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1.2 Was will das Buch? Entscheidungshilfe und Wegbegleiter
ОглавлениеWer als Frau oder Mann, Student/in, Doktorand/in oder Professor/in mit einem Kind an der Universität studiert, forscht oder lehrt, muss vielem gleichzeitig gerecht werden: den oft gegensätzlichen Bedürfnissen und Anforderungen des/der Kindes/Kinder, des/r Partners/in und der eigenen Person sowie denen der Universität. Mütter und Väter können nicht frei über ihre Zeit verfügen, sondern müssen sich dem Schlaf- und Wachrhythmus ihrer Kinder und den gesicherten Kinderbetreuungszeiten unterordnen. Dabei muss ein mindestens aus zwei Personen bestehender Haushalt bewältigt werden. Alltagsorganisation sowie Fahr- und Bringzeiten, Kindergeburtstage, (Kinder-)Krankheiten und zusätzliche Arztbesuche dezimieren weiter die Zeit, die zumindest theoretisch für das Studium oder die Forschung zur Verfügung steht.
Auf den ersten Blick lässt sich der im Vergleich zur Industrie oder Dienstleistungsunternehmen wie zum Beispiel Banken scheinbar flexiblere Ausbildungs- und Arbeitsort Universität leichter mit einer Familie vereinbaren. Doch die Kehrseite der Flexibilität sind Pflichtveranstaltungen zwischen 18 und 20 Uhr und Konferenzen am Wochenende, außerhalb betreuungsgesicherter Zeiten, die nur schwer zu organisieren sind.
Es liegt inzwischen primär aus demografischen Gründen politisch im Interesse Deutschlands, die (werdenden) Akademiker/innen als dringend benötigte Fachkräfte zu fördern und zugleich Familienplanung möglich zu machen. Die erhoffte Vereinbarkeit von Wissenschaft und Familie wird daher seit einigen Jahren einerseits mit staatlicher Förderung, andererseits innerhalb der Wissenschaften durch gezielte Forschungsförderprogramme und innerhalb der Universitätslandschaft durch die universitären Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten unterstützt. Ziel der meisten Maßnahmen sind neben Förderplänen zur Herstellung von paritätischen Stellenbesetzungen die campusnahen Einrichtungen universitärer Kinderbetreuungsinstitutionen für Kinder unter 3 Jahren, das regelmäßige Abhalten von Coachingseminaren zum Studieren/Forschen mit Kind oder Studienabschlussstipendien für Mütter. Die Institution Universität hat inzwischen erkannt, dass es strukturelle Hindernisse bei der Vereinbarkeit gibt, und ist bemüht, diese abzumildern. Allerdings sind diese Bemühungen nur wohlwollende ‚Tropfen auf den heißen Stein‘, denn die traditionsorientierte Universitätslandschaft verändert sich in Bezug auf Studien- und Arbeitsbedingungen nur sehr langsam.
Dieser Ratgeber ist gedacht für Betroffene und Interessierte aller akademischen Statusgruppen, besonders aber für Studierende und Promovierende, für Eltern und die, die es werden (wollen). Der ersten Gruppe will er Entscheidungshilfe und Wegbegleiter sein und zugleich eine praktische Unterstützung anbieten. Der zweiten Gruppe, also denen, die Eltern werden wollen oder sich aus beruflichen oder wissenschaftspolitischen Gründen für das Thema der Vereinbarkeit von Studium und Familie interessieren, will der Ratgeber einen Einblick in die Herausforderung der Doppelbelastung und die strukturellen Bedingungen des Arbeitsfeldes Universität ermöglichen.
Mit Kind zu studieren, zu promovieren und zu habilitieren, ist kein leichtes Unterfangen. Wer postuliert, die Vereinbarkeit sei „kein Problem“, der betreibt Augenwischerei und tut dies vermutlich aus Gründen der Political Correctness. Denn was gewollt ist, muss auch machbar sein. Fast alle, die mit Kind an der Universität studieren oder forschen – und damit in einem System, das einen hohen Grad an Flexibilität fordert, ohne zugleich Sicherheit zu bieten –, betonen in der Öffentlichkeit die Machbarkeit. Hinter vorgehaltener Hand jedoch werden zugleich immer Zweifel an der Vereinbarkeit und Probleme aufgrund der hohen Belastung laut. Zweifel und Belastung steigen mit der Anzahl der Kinder, mit der fehlenden finanziellen Versorgung und der Beschaffenheit der sozialen Situation, in der sich die Mutter oder die Eltern befinden.