissenschaftspolitischen Steuerung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft wesentlich verändert, nicht jedoch das Anforderungsprofil der universitären Qualifikationsstufen und die noch sehr wirksamen Vorstellungen über die Verfasstheit eines immer noch primär männlichen Lehrstuhlinhabers (2015: 11,4% Frauen auf W3/C4-Stellen laut Statistischem Bundesamt). Bis zur quantitativen Gleichstellung von Männern und Frauen in allen Statusgruppen ist es noch ein weiter Weg. Sollten wir dies jemals erreichen, wird es nach wie vor fraglich sein, ob die, die es schaffen, Kinder haben, und die, die es geschafft haben, noch Kinder bekommen werden. Oder ob es jenseits des Studiums doch heißen wird: Kind ODER Uni.

In diesem Sinne wünsche ich allen, die dieses auf Erfahrungen, Recherchen und Beobachtungen basierende Büchlein lesen, viel Mut und Kraft, Durchhaltevermögen, funktionierende soziale Netzwerke, gute Vorbilder und verständnisvolle Mentorinnen und Mentoren.

Annette C. Cremer

Gießen, im Oktober 2017

Studieren und Forschen mit Kind

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