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III

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Inhaltsverzeichnis

Am nächsten Abend fuhr er zu den Turkins, um einen offiziellen Antrag zu machen. Er kam aber ungelegen: Jekaterina Iwanowna war mit dem Friseur in ihrem Zimmer, sie wollte in den Klub zu einem Tanzabend.

Er mußte lange im Eßzimmer sitzen und Tee trinken. Als Iwan Petrowitsch merkte, daß der Gast nachdenklich war und sich langweilte, holte er aus der Westentasche einen Zettel und las einen sehr drolligen Bericht eines deutschen, der russischen Sprache nicht mächtigen, Gutsverwalters vor.

– Sie werden wohl eine recht anständige Mitgift geben, – dachte sich Starzew, kaum zuhörend.

Nach der schlaflosen Nacht fühlte er sich so, als ob er etwas Süßes und Einschläferndes getrunken hätte. Alle seine Empfindungen waren unklar und verworren, aber es war ihm doch freudig und warm ums Herz, obwohl ein kaltes, schweres Stückchen seines Gehirns ihm zuredete:

– Halt ein, solange es nicht zu spät ist! Ist sie denn die richtige Frau für dich? Sie ist launisch, verzogen, ist gewohnt, bis zwei Uhr zu schlafen, du aber bist der Sohn eines Küsters und ein Landarzt ....

– Was macht denn das? – entgegnete er darauf. – Von mir aus! –

– Außerdem, wenn du sie heiratest, – fuhr das Stückchen Gehirn fort, – werden ihre Eltern dich zwingen, deine Stellung auf dem Lande aufzugeben und in die Stadt zu ziehen. –

– Was macht das? – sagte er sich. – Warum soll ich auch nicht in der Stadt wohnen? Sie werden mir eine Mitgift geben, und wir werden uns schön einrichten ... –

Endlich erschien Jekaterina Iwanowna in einem ausgeschnittenen Ballkleid mit einem Dekolleté, hübsch, frisch, blühend, und Starzew geriet in solches Entzücken, daß er kein Wort hervorbringen konnte und sie nur anstarrte und lachte.

Sie begann sich zu verabschieden. Da er hier sonst nichts zu suchen hatte, erhob er sich auch und erklärte, daß er heim müsse: seine Patienten erwarteten ihn.

»Nichts zu machen,« sagte darauf Iwan Petrowitsch, »fahren Sie nur heim; Katja kann übrigens mit Ihnen bis zum Klub mitfahren.«

Draußen ging ein feiner Sprühregen nieder, und es war so finster, daß man nur am heiseren Husten Pantelejmons erkennen konnte, wo der Wagen stand. Man hob das Verdeck.

»Essigsaure Tonerde, ißt du saure Tonerde,« deklamierte Iwan Petrowitsch, seiner Tochter in den Wagen helfend, »ißt er saure Tonerde ... Los! Leben Sie sowohl, als auch!«

Sie fuhren ab.

»Ich war gestern auf dem Friedhofe,« begann Starzew. »Wie wenig großmütig war es von Ihnen und wie grausam!«

»Sie waren auf dem Friedhofe?«

»Ja, ich war da und habe auf Sie fast bis zwei Uhr gewartet. Habe so furchtbar gelitten ...«

»Leiden Sie nur, wenn Sie keinen Spaß verstehen.«

Jekaterina Iwanowna war höchst zufrieden, daß sie den Verliebten so schön angeführt hatte und daß er sie so leidenschaftlich liebte; sie fing zu lachen an und schrie plötzlich erschrocken auf, da der Wagen in diesem Augenblick in den Hof des Klubs einfuhr und sich stark auf die Seite neigte. Starzew faßte sie um die Taille; sie schmiegte sich erschrocken an ihn, er konnte sich nicht mehr beherrschen und küßte sie leidenschaftlich auf den Mund und auf das Kinn und umarmte sie noch fester.

»Genug!« sagte sie trocken.

Nach einem Augenblick war sie nicht mehr im Wagen, und der Schutzmann vor der hellerleuchteten Klubeinfahrt schrie den Kutscher Pantelejmon mit widerlicher Stimme an:

»Was stehst du da, du Maulaffe? Weiterfahren!«

Starzew fuhr nach Hause, kam aber bald wieder zurück. In einem fremden Frack, mit einer steifen weißen Binde, die immer nach oben rutschen wollte, saß er um Mitternacht im Gesellschaftszimmer des Klubs und sprach begeistert zu Jekaterina Iwanowna:

»Wie wenig wissen die, die niemals geliebt haben! Mir scheint, daß noch kein Dichter die Liebe richtig beschrieben hat, daß man dieses zarte, freudige und qualvolle Gefühl kaum beschreiben kann, und daß ein Mensch, der es auch nur einmal erfahren, es niemals mit Worten wiedergeben wird. Wozu alle die Vorworte und Schilderungen? Wozu die unnötigen Phrasen? Meine Liebe ist grenzenlos ... Ich bitte, ich flehe Sie an,« entfuhr es ihm plötzlich, »werden Sie die Meine!«

»Dmitrij Ionytsch,« sagte Iekaterina Iwanowna nach kurzer Ueberlegung mit sehr ernstem Gesichtsausdruck, Dmitrij Ionytsch, ich danke Ihnen für die Ehre, ich achte Sie sehr, aber ...« Sie erhob sich und fuhr stehend fort: »Aber entschuldigen Sie, ich kann nicht die Ihre werden. Wollen wir uns ernst aussprechen. Dmitrij Ionytsch, Sie wissen, daß ich mehr als alles im Leben die Kunst liebe, daß ich die Musik vergöttere und ihr mein ganzes Leben geweiht habe. Ich will Künstlerin werden, ich dürste nach Ruhm, nach Erfolgen, nach Freiheit, Sie aber wollen, daß ich auch weiterhin in dieser Stadt lebe und dieses leere, unnütze Leben, das mir unerträglich ist, fortführe. Ich soll heiraten? Oh, nein, entschuldigen Sie! Der Mensch muß nach höheren, glänzenderen Zielen streben, das Familienleben würde mich aber für immer fesseln. Dmitrij Ionytsch (sie lächelte leise, da sein Name sie plötzlich an ›Alexej Feofilaktowitsch‹ erinnerte), Dmitrij Ionytsch, Sie sind ein guter, edler, kluger Mensch, Sie sind besser als alle ...« Tränen traten ihr in die Augen. »Ich fühle mit ganzem Herzen mit Ihnen, aber ... aber Sie müssen mich verstehen ...«

Um nicht in Tränen auszubrechen, wandte sie sich ab und verließ das Zimmer.

Starzews unruhiges Herzklopfen hörte auf einmal auf. Als er wieder auf der Straße war, riß er sich vor allen Dingen die steife Binde herunter und holte tief Atem. Er schämte sich ein wenig, sein Ehrgeiz war verletzt, – er hatte den Korb nicht erwartet, – und er konnte noch nicht glauben, daß alle seine Träume, Gedanken und Hoffnungen ein so dummes Ende genommen haben wie irgendeine alberne Posse in einer Liebhaberaufführung. Sein Gefühl, seine Liebe taten ihm so sehr leid, daß er imstande gewesen wäre, zu weinen oder den Kutscher Pantelejmon aus aller Kraft mit dem Regenschirm auf den breiten Rücken zu hauen.

An die drei Tage konnte er weder arbeiten, noch essen und schlafen; als er aber hörte, daß Jekaterina Iwanowna nach Moskau verreist war, um ins Konservatorium einzutreten, beruhigte er sich und lebte wieder so wie vorher.

Als er sich später manchmal daran erinnerte, wie er auf dem Friedhofe herumgeirrt oder wie er in der ganzen Stadt auf der Suche nach einem Frack herumgelaufen war, reckte er träge seine Glieder und sagte:

»So viele Scherereien ...«

Die bekanntesten Novellen, Dramen und Erzählungen von Anton Pawlowitsch Tschechow

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