Читать книгу Beichten - Annette Reifenscheid - Страница 9

Mitleid

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Hubert war Anfang 70, vor seiner Pensionierung war er in leitender Position bei dem Finanzamt einer Großstadt in NRW tätig gewesen. Den Ruhestand konnten er und seine Frau leider nur sehr kurz genießen. Etwa zwei Jahre nach seiner Pensionierung verstarb seine Frau sehr plötzlich an Krebs! Von einem solchen Schicksal zu hören macht mich persönlich immer sehr betroffen. Die einzige Person die ihm in dieser Zeit Halt geben konnte, war seine Tochter. Sie hatte Lehramt studiert, und war seit einiger Zeit an einer Grundschule in der Nähe von Köln beschäftigt. Allerdings verstarb auch seine Tochter ein Jahr darauf ebenfalls an Krebs. Wenn ich so etwas höre fällt es mir meist sehr schwer dazu etwas zu sagen, denn bei solchen Schicksalsschlägen fehlen mir ganz einfach die Worte, denn ich habe ganz einfach Angst etwas ganz und gar Falsches zu sagen. Hubert schilderte mir die letzten Monate seiner Tochter, bis ins kleinste Detail. Die fehlgeschlagene Chemotherapie und das damit verbundene Bangen und Hoffen. Aber trotz aller Bemühungen war seiner Tochter nicht mehr zu helfen gewesen. So erzählte er mir, wie er die letzten Stunden an ihrem Krankenhausbett verbrachte, ihre Hand hielt und plötzlich fragte mich Hubert, ob er mich in den Arsch ficken dürfe! Es war wirklich das erste Mal, dass ich sprachlos war...

Ich konnte und wollte nichts erwidern, Hubert anscheinend auch nicht, denn er legte auf! Das Entsetzliche an der Sache ist, es gibt zwei Möglichkeiten, entweder die Angelegenheit hat sich wirklich so zugetragen wie Hubert sie mir geschildert hat, oder aber es spielte sich Alles nur in seiner Fantasie ab. Ich finde beide Varianten fast gleichermaßen entsetzlich. Ich bin schon oft gefragt worden, ob mir nicht manche der Männer Leid täten, vielleicht sollte ich irgendwann einmal denjenigen gegenüber, die solche Fragen stellen Huberts Geschichte zum Besten geben...

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Vollkommen anders Peter, er war Mitte 60 und hatte eine ausgesprochene Vorliebe für Hardcore Pornos, nein es war eher schon eine Passion! Er liebte die Filme, die bereits in die Richtung des harten SM gingen. Extrem hohe Schuhe, Stiefel, Frauen die gleichzeitig eine Anal- und Vaginaldehnung über sich ergehen lassen mussten, Gesichts- und Körperbesamung, Gang Bang usw. ...

Davon sollte ich ihm berichten, diese Schilderungen gefielen ihm ungemein. Nachdem er mich bereits einige Male angerufen hatte, begann er sich zu öffnen. Er erzählte mir, dass er seit seiner Kindheit an einer Spastischen Lähmung litte, wie diese Schienen, die er permanent tragen müsse, und die damit verbundenen bösen Bemerkungen sein Leben geprägt hatten! Auch von seiner Mutter die eine angesehene Geschäftsfrau war, sich aber für ihren, in ihren Augen behinderten Sohn schämte! Er erzählte mir, wie er von seiner Mutter als Krüppel beschimpft wurde, wenn sie wütend war! Aber trotzdem hatte er es geschafft, nach bestandenem Abitur in Wien Kunst zu studieren. Weit weg von seiner Mutter. Auch schilderte er mir, wie er in Wien von seinem Onkel und dessen Frau mit offenen Armen empfangen worden war. Sein Onkel musste in Wien eine sehr bekannte Galerie besessen haben. Nach dem Studium, und einigen Aufenthalten im Ausland, machte auch er sich mit einer solchen selbstständig. Meistens rief mich Peter an wenn er sich in seinem Geschäft befand. Ab und zu bekam ich natürlich mit, wenn Kunden den Laden betraten, etwas suchten oder etwas abholten. Nachdem was ich so mitbekam musste sich das, was er in seinem Geschäft verkaufte im sehr hohen Preissegment befinden. Peter war verheiratet, auch seine Frau schleppte bezüglich ihrer Mutter eine Bürde mit sich herum. Nach seinen Angaben war Sex für seine Frau etwas äußerst schmutziges und dreckiges! Sie waren fast 30 Jahre verheiratet, hatten aber seinen eigenen Angaben nach, in dieser ganzen Zeit nicht mehr als 20 Mal miteinander Sex gehabt! Außerdem hatte seine Frau im Laufe der Jahre mitbekommen welcher Leidenschaft ihr Mann verfallen war. Die daraus resultierenden Auseinandersetzungen möchte ich mir nicht vorstellen. Einerseits konnte er von diesen Vorstellungen nicht mehr lassen, andererseits war er der Meinung, er sei „pervers und krank“, diese Attribute nämlich hatte ihm seine Frau im Streit an den Kopf geworfen! Deshalb machte sich bei Peter langsam Verzweiflung breit. War er nun pervers und krank, wollte er wissen. Natürlich nicht! Viele Männer konsumieren Hardcore Pornos.

Peter war in seiner Verzweiflung schon so weit, dass er, als er wegen eines kleinen Eingriffes im Krankenhaus war eine Urologin fragte, ob seine Neigungen wirklich pervers seien. Von dieser Ärztin bekam er ebenfalls ein entschiedenes Nein zu hören. Peter lebte nur mehr in der Angst, dass seine Frau merken könnte, dass seine Neigung bezüglich Pornos noch extremer geworden war. Ja und dann fragte ich Peter ob es etwas geben würde, was er und seine Frau gemein hätten. Ja antwortete Peter, Katzen. Er und seine Frau kümmerten sich um ausgesetzte und misshandelte Tiere. Sie unterstützten Tierheime, und kümmerten sich auch persönlich um die Ärmsten der Armen. Ein Wesenszug der auch mir nicht ganz fremd ist. Peter hat mich gebeten ihn zu besuchen, falls ich einmal in seiner Nähe sein sollte. Da ich die Stadt aus der er kommt, als eine der schönsten Deutschlands bezeichnen würde bestimmt...

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Auch Geralds Geschichte war in meinen Augen tragisch, allerdings war ich mir nicht so sicher, ob die Angaben der Wahrheit entsprachen, oder einfach nur Fantasie waren.

Gerald war 52 und er wollte zur Transsexuellen werden, und in diesem so genannten „neuen Leben“ wollte er seine Dienste einer Herrin anbieten! Seinen eigenen Worten nach, hatte er bereits eine Herrin, diese kannte er allerdings nur per Telefon. Um das Aussehen einer Transsexuellen zu erreichen, brauchte er natürlich die passende Oberweite. Dieses wollte er aber nicht wie andere Transsexuelle durch eine Operation erreichen, sondern durch eine immerhin zwei Jahren andauernde Behandlung mit einer speziellen Hormoncreme. Besagte Herrin hatte ihm hierzu geraten. Sie wollte ihn, wenn der angestrebte Brustumfang erreicht sei, abholen und ihn in ihren Räumlichkeiten den Männern zur Verfügung stellen. Allerdings kam ihm nach einer Weile die Sache doch spanisch vor... Vielleicht, meinte er läge es ja daran, dass er seine Herrin unlängst gefragt habe ob es schlimm sei, dass er eine kleine Behinderung habe. Ich fragte ihn daraufhin was für eine Behinderung dies denn sei, er meinte er hätte eine Rückradverkrümmung! Gerald tat mir Leid. Manchmal erzählte er mir von den Sticheleien seiner „netten“ Arbeitskollegen. Dazu kam diese Ungewissheit, er wartete immer noch auf den angekündigten Schub, der seine Brüste nun endgültig zum Wachsen hätte bringen müssen. Jetzt nahm Gerald an, seine Herrin hätte sich aufgrund der Behinderung von ihm abgewandt. Zweifelsohne, er befand sich in einem Dilemma. Egal welche Variante, Wahrheit oder Fantasie, beides ist in meinen Augen schlimm. Eine Frau die eventuell ein böses Spiel mit ihm treibt, oder die Fantasie sich von Männern benutzen zu lassen...

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Auch Rudis Geschichte zeugt nicht gerade von einem zivilisierten Umgang der Menschen miteinander. Rudi suchte eine feste Beziehung, als ich ihm erklärte, dass er die Nummer einer Sexhotline gewählt habe, und hier bestimmt keine feste Beziehung finden würde, war ihm das egal. Eigentlich suchte er nur jemanden zum Reden, er wohnte mit seiner Mutter und seiner fast blinden Großmutter auf einem Bauernhof in der Nähe eines kleinen oberbayerischen Dorfes. Momentan sei er leider arbeitslos, Arbeit gäbe es schon in der Region, vor allem in der Forstwirtschaft. Aber da auch er zu 60% sehbehindert sei, kämen diese Jobs für ihn leider nicht in Frage. Freunde habe er in diesem kleinen Dorf keine, die Dorfjugend würde ihn wegen seiner Behinderung mehr oder weniger schikanieren. Die Einzigen, die sich um ihn kümmerten waren ein ansässiger Arzt und dessen Ehefrau. Die Beiden nahmen ihn jeden zweiten Freitag mit in die nächste Kreisstadt. Dort, so erzählte er mir habe er auch schon ein paar Freunde gefunden. Auch könne er in der Stadt ohne angepöbelt zu werden ins Wirtshaus gehen. Er dürfe sogar mit dem Arzt zusammen am Stammtisch sitzen, und die Wirtsleute dort hätten eine Tochter in seinem Alter, und diese habe ihn bereits angelächelt...

Ich persönlich halte nichts von Happyends, aber in Rudis Fall würde es mich doch sehr freuen...

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