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4.

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Ria Mönkeberg war zum Weinen traurig. Es war allerdings anscheinend alles glimpflich abgegangen, sofern Liselotte nicht etwa doch noch krank wurde, aber das Geschehene verlor trotzdem nichts von seiner Schrecklichkeit. Wenn Liselotte nicht in solcher Verwirrung das Haus verlassen hätte, wäre das Furchtbare jedenfalls nicht geschehen.

Unglaublich, ganz unglaublich schien es, dass ein Mädchen so einer Lappalie halber hatte davonlaufen wollen in irgendein unsicheres, wahrscheinlich böses Schicksal hinein.

Dass Liselotte so einen Entschluss fassen konnte, war sehr, sehr traurig; für den Bruder wie für sie.

Wie gross war denn eigentlich Liselottes Liebe zu Vater und Tante, die ihr die Mutter ersetzte, wenn sie um eines törichten Wunsches willen, der ihr nicht erfüllt worden war, gleich den Kopf verlor und davonlief?

Da, wo das Herz sass, tat es der sonst so energischen Frau sehr weh, und sie wischte schnell ein paar Tränen fort, ehe sie Liselottes Schlafzimmer wieder betrat. Der Arzt beruhigte eben ihren Bruder:

„Keine Angst, verehrter Herr Wolfram, Ihre Tochter ist schon morgen wieder ganz gesund. Das heisst, krank ist sie überhaupt nicht, nur der Schreck und die Kälte und Nässe setzen ihr noch zu.“ Er wandte sich an die eben eintretende Ria Mönkeberg: „Sie werden schon mütterlich fürs Prinzesschen sorgen, nicht wahr, gnädige Frau. Und hier habe ich die Tabletten aufgeschrieben. Unsere Patientin kann übrigens essen und trinken, worauf sie Appetit hat.“

Er verabschiedete sich, und Franz Wolfram begleitete ihn hinaus.

Nachdem der Arzt gegangen, liess sich der Taxi-Chauffeur melden. Er wartete noch immer auf seine Bezahlung. Er beklagte sich über die nassgewordene Polsterung seines Wagens. Franz Wolfram fand sich rasch und gut mit ihm ab, dann zog er seinen Mantel an und setzte den Hut auf. Mit seinem Auto fuhr er selbst so schnell wie möglich vor dem Juwelengeschäft Heller vor. Der alte weltgewandte Herr verneigte sich sehr höflich zur Begrüssung.

„Ich weiss, weshalb Sie kommen, Herr Wolfram“, sagte er. „Das gnädige Fräulein stellte mir schon Ihren Besuch in nahe Aussicht.“

Er schloss einen Kassenschrank auf und entnahm ihm ein Etui.

„Ich habe diese wunderschönen Perlen aus dem Schaufenster zurückgezogen für das gnädige Fräulein, damit niemand sonst Gelüste danach verspüren soll. Sie kleiden das gnädige Fräulein aber auch ganz hervorragend.“

Der Juwelier öffnete das längliche Etui und hielt es Franz Wolfram offen entgegen. Da lag auf goldbraunem Samt eine kleine Schnur leicht rosig schimmernder Perlen.

Und wegen dieser Perlenkette hätte sein einziges Kind, sein vergöttertes Töchterchen, beinahe in den Tod gehen müssen. Denn im Grunde genommen trug diese Kette die Schuld. Wie klein, fast bescheiden, schien ihm jetzt Liselottes Bitte, gemessen an den Folgen, die er durch die Nichterfüllung heraufbeschworen hatte.

Er sah den fragenden Blick des Juweliers, und es fiel ihm ein, dass er ausser dem Gruss beim Eintreten, bisher noch gar nichts gesprochen hatte.

Wolfram hüstelte und lobte etwas verlegen:

„Die Perlen sind sehr schön, meine Tochter beweist guten Geschmack.“

Der Juwelier lächelte.

„Für die Art von Schönheit wie die des gnädigen Fräuleins sind Perlen das einzig Richtige. Zu goldblondem Haar, braunen Augen und so klarem rosigem Teint gehören ganz einfach Perlen.“

Franz Wolfram nickte nur. Daheim lag sein schönes blondes Töchterchen im Bett wie eine Kranke, um den armen zarten Körper zu erwärmen, der im schmutzigen Flusswasser beinahe den Tod gefunden hatte. Schnell musste er ihr bringen, wonach sie verlangte.

Er zog sein Scheckbuch, füllte einen Scheck mit der verlangten Summe aus, äusserte noch ein paar belanglose höfliche Worte und fuhr dann heim. Seine Hand fühlte mehrmals in der Tasche nach, ob sich das längliche Etui noch an seinem Platz befand. Er konnte es kaum abwarten, Liselotte mit den Perlen zu beschenken. Endlich hielt sein Wagen vor der Villa, endlich konnte er die Treppe hinaufeilen. Er nahm immer mehrere Stufen auf einmal.

Wolfram klopfte an Liselottes Schlafzimmertür.

Seine Schwester öffnete und flüsterte:

„Sie schläft. Ganz plötzlich ist sie eingeschlafen.“

Er trat auf den Zehenspitzen näher und blickte gerührt auf das feine Gesicht seines Kindes, dessen Augen fest geschlossen waren.

Liselotte atmete ganz ruhig, aber dem Vater war es, als läge ein bitterer Zug um den jungen Mund und dunkle Schatten unter den Wimpern, als wäre das geliebte Antlitz deutlich vom Leid gezeichnet. Die Qual der bösesten Stunde dieses jungen Lebens hatte ihre Spuren zurückgelassen.

Wolfram blickte seine Schwester an und zog das Etui aus der Tasche, legte es vorsichtig auf die Bettdecke, so dass es Liselotte, sobald sie aufwachen würde, gleich in die Hände fallen musste.

Ria Mönkeberg zog den Bruder ins Nebenzimmer, machte die Türe zu.

„Die Perlen hättest du nicht kaufen dürfen, Franz“, sagte sie vorwurfsvoll. „Es ist ein Zeichen von Schwäche, dass du ihr doch nachgibst.“

In seinen Augen, die den ihren so ähnlich waren, blitzte es zornig auf.

„Was du meinst, Ria, ist mir ziemlich unwichtig, jetzt, wo es darum geht, meinem Kinde eine Freude zu bereiten nach dem Furchtbaren, was es durchgemacht hat. Du hast mir ja öfter den guten Rat gegeben, Liselotte weniger zu verwöhnen, und genau besehen war das, was heute geschehen, die Antwort darauf, dass ich deinen Rat befolgte. Ich gebe dir sogar recht bis zu einem gewissen Grade, Liselotte ist ja vielleicht zu verwöhnt; aber was schadet es denn schliesslich? Ich habe ja nur das eine Kind und reich genug bin ich auch, also verwöhne ich sie weiter. Glaube mir, das ist schon am besten so.“

Ria zuckte die Achseln.

„Wenn ich dir riet, Liselotte nicht so grenzenlos zu verwöhnen, geschah es doch nur aus dem Gefühl heraus, ihr Gutes zu erweisen. Das Leben wird vielleicht gegen Liselotte einmal etwas härter sein, und dann tut alles doppelt weh. Ein bisschen Abhärtung in dieser Beziehung hätte ihr nichts geschadet. Sie ist zu selbstbewusst, und was sie will, ist nach ihrer Ansicht richtig und muss sein.“

Wolfram machte eine abwehrende Handbewegung.

„Ich liebe mein Kind und tue, was ich kann. Der Weg, den du mir gezeigt, war falsch.“

Ein Freudenschrei von nebenan liess beide aufhorchen. Im nächsten Augenblick eilte Franz Wolfram in das Schlafzimmer seiner Tochter. Er fand sie mit rosigen Wangen und strahlenden Augen aufrecht im Bett sitzen. Um ihren Hals aber lagen die schimmernden Perlen.

„Bist du jetzt zufrieden, mein Kind?“ fragte Franz Wolfram zärtlich.

Liselotte schien gar nicht mehr zu wissen, was sie heute durchgemacht hatte. Vielleicht empfand sie es auch nicht mehr so schwer, weil es ja nun eigentlich der Preis für die ersehnte Kette gewesen war.

Sie strahlte den Vater an und versicherte: „Ich bin unbeschreiblich glücklich, Vati, eine übergrosse Freude hast du mir bereitet!“

Dann nahm sie seine Hand und zog sie an ihre Lippen.

Wolfram neigte sich herab und bedeckte das feine Gesicht mit Küssen. Dabei dachte er an ein anderes Antlitz, das auch so zart und rosig, das ihm das liebste auf der Welt gewesen war und das Liselottes Mutter gehört hatte, seiner schönen jungen Frau, die allzufrüh von ihm hinüber ins unendliche Reich der Ewigkeit gegangen war.

Der Lebensretter

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