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„Vati, die Perlenkette musst du mir schenken, ich brauche sie unbedingt am Sonntag für Gretel von Grunows Kostümfest. Ich habe schon allen erzählt, dass ich sie bekommen werde, doch keine meiner Freundinnen will es glauben.“ Das junge Mädchen lachte übermütig. „Die Mädels werden Augen machen, wenn ich mit der herrlichen Kette antrete.“

Franz Wolfram machte eine fast verlegene Handbewegung.

„Die Kette kostet viel zuviel Geld“, wandte er ein. „Ich kann dir die Perlen nicht kaufen. Du besitzt ja auch schon Schmuck genug.“

Liselotte, die einzige Tochter Wolframs, war als Kind immer zart und kränklich gewesen, deshalb hatte er sie masslos verwöhnt, und sie hielt es längst für selbstverständlich, dass ihre Wünsche erfüllt wurden.

Nun betrachtete sie ihren Vater mit einem kleinen belustigten Lächeln, das ihr zwei Grübchen in die vollen rosigen Wangen zauberte. Sie drückte ihre glänzend polierten Nägel leicht in das helle Leder des Klubsessels, in dem sie sass, und antwortete ruhig:

„Du bist ja doch reich, Vati, und verdienst immer noch neues Geld dazu. Was bedeuten da für dich ein paar tausend Mark, wenn es sich um etwas handelt, was ich gern haben möchte. Bitte, schenk mir die Kette. Ich war schon bei Heller im Geschäft und habe sie probiert und ihm in sichere Aussicht gestellt, du kämest bald, sie für mich zu kaufen.“

Franz Wolfram hatte schon öfter festgestellt, dass Liselottes Wünsche in letzter Zeit immer ungewöhnlicher und kostspieliger geworden waren, und seine Schwester Ria, die in seinen Augen eine der klügsten und vernünftigsten Frauen war, die es gab, hatte erst gestern wieder zu ihm gesagt: „Wenn du bei Liselotte nicht bald bremst, verlangt sie nächstens noch Mond und Sterne von dir. Du solltest ihr einmal einen ihrer grossartigen Wünsche versagen. Sie muss doch endlich begreifen lernen, dass es auch unerfüllte Wünsche gibt, denn sie entwickelt sich sonst zu einer regelrechten Tyrannin.“

Er hatte darauf erwidert: „Ich kann Liselotte keinen Wunsch abschlagen. Sie ist das Ebenbild ihrer zu früh verstorbenen Mutter, und du weisst, wie sehr ich die geliebt habe.“

Ria hatte ihm freundlich zugenickt: „Ich weiss, Franz, doch du verdirbst das Mädchen durch deine Nachgiebigkeit. Du machst Liselotte lebensuntüchtig und egoistisch. Es ist ein sehr guter Kern in ihr, aber sie sollte endlich dahinterkommen, dass sie nicht der Mittelpunkt der sonderlichen Welt ist, um den sich alles dreht. Ihre zu leidenschaftlichen Wünsche musst du ihr versagen. Glaube mir, die kleine scheinbare Härte wird zu ihrem Besten sein.“

An diese Worte seiner Schwester hatte Wolfram gedacht, als Liselotte jetzt von ihm verlangte, er solle ihr bei Juwelier Heller eine teure Perlenkette kaufen, nur weil sie vor ihren Freundinnen geprahlt hatte, sie würde diesen Schmuck von ihrem Vater erhalten. Also erklärte er sehr ernst:

„Du hast Schmuck genügend, Liselotte – ich habe dir bereits den ganzen hinterlassenen Schmuck deiner Mutter geschenkt, und ich sehe keinen Grund, dir in diesen schweren Zeiten, da so viele Menschen Not leiden, noch ein so kostbares Stück zu kaufen, nur weil du dich vor deinen Freundinnen aufspielen willst, um mich deutlich auszudrücken.“

Die hellbraunen Augen Liselottes hatten sich verdunkelt, und das Lächeln war von dem feinen eigenwilligen Gesicht wie fortgeweht.

„Ist das dein voller Ernst, Vati?“ fragte sie, und in ihrer Stimme war ein heiserer Beiklang.

Wolfram hatte sich jedoch vorgenommen, diesmal stark zu bleiben, wenn es ihm auch schwer wurde, seinem über alles geliebten Töchterchen etwas abzuschlagen.

„Jawohl, es ist mein voller Ernst!“ Es wirkte sogar sehr energisch, als er hinzusetzte: „Es fällt mir nicht ein, diese überflüssige Laune von dir zu befriedigen. Du bist noch nicht einmal neunzehn Jahre und brauchst keine Perlen, die ein kleines Vermögen kosten.“

„Unter Mutters Schmuck besinden sich keine Perlen“, erklärte Liselotte, „ich aber liebe Perlen so sehr.“

Wolfram blieb ungerührt.

„Wenn du älter sein wirst, können wir uns vielleicht noch einmal über dieses Thema unterhalten.“ Er erhob sich von seinem Platze am Schreibtisch. „Mein liebes Kind, die Perlen kannst du jetzt nicht kriegen, also finde dich damit für die nächsten Jahre ab. Und nun habe ich keine Zeit mehr, ich werde im Kontor erwartet.“

Liselottes Gesicht wurde sehr bleich.

„Dann, Vati, tue ich irgend etwas ganz Verzweifeltes. Ich laufe fort von hier, weit fort und du siehst mich niemals wieder. Ich will und darf mich nicht verspotten lassen von meinen Freundinnen, und Juwelier Heller soll mich für keine Aufschneiderin halten. Ich habe doch zu ihm gesagt, dass du mir die Kette bestimmt kaufen wirst.“

Franz Wolfram war wirklich ärgerlich.

„Wegen Eitelkeitströdel begeht man keine solchen Torheiten, und du denkst auch gar nicht daran, aber du sollst dich schämen, mir damit zu drohen!“

Er ging aus dem Zimmer und liess die Türe energisch hinter sich ins Schloss fallen.

Da stand nun Liselotte Wolfram, und ihr war zumute, als hätte der Vater, der bisher immer mehr als gut zu ihr gewesen, sie ganz unsäglich schwer beleidigt. Wie hatte er gesagt? „Wegen Eitelkeitströdel begeht man keine solche Torheiten, und du denkst auch gar nicht daran, aber du solltest dich schämen, mir damit zu drohen.“

Ein Würgen sass ihr in der Kehle, und sie hatte nur den einen Gedanken, dem Vater zu beweisen, dass sie es ernst gemeint und dass es sich um keine leere Drohung gehandelt hatte. Sie war ein Mensch, der, von einer fixen Idee beherrscht, sich taub und blind dieser Wahnvorstellung unterordnet.

Tränen verdunkelten ihren Blick, sie fühlte sich grenzenlos missverstanden und erniedrigt.

Niemals war ihr Vater so zu ihr gewesen wie heute. Niemals!

Sie trat an das Fenster, und ein paar Tränen drängten sich aus ihren Augen. Sie kam sich so unglücklich vor und stand der Tatsache, dass ihr der Vater eine Bitte abschlagen konnte, völlig fassungslos gegenüber.

Sie wurde aus ihrem Nachsinnen gerissen, weil sich die Tür öffnete. Franz Wolframs Schwester Ria trat ein. Sie war seit langem Witwe und führte ihrem ebenfalls verwitweten Bruder den Haushalt. Sie war wie ihr Bruder gross und breit, hatte gerade, etwas grobe Züge, und ihr Haar war, wie das des Bruders, leicht ergraut.

Liselotte hatte sich umgewandt und blickte der Eintretenden ein wenig feindselig entgegen. Sie ahnte, von welcher Seite der Vater zu seiner Weigerung bestimmt worden war.

Ria Mönkeberg lachte vergnügt: „Na, Mädelchen, was tust du denn hier so allein im Arbeitszimmer deines Vaters? Und du siehst ja aus, als wären dir alle Felle weggeschwommen.“

Sie wusste genau, was los war. Der Bruder hatte sie, bevor er in seine Fabrik gefahren war, noch schnell von Liselottes Wunsch unterrichtet und hinzugefügt, dass er ihre Bitte glatt abgeschlagen hätte.

Liselotte erzählte der Tante das Vorgefallene.

Diese nickte. „Sehr vernünftig von deinem Vater, dass er so gehandelt hat. Du bist noch viel zu jung für so etwas wie echte Perlen. Und vor deinen Freundinnen, dem jungen Gemüse, brauchst du dich nicht zu genieren; Juwelier Heller fasst es bestimmt nicht ernst und bindend auf, wenn ein minderjähriges Mädchen ein paar Worte hinredet, als wenn es über die väterliche Börse und den väterlichen Willen frei verfügen dürfte. Darum brauchst du dich nicht so anzustellen, Liselotte! Soviel ich weiss, musst du jetzt in deine Gymnastikstunde. Also beeile dich und mach ein vergnügtes Gesicht.“

Das Mädchen aber stiess hervor: „Du hast Vati aufgestachelt, so böse zu mir zu sein, er wäre sonst gar nicht darauf verfallen, mir einen Wunsch abzuschlagen!“

„Möglich, mein Mäuschen, dass mein Einfluss ein bisschen dazu beigetragen hat, aus ihm einen etwas vernünftigeren Vater zu machen, als er bisher gewesen ist. Gut wäre es jedenfalls für ihn und für dich.“

Liselotte hasste in diesem Augenblick die grosse breite Frau mit dem stets zum Lachen bereiten Mund.

Sie schritt zur Tür und sagt schluchzend: „Vielleicht denkst du bald anders darüber und bereust es, wenn es zu spät ist!“

Ria Mönkeberg lachte laut auf: „Dummes Mädel, rede nicht solchen Unsinn!“

Liselotte aber rief von der Tür her mit der Stimme einer grossen Tragödin: „Lebe wohl, Tante Ria, grüsse den Vater von mir und tröste ihn!“

Die Tür war längst hinter ihr zugefallen, da stand Tante Ria noch immer und starrte auf die weisse, mit goldenen Ornamenten geschmückte Tür, hinter der die Nichte verschwunden war. Mit einem leichten Seufzer liess sie sich in den helledernen Klubsessel fallen, in dem Liselotte noch kurz vorher gesessen hatte, und überlegte, was sie mit den beiden letzten Sätzen anfangen sollte.

Lange sass sie so, schwankte zwischen einer seltsamen Angst, die sie bisher noch nie empfunden und einem Lachen über das „überspannte Mädel“ hin und her. Warum sollte sie Liselottes Vater grüssen und ihn trösten? Liselotte würde ihren Vater ja in vier Stunden bei Tisch wiedersehen, man pflegte pünktlich um ein Uhr dreissig zu Mittag zu speisen ... Dummes Zeug war solche Rederei also!

Aber sie lief schliesslich dann doch zur Tür, rief auf den Flur hinaus, dass es laut durch das Haus schallte: „Liselotte!“ und noch ein paarmal, so laut sie konnte: „Liselotte!“

Das Hausmädchen kam und meldete:

„Das gnädige Fräulein ist eben fortgegangen.“

Ria Mönkeberg befahl: „Laufen Sie ihr nach, Else, und bestellen Sie ihr, sie möchte zurückkommen, ich hätte ihr noch etwas Wichtiges zu sagen.“

Das Hausmädchen eilte bereits davon, doch kehrte es nach einer Viertelstunde unverrichteterdinge wieder zurück. „Vom gnädigen Fräulein ist weit und breit keine Spur zu sehen“, meldete es.

Ria erwiderte scheinbar ruhig: „Es ist gut, Else“, aber ihr war unheimlich zumute, ihr Herz schlug laut. Liselotte war überspannt, ihr war in dem erregten Zustand, in dem sie sich befand, alles zuzutrauen.

Liselottes Tante wollte sich selbst auslachen, aber sie brachte kein Lachen auf, sann nur immer wieder den beiden seltsamen Sätzen nach, die ihre Nichte gesagt hatte, ehe sie gegangen war. Sie rief Fräulein Strecker an, bei der Liselotte Gymnastikunterricht nahm, und bat sie, sofort Nachricht zu geben, sobald Liselotte dort ankäme. Nach mehr als einer Stunde telephonierte Fräulein Strecker endlich: „Fräulein Liselotte ist heute nicht zum Unterricht erschienen.“

Da erschrak Ria Mönkeberg bis ins Innerste. Ihre Angst wuchs. Sie rief ihren Bruder an und machte keinen Hehl aus ihren Bedenken.

Franz Wolfram lachte:

„Aber Ria, du bist so ängstlich? Das hätte ich dir gar nicht zugetraut! Liselotte bockt sich einfach aus und kommt dann ganz vergnügt nach Hause.“

„Gott gebe, dass du recht hast!“ erwiderte seine Schwester.

Franz Wolfram fühlte plötzlich ebenfalls eine unheimliche Beengung; es war, als lange irgend etwas Unheimliches nach ihm mit knochigen Eishänden. Er rief in die Muschel des Apparates: „Ich werde sofort nach Hause kommen, erkundige dich inzwischen bei Liselottes Freundinnen.“

Der Lebensretter

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