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Sommerurlaub
Оглавление„Einfach geil, immer gutes Wetter … Ja, klar, jeden Tag Sonne … Wer will denn heute noch braun werden? Nee, lass man … Aber das Meer, ich kann dir sagen, und Strand, so weit du gucken kannst … Und was? Ach, Weiber. Ja, doch, klar … Doch, logo. Aber die meisten sind ja nicht allein unterwegs … Was? Ich hör dich so schlecht, der Wind – was? … Du, ich muss jetzt mal Schluss machen …“
Henning legte den Hörer auf. Seine Mundwinkel sanken nach unten, für einen Moment schloss er die Augen. Dann schlug er den Kragen seiner Jeansjacke hoch und trat aus der Telefonzelle in den Nieselregen hinaus. Er würde wohl zumindest mal ins Sonnenstudio gehen müssen, bevor er die Jungs wieder traf. Noch eine zusätzliche Ausgabe nach der Telefonkarte.
Die Frau mit dem grünen Schirm, die vor der Telefonzelle gewartet hatte, lächelte ihn belustigt an, Henning sah es aus den Augenwinkeln. Er zog den Kopf noch tiefer zwischen die Schultern und ging mit schnellen Schritten am Parkplatz entlang Richtung Innenstadt.
Bei dem miesen Wetter war kaum jemand in der Stadt unterwegs. Dennoch war Henning auf der Hut. Schließlich wollte er auch keine Lehrer treffen, die ihn dann in peinliche Situationen bringen konnten, wenn nächste Woche die Schule wieder losging. Er würde sich auch noch eine Ausrede überlegen müssen, falls er dann gar nicht so lange von zu Hause wegbleiben könnte.
„Hallo!“ Vor Schreck machte Henning einen Schritt zur Seite und stieß die Dosen mit Bohneneintopf um, die als Sonderangebot ganz vorn am Gang standen. Eine ihm unbekannte Frau mit Pferdeschwanz und einer kleinen Lücke zwischen den Schneidezähnen lächelte ihn an. Dann sah er den grünen Schirm an ihrem Einkaufswagen baumeln, bevor sein Blick von den knallroten Erdbeeren daneben angezogen wurde. „Hallo“, murmelte er verlegen und verschwand in Richtung Kasse, ohne die Dosen aufzuheben.
Kurz darauf kehrte er aber doch noch einmal um und packte eine davon in seinen Korb. Die Frau war weg.
Es nieselte immer noch, Henning machte sich eilig auf den Heimweg. Als er gerade am Spielplatz mit seinen regennassen Schaukeln vorbeiging, auf dem heute kein einziges Kind spielen mochte, hörte er hinter sich ein Rutschen und einen kleinen Schrei. Er drehte sich um und sah die Zahnlückenfrau, die sich gerade wieder aufrichtete. Der Inhalt ihrer Einkaufstüte hatte sich ringsum verstreut.
„Kann ich Ihnen helfen?“ Henning hob den grünen Schirm auf. „Ich glaube, ich hätte bei diesem Wetter andere Schuhe anziehen sollen“, sagte die Frau und deutete auf ihren bereits dicker werdenden Knöchel.
„Sie dürfen das Eis nicht länger als 20 Minuten drauf lassen.“ Henning hatte ihre Taschen getragen, sie auf der Treppe gestützt und zuletzt noch den geschwollenen Fuß verarztet. „Du machst das ja richtig professionell, - wie heißt du eigentlich? Ich heiße Margret Bayer, aber das hast du sicher schon an der Tür gelesen. Wo hast du das gelernt?“ – „Ich trainier‘ die Kleinen im Hockeyclub, da muss man dauernd was verbinden.“ Henning wandte sich zur Tür.
„Moment!“ Frau Bayer zog einen Schein aus dem Portemonnaie. „Nein! Ich nehm‘ doch kein Geld für Erste Hilfe!“ Es klag etwas kratzig, aber sehr bestimmt.
Die Wolken waren heller und scheckiger geworden, fast schimmerte an manchen Stellen ein wenig Blau durch, es regnete nicht mehr. Henning pfiff leise „Always look on the bright side of life“. Vielleicht würde man morgen schon wieder skateboarden können. Eine Stunde oder so konnte er wohl mal raus. Und selbst wenn er Raffi oder Bono dabei treffen sollte: Schließlich musste man ja auch irgendwann mal aus dem Urlaub zurückkommen.
„Hallo Mama! Bin wieder da!“ Er streckte den Kopf durch ihre Zimmertür: „Bei dir alles in Ordnung?“ Fast durchsichtig sah sie aus und winzig klein zwischen den Kissen und Decken. Seit dem Wochenende ging es rapide bergab, als würde sie sich auflösen. Sprechen konnte sie schon nicht mehr. Aber sie schien ihn zu erkennen und lächelte schwach. „Ich hab eine Überraschung für dich.“
Eine halbe Stunde später stieß er die Tür mit dem Fuß wieder auf und schob sich mit dem Tablett ins Krankenzimmer. „Die hast du doch immer so gern gemocht – und dieses Jahr hatten wir gar keine…“ Neben dem Suppenteller stand eine große Schale Erdbeeren. Henning stockte. „Hoffentlich kannst du noch – ich hab sie extra klein geschnitten…“ Unsicher schaute er seine Mutter an.
Nein, sie würde nichts mehr kauen können. Aber ihre Augen strahlten.