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Die verschiedenen Formen, Schauplätze und Instrumente der Macht

Die österreichische Psychologin und Management-Trainerin Christine Bauer-Jelinek hat die verschiedenen Formen, Schauplätze und Instrumente der Macht beschrieben. Sie macht zunächst acht Quellen der Macht ausfindig:

1.

Die Macht der Materie, die sich in der Muskelkraft, aber auch im Besitz von Geld und Immobilien zeigt.

2.

Die Macht der Herkunft. Hier geht es um den Einfluss der Familie. Diese Macht ist heute nicht mehr so stark wie früher anzusehen.

3.

Die Macht der Mehrheit. Sie wird in den Parteien, in Bürgerinitiativen und Gemeinschaften ausgeübt. Heute zeigt sich diese Macht der Mehrheit in den Meinungsumfragen. Oft hat es den Anschein, dass sie durch die Art des Fragens manipuliert wird.

4.

Die Macht des Wissens. In unserer Informationsgesellschaft hat diese Form der Macht immer stärkere Wirkung. Zugleich ist sie jedoch auch gefährdet. Gerade indem wir bewusst Lügen über diverse Informationskanäle verbreiten, üben wir Macht über Menschen aus. Jene, über die Lügen verbreitet werden, können sich kaum dagegen wehren. Worte, die einmal geäußert und veröffentlicht worden sind, üben große, häufig eine destruktive Macht aus.

5.

Ein besonders wichtiger Punkt scheint mir die Macht der Gefühle zu sein, die Bauer-Jelinek als fünfte Quelle beschreibt. Dies ist ein wichtiges Thema, das oft vernachlässigt wird. Wir üben Macht aus, indem wir den anderen an »seiner Gier, seiner Angst, seiner Eitelkeit oder seinem Stolz packen« (Bauer-Jelinek, 76).

Sowohl positive Gefühle wie Liebe und Freude als auch negative wie Zorn oder Eifersucht haben in sich eine Macht, der sich andere oft nur schwer entziehen können. Bauer-Jelinek beschreibt diese Machtausübung gerade auch im familiären Bereich: »Im Privatleben wird die Macht der Gefühle beispielsweise durch Liebesentzug, Beleidigtsein, Wutausbrüche oder Weinkrämpfe eingesetzt ... Jammern, klagen, Vorwürfe machen, hilflos sein, sich als schwach darstellen sind gängige Methoden der Machtausübung, ebenso wie Verführung oder das Ausnützen von Sehnsüchten und sexuellen Abhängigkeiten« (Bauer-Jelinek, 76). Die Macht der Gefühle wirkt oft im Verborgenen. Daher übersehen wir sie häufig. Sie ist jedoch umso stärker, je verborgener sie ausgeübt wird.

6.

Als sechste Quelle der Macht führt Bauer-Jelinek die Macht der Funktion an. In seinem Amt oder in seiner Rolle, die er im Beruf einnimmt, übt jeder Macht aus. Je weniger äußere Macht jemand hat, desto rigoroser übt er sie häufig über jene aus, die auf ihn angewiesen sind. Ein Beispiel dafür sind gerade in Deutschland einige Ämter, wo man, um sein Ziel zu erreichen, vor geschlossenen Zimmertüren warten muss. Die Macht zeigt sich einmal im Wartenlassen, dann in Schikanen, denen die Klienten ausgesetzt sind: Man schickt sie von einem Amt zum anderen oder fordert fehlende Unterlagen an, die beim nächsten Mal mitzubringen sind. So beginnt die Tortur des Wartens aufs Neue. Oft fühlt man sich den Schikanen des »kleinen Beamten« hilflos ausgeliefert.

Dieses Verhalten findet sich in vielen Bereichen. Auch im Kloster kennen wir Mitbrüder, die ihre Macht dadurch ausüben, dass sie Bittsteller einfach warten lassen. Vielleicht kennen wir auch bei uns selbst dieses Verhalten, indem wir bei Verabredungen immer etwas zu spät kommen und die anderen warten lassen.

7.

Als siebte Quelle nennt Bauer-Jelinek die Macht der Kontakte: Man braucht Beziehungen, um etwas erreichen zu können. Es gibt Menschen, die diese Art der Macht besonders geschickt einsetzen, um ihre eigenen Wünsche durchzusetzen.

8.

Als achte Quelle nennt sie dann die Macht der Überzeugung: Jeder ist überzeugt von seiner Wahrheit und möchte andere – oft auch mit Gewalt – dazu bringen, diese Wahrheit zu übernehmen. Die Macht der Überzeugung zeigt sich zudem im jeweiligen Rechtssystem. Es gibt jedoch auch ungeschriebene Gesetze: »Die ungeschriebenen Gesetze einer Gemeinschaft bilden einen ›Rahmen der Macht‹, den der Einzelne nicht verlassen kann, ohne mit Strafe rechnen zu müssen« (Bauer-Jelinek, 81).

Bauer-Jelinek meint, in Diskussionen gehe es oft nicht um wirkliches Wissen und Wahrheit, sondern um die Macht der Überzeugungen. Man stelle seine persönliche Überzeugung als nicht zu hinterfragende Wahrheit dar. »Wenn zwei Personen bei dem Bemühen, einen Interessenkonflikt zu lösen, sich in ihren Überzeugungen verstricken, ist ihnen meist nicht mehr klar, dass sie ihre Macht einsetzen. Sie sind der festen Meinung, ganz objektiv im Recht zu sein und können dann nur noch schwer zu einer vernünftigen Lösung finden« (Bauer-Jelinek, 82).

Bauer-Jelinek unterscheidet zudem vier Schauplätze der Macht. An jedem werden andere Machtinstrumente eingesetzt und Strukturen der Macht deutlich:

Da ist einmal das »Haus« als Schauplatz der Macht. Hier ist es die Familie, in der die Eltern Macht ausüben, aber auch die Kinder gegenüber ihren Eltern. Vorherrschend ist hier die Macht der Gefühle.

Dann gibt es den »Markt« als Schauplatz der Macht, auf dem die verschiedenen Anbieter ihre Waren verkaufen und die verschiedenen Gruppierungen ihre Meinungen vertreten. Hier geht es um Wettbewerb und um die Macht des Stärkeren, aber auch um die Macht der Kreativität und der Klugheit.

Desweiteren nennt sie die »Burg« als Schauplatz der Macht. Sie steht für die Macht der Regierungen in Stadt und Land.

Als letzter Schauplatz ist der »Tempel« ein Symbol für den religiösen Bereich in unserer Gesellschaft. Hier werden vor allem die geistigen Bedürfnisse des Menschen befriedigt. Es geht jedoch auch um die Macht des Wissens, die durch religiöse Mythen sowie in dogmatischen Systemen Ausdruck findet.

In jedem der vier Bereiche wird Macht ausgeübt, jeweils auf andere Weise. Die Menschen, die in diesen vier Bereichen tätig sind, sollten sich fragen, wie sie das tun. Welche Machtspiele gibt es in der Familie? Geht es auf dem »Markt« wirklich gerecht zu? Oder sind da die Stärkeren beherrschend? Wie üben wir in der Politik Macht aus? Macht gehört zur Politik. Aber es braucht auch eine Kultur der politischen Macht. Auch im »Tempel«, im religiösen Bereich, wird Macht ausgeübt. Gerade wenn wir Meinungen vertreten oder unseren Glauben verkünden, sollten wir uns fragen, ob und wie wir Macht über andere ausüben. Es gibt die gute Macht, die andere von einem Glauben überzeugt, der heilsam ist. Aber es gibt auch die Machtausübung, die den Menschen Angst einjagt. Es geht nicht um die Frage, ob Macht oder nicht, sondern darum, wie die Macht in den vier Bereichen ausgeübt wird.

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