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1 Einleitung 1.1 Zur Einstimmung: Vom täglichen Irrsinn

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Mit Mama (37), Tochter (14), Söhnen (9 und 4), Babysitterin und Nachbar.

Heute ist Donnerstag und donnerstags und montags bin ich eigentlich immer an der Uni. Dienstags und mittwochs arbeite ich und freitags muss ich alles tun, was so liegen bleibt (Wäsche waschen, aufräumen etc.). Heute ist es ein bisschen anders. Heute wird ein langer Tag. Mein Partner ist bei einer Tagung und ich bin mit den Kindern alleine. Das heißt: um sechs Uhr aufstehen, Tochter wecken, Brotdosen vorbereiten. Aber Achtung: Für die Tochter alles einzeln einpacken, weil es sonst zermatscht, für Sohn 1 keinen Käse, dafür Sohn 2 nur Salami, und wenn Mandarine, dann schon geschält. Mensch, wo sind denn die ganzen Brotdosen und Trinkflaschen wieder hin?

Zwanzig vor sieben, die Tochter ist immer noch nicht beim Frühstück, also noch mal scheuchen. Als nächstes Sohn 1 wecken, er wird gern wütend, wenn man ihn zu spät weckt, weil er immer ganz früh in der Schule sein will. „Ich hab so Bauchweh, und überhaupt ist mir schlecht und heute Nacht war es wieder kalt und der Hubschrauber hat wieder krach-bumm-bäng gemacht.“ Also trösten und anspornen: „Jetzt ist der Hubschrauber ja weg. Du schaffst das schon!“

Drei vor sieben. In sechs Minuten geht der Bus und Madame ist noch nicht einmal aus dem Bad raus. Nun ja, Schönheit geht eben vor! „Ach Mami, ich brauche noch sieben Euro für so'n Heft und du musst noch was unterschreiben!“ – „Sag mal, spinnst du? Frag gefälligst abends!“, antworte ich, aber es hilft ja nichts, also schnell das Geld heraussuchen. Weil sie vergisst, die Brotdose einzupacken, renne ich ihr noch zur Bushaltestelle nach. Dann ist sie weg. Puh! Nummer eins geschafft. Dabei stelle ich fest, dass die Nachbarn vergessen haben, die gemeinsamen Mülltonnen rauszustellen, und mache das noch schnell. Wieder zurück in der Wohnung erzählt Sohn 1 indes von der Bundeswehr und dass es heute Nacht gebrannt habe (hat es nicht) und dass die Feuerwehr mit drei Autos an unserem Haus vorbei gefahren sei (ist sie nicht) und fragt, was wir an Silvester machen, ob wir wie letztes Jahr hundert Kracher (es waren zehn) anzünden würden. Ich muss ihn zum Essen nötigen, er hat einfach immer zu viel zu tun. Inzwischen ist Sohn 2 wach und ist ‚aus Versehen‘ direkt in das Zimmer seines Bruders zu dessen Lego gelaufen und hat ‚alles kaputtgemacht‘ (in Wahrheit: den Rotor des Hubschraubers entfernt, also gar kein Problem). Es gibt eine handfeste Auseinandersetzung, in der viele Schimpfwörter fallen, Sohn 2 sich verletzt, ich schimpfe und der Hund wedelnd mitspielen will. Aber da ist es zum Glück schon halb acht und Sohn 1 rennt, halbwegs vollständig, aus der Tür, nur hat er wieder den Pulli von gestern an, aber was soll's! Nummer zwei: erledigt!

Kind Nummer drei will jetzt Flöte spielen, das aber kann man auch seinen besten Nachbarn so früh nicht zumuten. Ich kann ihn von einer Weihnachtslieder-CD überzeugen. Gemütlich mümmelt er sein Müsli und singt Rudolph the Red-Nosed Reindeer. Ich habe kurz Zeit, selbst etwas zu essen und mich anzukleiden (gut aussehen geht anders). Danach ziehe ich Sohn 2 unter Protest an, denn das Nachbarskind wartet draußen schon auf seine Mitfahrgelegenheit zum Kindergarten. Um neun Uhr komme ich von dort zurück. Drei Stunden Arbeit und ich bin schon fertig und mein eigentlicher Arbeitstag hat noch nicht einmal angefangen.

Um eins muss ich nach Frankfurt, wir haben mit ein paar Kommilitonen einen Termin im Museum. Aber heute bin ich mit Kochen im Kinderhort dran und muss bis Mittag ein Drei-Gänge-Menü für 25 Kinder zaubern. Also wieder Nudeln! Den Hund habe ich auch vergessen, der muss dringend raus, ich hoffe, er kann es noch einhalten.

Weil ich ja heute nach Frankfurt muss, habe ich meine teure Babysitterin (8 Euro pro Stunde) angefleht, heute viel früher zu kommen. Sie kommt also schon um eins, passt Sohn 1 ab, bringt ihn und das Essen mit dem Auto in den Hort und holt danach Sohn 2 vom Kindergarten ab, geht mit dem Hund und sammelt um halb sechs die zwei Großen im Hort ein und macht Abendessen. Sie muss die Kinder heute das erste Mal alleine bringen und holen und hat nur eine gekritzelte Wegbeschreibung, hoffentlich geht also alles gut. Dummerweise muss sie heute schon um halb acht weg, das wird also zeitlich eng.

Ich merke: Frankfurt schaffe ich einfach nicht, denn in einer Woche muss ich wieder ein Referat an meiner Uni halten und weiß eigentlich noch gar nicht, worüber. Ich flüchte also ganz kurz vor eins aus dem Haus vor der Babysitterin, die ja denkt, ich wäre in Frankfurt, dann sage ich Frankfurt ab (sehr peinlich) und setze mich in Marburg in die Bibliothek. Auf dem Weg dorthin bringe ich das Auto in die Werkstatt, es braucht Winterreifen. Um sechs muss ich es wieder abholen. In der Bibliothek arbeite ich tatsächlich auch ganz gut, drei Stunden lang, dann hab ich Hunger und Durst, und weil es dort keine Cafeteria gibt, gehe ich wieder. Es ist zwanzig vor sechs und ich würde gerne ein Buch über Nacht aus der Präsenzbibliothek mitnehmen. Der Mensch hinter der Theke sagt zu mir, Übernachtausleihe wäre erst ab sechs, ich solle in zwanzig Minuten wiederkommen. Auf meinen Verweis, ich hätte Kinder und müsse jetzt nach Hause, zuckt er mit den Schultern und sagt, die Regeln seien nun einmal so. Na klasse.

Ich hole ohne Buch mein Auto wieder ab und gehe dann einkaufen, weil alles alle ist. Um kurz vor halb acht schleppe ich einen riesigen Einkauf zuhause die Treppen hoch, drei Kinder, der Hund und die Babysitterin kommen angerannt. Natürlich wollen alle mich ganz alleine und sofort, schließlich haben sie mich ja den ganzen Tag entbehrt. Vier Leute reden also gleichzeitig auf mich ein, die Tochter will noch in den Reitstall, der Sohn noch Fernsehen und ein Nutellabrot, der Kleine hängt sich an mein Bein und will ein Buch lesen und die Babysitterin will ihr Geld und wissen, wann sie wiederkommen soll. Ich versuche verzweifelt, mich auszuziehen. Zu allem Übel kommt noch der Nachbar und braucht eine Zwiebel: „Klar“, sag ich, „geh einfach in die Küche und hol dir eine!“ Und jetzt reicht es mir plötzlich und ich plärre die Babysitterin an: „Kannst du BITTE mit den Kindern ins Bad gehen? Und nein, jetzt gibt es kein Nutellabrot mehr. Und du, hör auf zu motzen, heute geht es nicht mehr in den Reitstall. Und du, LASS ENDLICH MEIN BEIN LOS!“

Um viertel vor neun sind die Jungs tatsächlich im Bett und schlafen sogar. Die Tochter wird jetzt erst so langsam wach, hört laut Musik und wird gleich wieder eine Stunde lang das Bad blockieren. Ich bin so fertig, fertiger geht es gar nicht. Aber ich muss jetzt eigentlich noch 150 Seiten bis morgen lesen, da haben wir wieder Forschungskolloquium. Ich lese quer, bis mir die Augen zufallen und nehme mir vor, morgen früh schon um fünf Uhr aufzustehen, damit ich die restlichen Texte noch schaffe. Aber natürlich werde ich das nicht schaffen, unzureichend vorbereitet sein und mich an der Uni wieder schlecht fühlen.

Die Babysitterin hat wohl doch vergessen, mit dem Hund zu gehen, das merke ich aber erst, als ich die Bescherung auf dem Teppich entdecke. Die nächsten zwanzig Minuten verbringe ich mit Putzen. Bevor ich umfalle, beneide ich nochmal kurz all die Leute, die keine Kinder haben und sich ihren Tag frei einteilen können. Und dann frage ich mich immer: Warum haben die eigentlich Zeitprobleme?

So (oder ähnlich) passiert zu Beginn meiner Promotion.

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Zugegeben: Nicht jede Mutter oder jeder Vater hat drei Kinder; nicht jede/r muss zusätzlich zum Studium arbeiten; nicht jede/r hat einen Partner, der viel reisen muss, oder einen Hund, der zusätzlich Mühe macht. Nicht jeder Tag muss sich so gestalten, aber manchmal kommt es zu solchen Zuspitzungen. Im Zentrum der kleinen Glosse zum Rollenkonflikt stehen die verschiedenen Anforderungen, die sich aus der Kombination von Studium, Wissenschaft und Familie ergeben. Diese Anforderungen können im Spannungsfeld zwischen den eigenen und den kindlichen Bedürfnissen, den alltäglichen Notwendigkeiten und den Anforderungen der Universität schnell zu Überforderungen werden.

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