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3. Kapitel

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Am Sonntagmorgen trank ich nur Kaffee und verzichtete wohlweislich darauf, feste Nahrung zu mir zu nehmen. Susan und die Kinder brachten mich zum Flughafen. Amina war traurig, dass ich flog, aber sie jammerte nicht. Mike nahm mir meine Reise nicht krumm. Er wusste, dass ich mit einer spannenden Geschichte wiederkommen würde.

Susan hatte Tränen in den Augen, als ich sie umarmte.

„Ich rufe dich an, okay?“, war alles, was ich herausbrachte.

Sie nickte. „Pass auf dich auf, Adam.“

Ich checkte ein und durchlief die Sicherheitskontrollen. Nachdem ich meine Sachen wieder in Empfang genommen hatte, lief ich zum Terminal. Noch dreißig Minuten bis zum Abflug, sagte der Blick auf die digitale Uhr am Schalter.

Unruhig begann ich, hin- und herzulaufen. Es war deprimierend: All die Menschen um mich herum schienen überhaupt keine Angst vorm Fliegen zu haben. Sie tranken Kaffee, lasen Zeitung, lachten und schwatzten und waren dabei völlig entspannt. Als wäre es für sie das Selbstverständlichste, in ein Blechding zu steigen, das sich wenig später in die Lüfte erhob. Sogar die Kinder schienen das normal zu finden. Sie tollten herum und jagten einander lachend durch die Bankreihen, während ich mich immer mehr verkrampfte und schon jetzt kaum noch atmen konnte. Nein, es half alles nichts: Ich war nur dann Mensch, wenn ich festen Boden unter den Füßen hatte. Allein der Gedanke, dass ich ihn in wenigen Minuten aufgeben musste, trieb mir kalten Schweiß auf die Stirn.

Bisher hatte ich noch kein wirksames Mittel gegen meine Flugangst gefunden. Die Pillen, die man in der Apotheke kaufen konnte, versagten bei mir. Auch Alkohol half nicht, im Gegenteil: Er verstärkte das Gefühl der Bodenlosigkeit nur noch und nahm mir das letzte bisschen Sicherheit.

Eine halbe Stunde später ging es an Bord und ich versuchte, mir meine Panik nicht anmerken zu lassen. Es war mindestens ein Jahr her, dass ich das letzte Mal geflogen war, und immer, wenn es lange her war, war es besonders schlimm. Dabei wusste ich schon im Voraus, was nun kommen würde: Kaum hatte sich die Kabinentür geschlossen, zog sich mein Magen zusammen. Während die Maschine zur Landebahn rollte, begannen meine Hände zu zittern und ich versteckte sie unter meinen Oberschenkeln. Schließlich packte die Stewardess die Sauerstoffmaske aus, um vorzuführen, was die Passagiere bei Druckabfall zu tun hatten, und mein Herz begann zu rasen. Als der Flieger endlich abhob, klapperten meine Zähne und ich war nassgeschwitzt.

Erstaunlicherweise überstand ich den Flug von Seattle nach Vancouver ohne Peinlichkeiten. Das Wetter war gut und die Zeit verging schneller als erwartet

In Vancouver blieb mir eine Stunde Zeit, bevor mein Anschlussflug ging. Mein Magen grummelte vor Hunger, aber ich gönnte mir nur einen weiteren Kaffee. Ich hatte noch einmal zwei Stunden Flug vor mir und fastete weiterhin in weiser Voraussicht.

Während ich am Terminal auf den Anschlussflieger nach Winnipeg wartete, beobachtete ich zwei Sicherheitspolizisten der Royal Mounted Canadian Police bei ihrem Rundgang und musste unwillkürlich an den tödliche Zwischenfall denken, der sich letzten November auf diesem Flughafen ereignet hatte. Ein polnischer Immigrant, der englischen Sprache nicht mächtig, wurde stundenlang von RCMP Sicherheitsbeamten festgehalten, weil er sich ihnen nicht verständlich machen konnte. Seine Mutter, die ihn abholen wollte, hatte mit ihm als Treffpunkt die Gepäckausgabe vereinbart, in Unwissenheit darüber, dass die im Sicherheitsbereich des Flughafens lag und sie dort gar nicht hin durfte.

Als der Mann nach zehn Stunden, in denen kein Dolmetscher aufgetrieben werden konnte, die Nerven verlor, herumschrie und in seiner Panik einen Stuhl durch die Gegend schleuderte, wurde er von einem der Polizeibeamten mit einer Taser-Pistole beschossen. Der Pole brach zusammen und wurde überwältigt. Nur Minuten später war er tot.

Beim Einsatz dieser als vollkommen ungefährlich gerühmten Taser-Pistolen, werden zwei an hauchdünnen Drähten hängende Miniharpunen abgeschossen, die sich in der Haut des Opfers oder in seiner Kleidung festhaken. Eine elektrische Impulsfolge von fünf Sekunden Dauer bei 50.000 Volt, die bis zu sechs Zentimeter dicke Kleidung durchschlägt, legt den Getroffenen zuverlässig um und setzt ihn für eine Weile außer Gefecht.

Wenige Tage nach dem tragischen Tod des Polen erzählte mir Susan voller Entrüstung, dass Sicherheitsbeamte einen ihrer Studenten mit einer Taser-Pistole aus der Universitätsbibliothek vertrieben hatten, weil er keinen Studentenausweis vorweisen konnte. Später berichtete er ihr von den extremen, folterartigen Schmerzen, die er empfand, als sich unter den Stromstößen seine gesamte Körpermuskulatur verkrampfte. Da der junge Mann sportlich und kerngesund war, blieben bei ihm keine körperlichen Schäden zurück. Der Pole hingegen hatte Pech. Die Tragik seiner Geschichte hatte mich noch lange verfolgt.

Ich zwang mich, an etwas anderes zu denken, bis ich ein zweites Mal an Bord gehen konnte. Zu allem Unglück hatte ich auf diesem Flug einen Fensterplatz zugeteilt bekommen, was die Sache nicht einfacher machte. Gleich als ich saß, schnallte ich mich an – nur zur Sicherheit. Der Platz neben mir blieb zunächst leer und ich hegte die Hoffnung, noch wechseln zu können, doch schließlich setzte sich eine junge Frau neben mich.

Das war zuviel, mir blieb die Luft weg. Wie, zum Teufel, sollte ich diesen Flug überstehen? Eingeklemmt zwischen dem Grauen der Tiefe da draußen und einer kühlen Schönheit, die Ähnlichkeit mit einem unirdischen Wesen hatte. Solche eisblauen Augen hatte ich bisher nur bei einem Huskie gesehen.

Blonde Kringel umrauschten das blasse, feingeschnittene Gesicht meiner Sitznachbarin, als sie mir ein distanziertes „Hallo“ zuraunte.

Ich rang mir ein Lächeln ab, sagte: „Hi“, und sah aus dem Fenster. Den Gedanken, sie um einen Platzwechsel zu bitten, verwarf ich. Manchmal ist es hart, ein Mann zu sein.

Die Kabinentür wurde geschlossen und mein Panikprogramm lief ab. Beim Start wurde ich in den Sitz gedrückt und schloss die Augen. Es war diesmal nur eine kleine Maschine, die mächtig holperte und wackelte, als sie nach oben ging. Später, als die Stewardess einen kleinen Snack und ein Getränk brachte, sackte der Flieger plötzlich in ein Luftloch und ich klammerte mich an den Armlehnen fest. Der Kaffee verließ meinen Magen und wanderte die Kehle hinauf. Nur mit größter Mühe schaffte ich es, den Beutel rechtzeitig zu öffnen, der für derartige Notfälle vorgesehen war. Viel kam nicht, nur ätzende Flüssigkeit, aber das Ganze war mir entsetzlich unangenehm.

Die Stewardess nahm mir die Tüte mit einem pflichtbewussten Lächeln ab und reichte mir ein feuchtes Tuch, damit ich meinen Mund abwischen konnte. Verstohlen warf ich einen Blick auf meine Sitznachbarin mit den arktischen Augen, vor der ich mich so elend blamiert hatte. Mein Unglück schien sie kalt zu lassen. Vollkommen ungerührt blätterte sie in einem bunten Werbeprospekt.

Die nächsten anderthalb Stunden überstand ich in einer Art Wachkoma. Als die Maschine beim Landeanflug über dem Winnipeg International Airport Schräglage annahm, machte ich den unverzeihlichen Fehler, einen Blick aus dem Fenster zu werfen. Über der Stadt tobe ein schwerer Schneesturm, ließ uns der Pilot in diesem Moment wissen, es könne zu Turbulenzen kommen.

Mein Herz raste und meine Zunge klebte am Gaumen. Die Maschine schaukelte wie ein Boot auf Hochseewellen, sie holperte hin und her und als sie erneut absackte, rechnete ich mit dem Schlimmsten.

Ging es schnell, bis der Flieger auf dem Boden aufprallen und ein gewaltiger Rums allem ein Ende setzen würde? Reichte die Zeit, um hinter geschlossenen Augenlidern mein ganzes Leben zu sehen, abgespult wie ein Film? Würde ich mich wimmernd an die Schneekönigin mit den Eisaugen klammern?

Schweiß perlte von meiner Stirn, während Hände und Füße eiskalt waren. Mein Unterkiefer vibrierte und meine Hände krampften sich um die Armstützen, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten. Meine Knie zitterten wie bei einem Junkie, der auf Entzug war.

Du wolltest noch eine Menge tun in deinem Leben, Adam. Zum Beispiel herausfinden, ob Daniel Blueboy dein Cousin oder Bruder ist. Ich biss die Zähne zusammen. Wer meine richtige Mutter war und warum sie mich weggeben hatte, würde ich vielleicht nie erfahren. Susan fand gewiss schnell wieder jemanden, klug und schön wie sie war. Meine Kinder würden ohne ihren Vater aufwachsen müssen, ein Gedanke, der mir beinahe das Herz zerriss. Nur ich konnte Amina zum Sprechen bringen, wenn sie mal wieder aus irgendeinem Grund schwieg. Und Mike ... mein Sohn hielt mich für einen unsterblichen Helden. Ein gequälter Seufzer entwich meiner Kehle und plötzlich spürte ich eine warme Hand auf meinem schlotternden Knie.

„Nur keine Angst“, sagte meine Sitznachbarin mit sanfter Stimme. „Der Pilot hat Erfahrung mit solchem Wetter.“

„Woher wollen Sie das wissen?“, stieß ich hervor, ohne meine Augen zu öffnen.

„Er ist mein Mann“, antwortete sie in einem amüsierten Tonfall.

Nun schlug ich doch die Augen auf und sah sie lächeln. Ich schöpfte wieder Hoffnung. Tatsächlich landete der Pilot die Maschine sicher, obwohl er meiner Ansicht nach nicht einmal die Landebahn erkennen konnte, so dicht wie das Schneetreiben da draußen war.

„Sagen Sie Ihrem Mann schöne Grüße von mir, er hat das wirklich hervorragend gemacht“, sagte ich mit unendlicher Erleichterung zu ihr, als wir den Flieger verließen.

Die Frau mit den Huskyaugen drehte sich lächelnd zu mir um. „Tut mir leid, ich bin gar nicht verheiratet. Aber Sie sehen schon viel besser aus, junger Mann.“

Verblüfft blieb ich stehen und blickte ihr nach, bis ich von hinten weitergedrängt wurde.

In der Halle sah ich mich nach Robert Blueboy um, konnte allerdings niemanden entdecken, auf den meine Vorstellung passte. Als ein Mann im blauen Anorak auf mich zukam, dachte ich zuerst an einen Irrtum. Er hatte hellbraunes, gelocktes Haar, das ihm bis auf die Schultern fiel. Als der Mann direkt vor mir stand, sah ich, dass seine Augen grau waren und die Augenlider gerötet. Sein kantiges Kinn war frisch rasiert.

„Adam Cameron?“, fragte er.

Ich nickte stirnrunzelnd.

Er streckte mir die Hand hin: „Robert Blueboy. Ich bin froh, dass Sie gekommen sind.“ Robert hatte einen kräftigen Händedruck und war einen halben Kopf kleiner als ich, vielleicht einsfünfundsiebzig. Ich schätzte ihn auf Anfang dreißig. „Wie war Ihr Flug, Mr Cameron?“

„Reden wir nicht davon“, brummte ich. „Und Adam reicht völlig aus.“ Er nickte und bückte sich nach meiner Tasche, aber ich kam ihm zuvor.

„Macht es Ihnen etwas aus, bei mir zu wohnen?“, fragte Robert verlegen. „Meine Frau ist vor vier Wochen mit unserem Sohn auf und davon und ich habe viel Platz im Haus.“

Um ehrlich zu sein: Ich hatte wenig Lust, mir die Klagen eines verlassenen Ehemannes anzuhören, und das war auch nicht mein Job. Aber so wie es aussah, würde mich die Lösung des Falles einiges kosten - schon für den Flug hatte ich 500 Dollar bezahlen müssen. Deshalb hatte ich nichts dagegen, die Hotelkosten zu sparen.

Zwar kannte ich keine Geldsorgen, aber meine Mutter hatte mir beigebracht, sparsam zu sein. Sie hatte Alice und mir dazu geraten, immer erst darüber nachzudenken, ob das Geld, das wir gerade ausgeben wollten, nicht noch sinnvoller eingesetzt werden konnte.

„Ich brauche einen ungestörten Platz zum Arbeiten und ich muss kommen und gegen können wann ich will.“

„Klar.“ Robert nickte.

Ich nahm seine Einladung an.

Als wir den Terminal verließen, wehte der Schnee wie ein kalter Fluch in mein Gesicht. Eisiger Wind biss in meine Haut. Ich zog mir die Kapuze über den Kopf, aber der Wind kam von vorne, deshalb nützte das reichlich wenig. Ich schluckte einen Schwall Kälte, die im Hals brannte und mir den Atem nahm. Meine Knie wurden auf der Stelle zu Frostbeulen. Ich bereute, meine langen Unterhosen nicht schon am Morgen angezogen zu haben.

Robert Blueboy verschwand im Flockenwirbel und ich stand orientierungslos da. Für einen Augenblick war ich kurz davor, in Panik auszubrechen. Doch plötzlich tauchte er aus dem Nichts wieder auf, packte mich am Arm und zog mich mit sich fort. „Der Blizzard war angekündigt“, rief er. „Ich dachte schon, Ihr Flieger würde gar nicht landen.“

Nicht landen? Ich weigerte mich, weiter darüber nachzudenken.

Robert fand seinen roten Subaru Kombi kurze Zeit später wieder und fegte mit dem Arm den Schnee von den Scheiben und Türen. Er lud meine Tasche in den Kofferraum und öffnete mir die Beifahrerseite. Ich sprang hinein und zog die Tür zu.

„Tja“, sagte Robert, als er neben mir saß, „das ist übliches Januarwetter bei uns. Sie im Süden sind da sicher anderes gewöhnt.“ Er versuchte einige Male vergeblich, den Motor anzuwerfen, der dabei grässliche, wenig vertrauenerweckende Geräusche von sich gab.

„Süden ist vielleicht ein bisschen übertrieben“, erwiderte ich, „aber es ist wahr: So viel Schnee und Kälte gibt es in Seattle nur alle paar Jahre einmal. Trotzdem bin ich jeden Winter drauf und dran, mit meiner Familie nach New Mexico umzusiedeln. Ich mag den Winter nicht.“

Der Motor heulte auf und Blueboy fuhr los. „Dann werden Sie sich hier nicht sonderlich wohlfühlen, Mr ... äh, Adam. Winnipeg hat den Ruf, die kälteste Stadt Nordamerikas zu sein. Bei uns dauert der Winter fünf Monate.“

Winterpeg, ich weiß. Aber ich werde schon klarkommen.“ Zumindest redete ich mir das ein.

Das Schneetreiben blieb dicht und draußen sah alles gleich aus. Wir befuhren breite, autobahnähnliche Straßen, die gesäumt waren von gesichtslosen grauen Häusern. Wir überquerten Gleise, kamen durch eine verqualmte Industriegegend mit Lagerhallen, Schrottplätzen und Autohöfen. Einmal hätte uns beinahe ein großer Schneepflug erwischt. Auto fahren war also nicht weniger gefährlich als Fliegen – jedenfalls in dieser Stadt und bei diesem Wetter.

Inzwischen befanden wir uns im Nordteil von Winnipeg, erklärte mir Robert, im Bezirk West Kildonan. Er lebte in einer dieser typischen Siedlungen, in denen Menschen aus der Unterschicht meist unter sich sind. Kleine, heruntergekommene Häuser, die dicht gedrängt nebeneinander standen. Er fuhr den Kombi in eine freigeräumte Einfahrt unter einen offenen Carport. Der gelbe Ziegelbungalow, zu dem die Einfahrt gehörte, war auf den ersten Blick gut in Schuss.

„Ich arbeite für eine Baufirma“, erklärte mir Blueboy, als wir auf der Veranda standen und er seine Haustür aufschloss. „Im Augenblick ist Flaute, die meisten Leute wurden entlassen. Aber ich denke, Ende März geht es wieder los. Zwischendurch halte ich mich mit Aushilfsjobs über Wasser.“

„Nettes Haus“, bemerkte ich.

„Ja. Nur ein bisschen groß für einen allein.“

Ich schwieg.

Drinnen war es angenehm warm, und das von mir befürchtete Chaos im Haushalt eines frisch verlassenen Ehemannes herrschte auch nicht. Offenbar kam Robert ganz gut klar. Wir hängten unsere Jacken an die Garderobe und er führte mich in eine freundlich wirkende Küche: Einbauschränke mit einer Oberfläche aus heller Holzimitation, ein Kiefernholztisch mit sechs Stühlen und ein Regal, in dem vielleicht einmal Kochbücher gestanden hatten. Jetzt war es ausgeräumt, bis auf ein altes Radio und ein paar Fotos in Stellrahmen. Neben der Spüle standen ein umgestülpter Kaffeebecher, ein Teller und ein Glas. Auf dem Fensterbrett kümmerten zwei Grünpflanzen vor sich hin.

„Früher war es immer sehr gemütlich bei uns. Nora hatte ein Händchen dafür. Ich habe das nicht. Ist ziemlich mühsam, alles in Ordnung zu halten. Nichts macht sich von allein. Eine Menge Dinge musste ich erst lernen.“

Schon wieder das leidige Thema. Aber ich konnte Roberts Worte nicht erneut ignorieren. „Wie ich sehe, haben Sie alles bestens im Griff.“

Robert musterte mich einen Augenblick nachdenklich. Ich hatte das Gefühl, dass er froh war, mich da zu haben, jedoch nicht wusste, wie er mit mir umgehen sollte. Es war anzunehmen, dass er bisher noch nie mit einem Privatdetektiv zu tun hatte.

Ich wollte Susan anrufen, um ihr zu sagen, dass ich gut angekommen war, aber Roberts Einsamkeit war so offensichtlich, dass ich es nicht in seiner Gegenwart tun wollte. Ich fragte ihn nach der Toilette und er zeigte mir das Bad.

Auf dem Badewannenrand sitzend, berichtete ich Susan, dass ich den Flug überstanden hatte und bei Robert wohnen würde. Ich erkundigte mich nach Amina und Susan versicherte, dass es ihr gut ging. Aminas Freundin Jo war da und die Mädchen spielten zusammen.

„Groll mir nicht mehr“, bat ich sie. „Ich liebe dich.“

„Komm bald zurück“, sagte sie. „Ich brauche dich.“ Und legte auf.

Ich würde zurückkehren, wenn der Fall abgeschlossen war. Susan wusste das.

„Möchten Sie einen Kaffee, Adam?“, fragte Robert, als ich wieder in die Küche trat.

„Tee wäre mir lieber, wenn das möglich ist.“ Für heute hatte ich genug Kaffee getrunken. Mein Magen hätte jetzt etwas Handfestes vertragen können, aber ich wollte meinen Gastgeber nicht in Verlegenheit bringen.

Robert füllte den Wasserkessel auf und setzte ihn auf den Herd. Während er sich um Tee und Kaffe kümmerte, betrachtete ich die Fotos im Regal. Eines zeigte Robert mit einer hübschen, etwas molligen Indianerin und einem sieben- oder achtjährigen Jungen. Jeder der drei hielt einen Luftballon in der Hand und lachte in die Kamera. Ein Schnappschuss aus glücklichen Zeiten.

Das zweite war ein großes Familienfoto, auf dem mehr als ein Dutzend Leute abgebildet waren. In der Mitte eine strahlende Mittfünfzigerin, daneben ein etwas älterer Mann.

„Der 54. Geburtstag unserer Mutter“, sagte Robert, als er mich das Foto betrachten sah. „Das war im August 1997. Damals war die Welt noch halbwegs in Ordnung.“

Ich musste wissen, wer jede einzelne Person auf diesem Gruppenbild war, aber das konnte ich auch später noch fragen.

Auf dem dritten gerahmten Foto schaute mich ein Junge mit schulterlangem, leicht gelocktem Haar, vollen Lippen und großen schwarzen Augen herausfordernd an. Keine Frage, wer das war. Mir kam sofort in den Sinn, dass die Mädchen Daniel Blueboy gemocht haben mussten, denn er war ein ausgesprochen gutaussehender junger Mann gewesen.

Ich nahm das Foto, griff auch nach dem Familienfoto, legte beide auf den Tisch und setzte mich. Dann holte ich den Spiralblock und einen Kuli aus meiner Ledertasche. Als ich eine Tasse mit dampfendem Tee vor mir stehen hatte, und Robert einen Becher Kaffee, saßen wir uns eine Weile schweigend gegenüber. Die Heizungsrohre knackten. Der Tee duftete nach Orangen. Ich war froh, nicht mehr im Flieger sitzen zu müssen und freute mich darauf, etwas Warmes in den Magen zu bekommen.

Schließlich schob ich das Foto des jungen Mannes über den Tisch. „Lassen Sie uns über Daniel reden, Robert.“

Starlight Blues

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