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Definition von Macht

Das deutsche Wort »Macht« kommt von »mögen«, was ursprünglich so viel wie »können, vermögen« bedeutet. Das entspricht auch dem lateinischen Wort potestas, das von posse = können abgeleitet wird.

Es gibt verschiedene Definitionen von Macht. Christine Bauer-Jelinek, eine Psychologin und Lehrerin, die seit den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts als Wirtschaftscoach arbeitet und das von ihr gegründete »Institut für Machtkompetenz« in Wien leitet, definiert Macht so: »Macht ist das Vermögen, seinen Willen gegen einen Widerstand durchzusetzen« (Bauer-Jelinek, 58).

Es geht also häufig bei Machtausübung darum, seine Bedürfnisse durchzusetzen und damit zu erfüllen. Um das zu erreichen, muss ich Macht einsetzen. Dabei bedeutet Macht nicht Gewalt oder Kampf. Ich setze nur Mittel ein – das kann auch eine geschickte Gesprächsführung sein –, um die Erfüllung meiner Bedürfnisse durchzusetzen.

Karl Rahner, einer der bedeutendsten katholischen Theologen des 20. Jahrhunderts, definiert Macht anders. Seiner Ansicht nach besteht Macht in der aktiven »Möglichkeit, von sich aus und ohne vorhergehende Zustimmung des anderen in die realen Zustände dieses anderen verändernd einzugreifen« (Rahner, 485). Die Mittel für diese Veränderung können vielfältig sein. Daher ist es legitim und sinnvoll, »von einer Macht des Wissens und der Lehre, des Bekenntnisses, der Liebe, der Tapferkeit, des Gebetes und so weiter zu sprechen« (Rahner, 486).

Auch meine Liebe kann also in die Situation des anderen eingreifen und sie ändern. Gegenüber dieser allgemeinen Definition spricht Rahner dann auf der anderen Seite von der physischen Macht, »die von sich aus, ungefragt, auch gegen Widerspruch, verändernd und unter Umständen verengend eingreift in die Sphäre des anderen, ohne durch die Zustimmung der Freiheit des anderen wie durch einen Filter hindurchgegangen zu sein« (Rahner, 491). Diese Macht nennt Rahner »Gabe und Aufgabe Gottes«. Er ist sich bewusst, dass diese Art von Macht missbraucht werden kann. Aber sie gehört wesentlich zum Menschen, denn er lebt im gleichen Freiheitsraum. Darüber hinaus muss uns klar sein: Mit unserem freien Handeln engen wir immer schon den Freiheitsraum des anderen ein oder verändern ihn.

Romano Guardini, ein wesentlicher Vertreter der katholischen Jugendbewegung und ebenfalls wichtiger Theologe des 20. Jahrhunderts, hat ein eigenes kleines Buch über die Macht geschrieben. Darin unterscheidet er die Macht des Menschen von der Kraft des Tieres. Er schreibt: »Von Macht im eigentlichen Sinne dürfen wir also nur sprechen, wenn zwei Elemente gegeben sind: Einmal reale Energien, die an der Wirklichkeit der Dinge Veränderungen hervorbringen, ihre Zustände und wechselseitigen Beziehungen bestimmen können. Dazu aber ein Bewusstsein, das ihrer inne ist; ein Wille, der Ziele setzt; ein Vermögen, welches die Kräfte auf dieses Ziel hin in Bewegung bringt« (Guardini, 102).

Der Mensch übt nach seiner Ansicht also bei allem, was er tut, Macht aus: »Der Mensch kann nicht Mensch sein und außerdem Macht üben oder es auch nicht tun; sondern sie zu üben, ist ihm wesentlich« (Guardini, 112). Aber er muss diese Macht mit einem Sinn verbinden. Dieser Sinn der Macht besteht nach Guardini darin, das, was Gott in seiner Freiheit als Natur geschaffen hat, »im Raum der endlichen Freiheit als Geschichte und Kultur fortzuführen«. Der Mensch soll also »nicht autonom seine Eigenwelt aufrichten, sondern die Welt Gottes nach dessen Willen als menschliche Freiheitswelt vollenden« (Guardini, 113).

Ähnlich wie Romano Guardini und Karl Rahner hat auch der ehemalige Benediktinermönch und evangelische Theologe Fulbert Steffensky die Macht als eine wesentliche Eigenschaft des Menschen bezeichnet. Sie ist zunächst etwas Gutes. Steffensky schreibt: »Wer das Leben liebt, wer das Recht will, muss Macht wollen. Er muss es wünschen, mit dem Leben umzugehen. Man kann sich im eigenen Leben nicht auskennen und man kann dem fremden Leben nicht dienen, wenn man in der Ohnmacht verharrt. Es gibt eine Lebensfaulheit, die sich vor dem Handeln drückt und sich damit selbst die Lebenszuversicht untergräbt« (Steffensky, 254).

Er ist kritisch gegenüber dem »Lob einer vornehmen Ohnmacht, in der man nie schmutzig und schuldig wird, weil man sich von allen Handlungen dispensiert und der Welt ihren Lauf lässt« (Steffensky, 254). Er sieht dieses »Lob der Ohnmacht« vor allem in christlichen Kreisen lebendig, in denen man sich mit der Macht die Hände nicht schmutzig machen möchte, aber dadurch auch wirkungslos wird in der Welt. Doch der Mensch hat den Auftrag, in diese Welt hinein zu wirken, »die Wahrheit Gottes in dieser Welt voranzutreiben« (Steffensky, 254).

Natürlich weiß Steffensky auch um die Versuchung und um die Verfälschung der Macht und sieht sie vor allem darin, »sich des Lebens zu bemächtigen – der Menschen, der Tiere, der Bäume, der Erde – und ihnen nur noch als große Jagdherren gegenüberzutreten« (Steffensky, 255). Die Gefahr besteht darin, über alles herrschen zu wollen. Alles wird nur verzweckt, um die eigenen Interessen durchzusetzen. Doch gegenüber all dieser Verfälschung der Macht kann Steffensky schreiben: »Wer liebt, handelt. Wer liebt, will Macht« (Steffensky, 254). Wenn wir etwas Gutes bewirken wollen in dieser Welt, wenn wir die Welt mit Liebe durchdringen wollen, dann brauchen wir dazu die Macht.

Der deutsche Soziologe und Nationalökonom Max Weber setzt bei der Soziologie an und kommt daher in der Theologischen Realenzyklopädie (TRE) zu einer ganz anderen Definition von Macht. Für ihn bedeutet Macht »jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel, worauf diese Chance beruht« (TRE 650). Auf Macht kann in der Gesellschaft nicht verzichtet werden und gehört für Weber daher »zu den elementaren Kategorien einer jeden Politik« (TRE 650). Sie braucht jedoch auch Begrenzung. Diese Begrenzung wird durch Recht und Moral bestimmt.

Der evangelische Theologe Paul Tillich hat sich in seinen Schriften öfter mit dem Thema Macht beschäftigt. Für ihn gehören zur Macht notwendigerweise die Liebe, die Gerechtigkeit und die Menschenwürde. Er sieht in der Macht den Drang, »Getrenntes wieder mit sich zu vereinigen«. Das ist aber »nichts anderes als Liebe« (TRE 656).

Die Liebe ist für Tillich nicht die Verneinung der Macht, »sondern deren Fundament«, Gerechtigkeit »die Form, in der sich die Macht des Seins verwirklicht«. So sieht Tillich »in der Einheit von Gerechtigkeit, Macht und Liebe das Grundgesetz sowohl in den zwischenmenschlichen als auch in den sozialen Gruppenbeziehungen« (TRE 656). Die drei Kriterien, die Tillich für die Ausübung der Macht aufstellt, sind für jeden, der Macht innehat, eine Einladung zur Gewissenserforschung: Ist in meiner Macht immer auch die Liebe dabei? Übe ich meine Macht gerecht aus, sodass ich den Menschen gerecht werde? Respektiere ich bei meiner Machtausübung die Würde des Menschen?

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