Читать книгу Perry Rhodan 150: Stalker (Silberband) - Arndt Ellmer - Страница 10

5. Die Maske fällt

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»Es wird Zeit, Stalker«, sagte Homer G. Adams.

»Hast du dir alles gut überlegt?«, fragte Sotho Tal Ker.

Adams rieb sich das Kinn. »Es gibt keine andere Möglichkeit«, antwortete er und ahmte Stalkers Tonfall nach. »Die Stunde der Wahrheit ist gekommen, und eigentlich wurde es Zeit.«

Der große Humanoide wich leicht zurück. Sein Kopf blieb weiterhin leicht vorgereckt, in seinem derben Gesicht zuckte es nervös. »Was geschieht, wenn deine Freunde gegen dich stimmen?«, fragte er. »Hast du das bedacht? Was willst du in dem Fall tun?«

»Ich werde zurücktreten«, antwortete Adams lakonisch. »Mich endgültig von der galaktischen Bühne zurückziehen. Hast du mitbekommen, was mit den Virenwolken um Terra passiert? Möglicherweise hätte ich dort ebenfalls eine gute Chance.«

»Du kannst nicht abdanken«, widersprach Stalker. »Die Kosmische Hanse ist dein Leben. Also musst du dich durchsetzen, um jeden Preis. Vielleicht wäre es besser, wenn du mich für dich sprechen lässt ...«

»Nein!« Adams' Stimme klang so schneidend, dass Stalker erneut zusammenzuckte. »Du hast mir schon genug eingebrockt. Die Sache mit dem Warner könnte uns zu Fall bringen.«

»Du weißt, wie alles gemeint war, Gershwin«, entgegnete Stalker bedrückt. »Ich hatte die besten Absichten, es ist nur ein wenig aus dem Ruder gelaufen.«

»Du hast dich sehr zweifelhafter Methoden bedient.« Adams machte eine abschließende Handbewegung, eine Geste, die wie ein Schlussstrich anmutete. »Aber lassen wir das. Die Hanse-Sprecher sollen abstimmen – und ich werde mich ihrem Urteil beugen.«

Bevor sie den Stalhof verließen, hielt Stalker Adams zurück und fragte: »Glaubst du, es könnte schaden, wenn ich die Warner-Erscheinung noch einmal annehme?«

»Warum willst du dich hinter dem silbernen Schutzschirm verstecken?« Ein Hauch von Irritation erschien plötzlich in Adams' Blick.

»Nicht verstecken ...«, antwortete Stalker. »Ich glaube, dass es eine gelungene Überraschung wäre, wenn ich zu deinen Erläuterungen die Tarnung aufgebe. Außer dir und NATHAN weiß bislang niemand, wer der Warner war. Nicht einmal die drei Hanse-Sprecher erinnern sich an mein Aussehen.«

Auch Ronald Tekener erinnert sich nicht an dich, ergänzte Adams in Gedanken. Trotzdem schwieg er.

Stalker wertete das Schweigen als Zustimmung. Binnen Sekunden wurde sein Körper von einem silbernen Flimmern eingehüllt.

Sie verließen den Stalhof. Adams stellte umgehend eine Verbindung zu NATHAN her. »Das Hanse-Siegel von Sotho Tal Ker ist augenblicklich zu löschen!«, ordnete er an.

»Hanse-Siegel gelöscht!«, bestätigte NATHAN.

»War das nötig?«, fragte Stalker. Als silberner Schemen begleitete er Adams zum Transmitterraum. Mehrmals legte er eine Schrittfolge ein, die an den Stepptanz erinnerte, den er als Warner praktiziert hatte. Ein ungleicheres Paar als die beiden konnte man sich kaum vorstellen.

»Wie die Sache auch ausgeht, in den Stalhof wirst du nicht zurückkehren«, stellte Adams fest.

»Selbstverständlich nicht«, bestätigte Stalker.

In der Transmitterhalle wurden sie von zwei Frauen und einem Mann erwartet. Es handelte sich um die drei Hanse-Sprecher Celeste Maranitares, Patricia Kolmeth und Timo Porante. Adams hatte keine andere Wahl gehabt, als sie zu suspendieren und für eine Weile nach Olymp zu schicken. Sie waren zu tief in die Angelegenheit verstrickt gewesen und hatten deshalb untertauchen müssen.

Adams schüttelte jedem von ihnen die Hand. »Ich brauche euch als Zeugen«, sagte er und lächelte ermunternd. »Zweifellos werdet ihr rehabilitiert und bekommt euer Stimmrecht zurück.«

Sie nickten. Patricia, die Älteste der drei, musterte aus zusammengekniffenen Augen die silberne Flimmererscheinung Stalkers. »Wir werden für dich stimmen, Homer«, sagte sie.

»Dann also los.« Adams atmete hörbar aus.

Sie ließen sich nacheinander zum HQ Hanse im Zentrum Terranias abstrahlen. Dort wurden sie von einer Eskorte erwartet, die sie in den Sitzungssaal geleitete.

Auf dem Weg dorthin schlossen sich ihnen zwei Männer an, die Adams mit Handschlag begrüßte. Der eine hieß Arnold Schwarz, war kahlköpfig und hatte ein Allerweltsgesicht. Adams hatte ihn als Stellvertreter für Atlan ausersehen und ihn deshalb schon als Hanse-Sprecher vereidigen lassen. Der andere, noch sehr jung, hieß Thorn Axiam. Bis zu seiner Vereidigung hatte er als Hanse-Spezialist im Außendienst gearbeitet und sich im Kampf gegen Seth-Apophis ausgezeichnet. Er sollte Jen Salik vertreten.

»Du hast gute Leute um dich geschart, Gershwin«, sagte Stalker anerkennend. »Sie werden für dich durchs Feuer gehen. Da kann gar nichts schiefgehen.«

»Falls du nicht wieder mit krummen Touren für Aufregung sorgst«, konterte Adams.

»Ich werde mich an deine Anweisungen halten«, versicherte Stalker. Adams bedauerte dabei, dass der silberne Schutzschirm es unmöglich machte, dem Fremden in die Augen zu sehen.

Sie erreichten den Sitzungssaal.

Galbraith Deighton und Julian Tifflor stürmten sofort auf Adams zu und bestürmten ihn mit Fragen. Dann erst bemerkten sie die silberne Erscheinung und reagierten überrascht.

»Soll das die Wiedergeburt des Warners sein?«, fragte Tifflor.

»Alles zu seiner Zeit«, wehrte Adams ab. »Sind wir vollzählig?«

»Perry und die beiden Kosmokraten fehlen«, antwortete Deighton. Als er die Ablehnung in Adams' Miene sah, fügte er rasch hinzu: »Perry bestand darauf, dass Taurec und Vishna anwesend sind.«

Adams zuckte ergeben die Schultern.

Reginald Bull tauchte auf. »Was soll der Unsinn mit der Selbstanklage, Homer?«, polterte er los. »Ich weiß nicht, mit welchen Selbstvorwürfen du dich herumschlägst, aber mein Vertrauen hast du allemal.«

Adams lächelte. Es wirkte ein wenig gequält. Er hatte Lampenfieber und hätte die Angelegenheit am liebsten schnell hinter sich gebracht.

»Ich habe nicht nur gegen die Satzung der Hanse verstoßen, sondern zudem gegen eine Reihe von Gesetzen«, erklärte er. »Folglich muss ich reinen Tisch machen.«

Bull blickte kurz zu Arnold Schwarz und Thorn Axiam und seufzte. »Du hättest auch für mich einen Stellvertreter bestimmen sollen. Ich könnte meine Zeit sinnvoller nutzen als mit unnötigen Versammlungen.«

»Das hier ist sehr wichtig!«, beharrte Adams. »Und mir wäre es lieb, du würdest nicht vorgreifen.«

Nach und nach suchten alle ihre Plätze auf. Nur Stalker verharrte als stummer Schemen in Adams' Nähe.

Schließlich erschien Perry Rhodan in Begleitung der beiden Kosmokraten.

»Meine erste Verfehlung besteht darin, dass ich einer Person im Stalhof Asyl gewährte, die nicht den Eid auf das Buch der Hanse leistete – die den Eid gar nicht leisten konnte, weil sie nicht aus der Milchstraße stammt. Danach habe ich zusätzliche Schuld auf mich geladen, weil ich drei Hanse-Sprecher einweihte und sie damit zu Mittätern machte. Ich habe ihr Vertrauen missbraucht, deshalb sind Celeste Maranitares, Patricia Kolmeth und Timo Porante von jeder Mitschuld freizusprechen.

Sie sind ebenso wenig für die Warner-Sendungen verantwortlich, denn sie haben unter dem Einfluss meines Gastes gehandelt. Letztlich trage ich dafür die Verantwortung. Schon bei der ersten Übertragung des Piratensenders Acheron wusste ich, wer sich dahinter verbarg. Das Signet des Warners, die drei Pfeile in dem gleichseitigen Dreieck, ist das Zeichen der Mächtigkeitsballung ESTARTU, deren Gesandter Stalker ist. Das wusste ich zu diesem Zeitpunkt bereits.

Ich stellte Stalker zur Rede. Er versicherte mir, nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt zu haben, um alle Terraner vor den Gefahren des Dekalogs zu warnen. NATHAN bestätigte zudem eine hohe Probabilität seiner Prognosen.

Verunsicherung griff allerdings um sich, weil viele Terraner den Dekalog, also Kazzenkatt, für den Warner hielten. Ich hätte das aufklären können, wenn ich Stalker zu der Zeit der Öffentlichkeit vorgestellt hätte. Stattdessen verzichtete ich bewusst darauf, weil das nur von dringenderen Problemen abgelenkt hätte. Aus demselben Grund, warum ich Stalker nicht gleich beim ersten Kontakt den Hanse-Sprechern, der LFT und der GAVÖK vorstellte, tat ich es auch nach dem Warner-Zwischenfall nicht: Ich wollte keine zusätzliche Verwirrung stiften. So blieb es bei der Vereinbarung, dass Stalker erst nach Aktivierung des Chronofossils Terra in Erscheinung treten sollte.

Um deshalb musste ich weiter taktieren. Es war anzunehmen, dass die Sendungen des Piratensenders mit der Zeit bis zu NATHAN zurückverfolgt werden konnten. Also stimmte ich dem Vorschlag der drei Hanse-Sprecher zu, die alles daransetzen wollten, um Stalkers Anonymität zu wahren. Da zumindest immer einer von ihnen im Stalhof war – um Stalker vor Entdeckung zu schützen und ihn gleichsam zu bewachen –, war es nicht schwer, sie in Verdacht zu bringen.

Meine Mittel allein hätten trotzdem nicht ausgereicht, das Lügengebäude aufrechtzuerhalten. Zum Glück brach der Kosmokrat Taurec seine Untersuchungen frühzeitig ab. Erst als Ronald Tekener die Recherchen in die Hand nahm und zudem Unterstützung von Srimavo erhielt, verschärfte sich die Entdeckungsgefahr wieder.

Andererseits verfügt Stalker über eine außergewöhnliche Gabe, die es ihm erlaubte, die Bedrohung stets abzuwenden. Im Nachhinein gestand er mir, dass er mit dieser Parafähigkeit die drei Hanse-Sprecher beeinflusste. Er brachte sie dazu, NATHAN zu manipulieren und die Warner-Sendungen zu ermöglichen. Später manipulierte er ihre Erinnerung daran.

Dies war nötig, dazu stehe ich. Denn die drei hatten mit Stalker zusammengearbeitet und wussten alles über ihn. Dieses Wissen hätten sie schon einem Telepathen gegenüber nicht geheim halten können und erst recht nicht vor Srimavo. Stalker veranlasste, dass sie eine falsche Fährte legten. Timo Porante bekam das Warner-Symbol auf den Leib gemalt, Celeste Maranitares erhielt ein entsprechendes Amulett, und Patricia Kolmeth schloss sich den Streamern an. Für alles das übernehme ich die Verantwortung. Nachdem genügend falsche Indizien zusammengetragen waren, stellte ich die drei als Warner-Kollektiv hin und suspendierte sie als Hanse-Sprecher.

Da mir der Stalhof danach nicht länger als sicheres Versteck erschien, schickte ich die drei mit Stalker in den Asteroidengürtel, an Bord von TSUNAMI-114. Indes war auch das kein dauerhafter Unterschlupf, denn Stalker hatte mir verschwiegen, dass die Warner-Sendungen auf den Berechnungen des Kontra-Computers basierten; er hatte sie schon ausgearbeitet, bevor ich ihn in den Stalhof holte.

Mir ist selbst war noch nicht ganz klar, wieso Stalker den Piratensender Acheron ein letztes Mal aktivierte, nachdem die drei Hanse-Sprecher schon ›überführt‹ waren. Ronald Tekener erkannte dadurch, dass mehr hinter der Sache steckte und die drei nur Strohmänner waren. Er nahm seine Nachforschungen wieder auf und fand das Versteck. In seiner Panik zerstörte Stalker den TSUNAMI. Die folgende Flucht endete für die drei Hanse-Sprecher auf Olymp – eine andere Möglichkeit sah ich nicht, die Sache zu vertuschen. Für Stalker endete sie wieder im Stalhof.

Vor der vollen Wahrheit scheute ich weiterhin zurück, denn der Kampf um das Chronofossil Terra stand unmittelbar bevor, deshalb musste alles vermieden werden, was eine Schwächung unserer Kräfte bedeutet hätte. Also gab ich mich Tekener als Warner zu erkennen und bat ihn, über die wahren Zusammenhänge zu schweigen. Er hätte den Warner-Zwischenfall als harmlos hinstellen können, als einen Versuch NATHANS, die Dinge in die richtige Richtung zu treiben. Jedoch erwies es sich dann als zweckmäßiger, auch Tekener eine falsche Erinnerung einzugeben. Stalkers Fähigkeit der Psi-Reflexion ermöglichte das. Er kann die Gedanken anderer, sogar die von Mutanten, reflektieren, verstärken, verzerren und in beliebiger Reihenfolge umgruppieren. Davon Betroffene haben danach ein falsches Erinnerungsbild.

Ich bezeichne Stalker als Psi-Reflektor. Dies zum besseren Verständnis, wie auch meine Ausführungen allgemein der Transparenz der Zusammenhänge dienen sollen. Keinesfalls will ich etwas beschönigen oder verniedlichen. Zudem kann ich für mich nicht geltend machen, dass ich von Stalker beeinflusst worden wäre. Ich habe frei entschieden – und würde vermutlich wieder so handeln.

Das Einzige, was ich zu meiner Verteidigung anführen kann: Ich habe uneigennützig gehandelt und hatte stets das Wohl der Kosmischen Hanse im Sinn.

Stalker ist der Gesandte der Mächtigkeitsballung ESTARTU, der Superintelligenz gleichen Namens. Er ist in Freundschaft gekommen und mit der Absicht, Handelsbeziehungen zu knüpfen. Diese Chance durfte ich nicht ungenutzt lassen.

Stalkers einziger Fehler war, dass er sich den falschen Zeitpunkt für die Kontaktaufnahme ausgesucht hat. Aber dafür kann er nichts.

Und nun stelle ich euch Sotho Tal Ker vor, der es mir gestattet hat, ihn Stalker zu nennen ...«

Ronald Tekener saß mit ausdrucksloser Miene da.

Nachdem Homer G. Adams seine Selbstanklage beendet hatte, galt die Aufmerksamkeit aller Anwesenden dem silbernen Schemen. Keiner, der ihn nicht schon als Warner gesehen hatte. Nun lichtete sich die flimmernde Aura: Ein Humanoider wurde erkennbar, den man zumindest auf den ersten Blick für einen Menschen halten konnte. Jedenfalls war sein Gesicht absolut menschlich, wenn auch etwas breit und mit unnatürlich dicken Brauenwülsten. Den Kopf hatte er scheinbar herausfordernd vorgereckt. Trotzdem war seine Miene voller Sanftmut und Friedfertigkeit; der breite Mund zeigte ein gewinnendes Lächeln.

Nur der Körper und die Extremitäten wiesen Anomalien auf. Die Oberarme waren halb so lang wie die Unterarme, Gleiches galt für die Beine. Der schmale, vorgewölbte Oberkörper betonte eine kräftige Beckenregion.

Stalker trug eine hellblaue Uniform mit silbernen Mustern und dem längst bekannten Dreieckssymbol auf der Brust. Am meisten überraschten seine Füße: Sie waren nackt.

»Ich bin Sotho Tal Ker, Handelsvertreter der Superintelligenz ESTARTU«, sagte er und tänzelte dazu mit eigentümlichen Verrenkungen. »An der terranischen Abwandlung meines Namens in ›Stalker‹ habe ich nichts auszusetzen. Ich danke Homer Gershwin Adams für alles, was er für mich getan hat. Besonders dafür, dass er ein so positives Bild von mir zeichnet und alle Schuld auf sich nimmt. Soviel Großmut verdiene ich nicht, denn ich habe mehrmals gehandelt, ohne ihn vorab zu informieren. Ich will diese Richtigstellung, denn ich stehe zu meinen Handlungen. Dass ich etwas andere Begriffe von Moral und Ethik habe, ist wohl verständlich. Auch dass ich in meinen Mitteln nicht immer wählerisch bin, wenn sie den angestrebten Zweck erfüllen. Ich glaube trotzdem, in Homer Adams' Sinn zu sprechen, wenn ich sage, dass die Aktion alle Erwartungen erfüllt hat. Wir können darangehen, die Verhandlungen über Handelsbeziehungen zu führen. Jedoch möchte ich der Abstimmung aller Hanse-Sprecher in keiner Weise vorgreifen.«

Tekener wandte sich seiner neben ihm wartenden Frau zu; Jennifer hatte sich eben leise, aber bedeutungsvoll geräuspert. »Mir kommt er wie ein Schmierenkomödiant vor, gar nicht wie ein hochgestellter Diplomat«, raunte sie. »Davon abgesehen muss ich zugeben, dass mich etwas an ihm fasziniert.«

»Fraglich, ob Stalker tatsächlich ein ›Er‹ ist«, gab Tekener zurück. »Ich halte ihn für ein geschlechtsloses Neutrum.«

»Die faszinierende Ausstrahlung bleibt trotzdem.« Jennifer Thyron grinste breit. »Stalker hat etwas Besonderes an sich. Ich kann Homer keine Vorwürfe machen. Vermutlich hätte jeder so gehandelt wie er – ich werde für ihn stimmen.«

»Keiner wird Homer das Vertrauen entziehen«, sagte Tekener. »Stalker wird sich allerdings gehörig auf den Zahn fühlen lassen müssen, bevor man ihn akzeptiert. – Was will er denn von Taurec?«

Stalker war zu dem Platz getänzelt, an dem die beiden Kosmokraten saßen. Als er vor ihnen stand, nahm er, wie es Tekener erschien, eine sehr provozierende Haltung ein.

»Kosmokraten ...« Stalkers bislang wohlklingende Stimme troff plötzlich vor Spott.

Stille breitete sich aus. Stalker reckte den Kopf herausfordernd und drückte den Unterleib stärker durch.

Taurec erhob sich langsam. Das Wispern seines Flüsterhemds schien bis in den letzten Winkel des Saales zu dringen. Der Kosmokrat war kleiner als Stalker und musste zu ihm aufsehen, aber er machte diesen Nachteil mit einem durchdringenden Blick seiner gelben Raubtieraugen wett. Taurec hatte den Daumen der linken Hand an seinem Gürtel eingehakt, die Finger berührten eines der Futterale, die seine Ausrüstung enthielten.

Eine Weile standen die beiden einander gegenüber wie zwei lauernde Raubtiere. Sie waren Feinde, das wurde jedem in ihrer Nähe deutlich. Zwischen diesen beiden Wesen gab es eine unversöhnliche Rivalität.

»Glaubst du nicht, dass es Zeit für die Demaskierung ist, Stalker?«, sagte Taurec unvermittelt. In seiner Stimme lag nichts von der sonst so ansteckenden Fröhlichkeit. Sie klang kalt, drohend, tödlich.

Stalker wich kaum merklich zurück.

Taurec fuhr unerbittlich fort: »Für die Terraner mag deine Maskerade ausreichen, aber ich durchschaue sie. Ich weiß auch, dass du einen Zwilling bei dir hast. Warum beendest du das Versteckspiel nicht einfach?«

Taurec schnellte vor. Für Stalker kam der Angriff so überraschend, dass er nicht einmal im Ansatz reagieren konnte. Während Taurecs rechte Hand sich in Stalkers Gesicht verkrallte, griff er mit der Linken zum Rücken des Humanoiden. Mit einem heftigen Ruck zerrte er an der hellblauen Uniform und zerfetzte sie.

Sekundenlang waren beide Gestalten ineinander verschlungen. Es schien, als würden sie miteinander ringen. Stalker versuchte zwar, sich der Attacke zu erwehren, doch schon nach wenigen Augenblicken gab er den Widerstand auf, und Taurec ließ unvermittelt von ihm ab.

Stalkers Uniform hing in Fetzen herab ... aber nicht nur die Uniform. Auch die Haut im Gesicht und am Körper schälte sich geradezu ab. Darunter war ein bräunlich schimmerndes Skelett zu sehen. Die vielen »Wunden«, die Taurec geschlagen hatte, ließen verknöcherte Arme und Beine erkennen.

Stalker zog sich langsam die Menschenmaske vom Gesicht, und was darunter zum Vorschein kam, wirkte ebenfalls knöchern, von Muskelsträngen zusammengehalten. An Sotho Tal Kers Rücken war die Biomasse ebenfalls zerfetzt und ließ die Umrisse eines Tornisters erkennen, der das Hohlkreuz ausfüllte.

In Stalkers wahrem Gesicht zuckte es; die chitinartigen Muskelstränge der Wangen spannten sich, zudem nahm die gesamte Gestalt eine rasch drohender werdende Haltung an.

Urplötzlich geschah etwas, mit dem offenbar nicht einmal Taurec rechnete, obwohl er es in seiner Anklage gegen den Fremden schon angedeutet hatte. Die Gewebeschicht auf Stalkers Brust platzte auf, und ein kleines, geschwänztes, knöchernes Wesen sprang heraus. Kaum einen Meter groß, landete es federnd auf dem Boden, zog sich jedoch sofort an einem von Stalkers dünnen Beinen in die Höhe und schwang sich auf seine Schulter. Von dort rief es mit schriller, durchdringender Stimme in gut verständlichem Interkosmo:

»Ruhig bleiben, ganz ruhig bleiben! Du wirst dich von einem miesen Kosmokraten nicht provozieren lassen. Du nicht!«

Auf gewisse Weise sorgte dieser überraschende Auftritt von Stalkers »Zwilling«, wie Taurec ihn genannt hatte, für eine Beruhigung der Situation. Das Erscheinen dieses gnomenhaften Geschöpfs verzerrte alles ins Groteske. Die Anspannung, die über der Szene lag, ließ merklich nach.

Taurec glich nicht länger einer gereizten und sprungbereiten Raubkatze. Stalker entledigte sich der Reste seiner Biomaske und erinnerte vorübergehend an einen Schauspieler nach Beendigung der Vorstellung.

Ronald Tekener fragte sich, was ohne diesen gerade noch zur rechten Zeit eingetretenen Zwischenfall geschehen wäre.

Perry Rhodan befasste sich in Gedanken mit vielen anderen Dingen. Die Endlose Armada war unterwegs ins Sternbild Haar der Berenike. Die Reste des Virenimperiums hatten sich verteilt und suchten Kontakt – ein eigentümliches Fernweh hatte alle im Solsystem gepackt ...

So vieles bedurfte der Klärung und Überwachung, deshalb war Rhodan Adams' Aufforderung, an der Sondersitzung der Hanse-Sprecher teilzunehmen, nur widerwillig gefolgt und hielt sich im Hintergrund.

Dann war aus dem von Adams präsentierten Fremden, dem Gesandten der Mächtigkeitsballung ESTARTU, ein chitingepanzertes Wesen geworden: Sotho Tal Ker, der Knöcherne. Stalker stand nun beinahe nackt da. Seine dünnen Arme und Beine schienen aus unzähligen Wirbeln zu bestehen, die von Sehnensträngen und Muskeln zusammengehalten wurden. Armgelenke und Knie zeigten zapfenartige Vorsprünge. Der Brustkorb bestand aus gerippten Knochenplatten.

Stalkers Gesicht hatte nichts Menschliches mehr. Anstelle der Nase wies es einen schnabelartigen Auswuchs mit einem breiten Mund auf, dessen wulstige Lippen durchaus etwas Sinnliches hatten.

Trotz der stark hervortretenden Brauenwülste und des von der »Schnabelwurzel« aufsteigenden fingerhohen Knochenkamms wirkte die Stirn fliehend. Zwischen dem ausgeprägten Jochbein und den stark hervortretenden Wangenknochen lagen große gelbe Augen mit schwarzen Schlitzpupillen. Diese Augen waren dreieckig und hatten dementsprechend drei Lider. Sie zuckten während der ganzen Zeit, die Rhodan den Fremden beobachtete, nur ein einziges Mal.

Stalkers verlängertes Steißbein – es sah aus wie ein Schwanzstummel aus einem halben Dutzend Knorpeln – stand fast waagerecht von dem Becken ab.

Gleich nach der Auseinandersetzung zwischen Stalker und Taurec waren von allen Seiten Roboter und Sicherheitsbeamte in den Raum geströmt, die Waffen waren entsichert. Aber die Situation hatte sich beruhigt. Stalkers »Zwilling«, der wie eine abgemagerte Miniatur von ihm aussah, ließ wieder seine schrille Stimme hören.

»Nicht wegen eines stänkerischen Kosmokraten die Nerven verlieren!«, rief der Kleine und schlang seinen fast einen Meter langen Schwanz wie ein Rhesus-Äffchen um die eigene Körpermitte; die Bewegung hatte allerdings nichts Possierliches an sich.

»Halt den Mund, Skorsh!« Stalker schlug mit der Hand nach dem Kleinen. Skorsh rutschte von der Schulter herab und klammerte sich am Oberschenkel des linken Beines fest. Stalkers Bewegungen blieben trotz dieses Anhängsels graziös, wenn auch zugleich etwas theatralisch. Das Gesicht in dem breiten und länglichen Echsenkopf wurde wieder so freundlich wie zuvor mit der Biomaske.

»Ich bitte um Vergebung.« Stalker wandte sich treuherzig erst Adams zu und gleich darauf allen Anwesenden, wobei er es meisterhaft verstand, Taurec und Vishna zu ignorieren. »Leider konnte ich nicht anders; es entspricht meiner Mentalität, dass ich mich zu diesem Täuschungsmanöver entschloss. Ich habe die Menschenmaske gewählt, um leichter Zugang zu den Terranern zu bekommen. Bedauerlich nur, dass ein Kosmokrat mich demaskierte und die Situation nutzte, um Stimmung gegen mich zu machen.«

Er hob die dünnen Arme, als wolle er mit dieser Geste alle Zuhörer umarmen.

»Meine Freunde, ich bin dennoch kein anderer geworden. Wenn es mir gestattet ist, umreiße ich in wenigen Worten, wie es zu diesem Konflikt kommen konnte. Um es gleich zu sagen: Es ist ein permanenter Konflikt.«

Rhodan sah Stalkers dreieckige Augen auf sich gerichtet, das Echsenwesen blickte ihn unschuldig und fragend an. Er erteilte dem Fremden mit einer knappen auffordernden Handbewegung das Wort.

»Das Symbol der drei Pfeile ist nicht nur das Hoheitszeichen von ESTARTU, sondern zugleich Ausdruck der Lebensphilosophie meiner Superintelligenz«, erklärte Stalker mit erhobener Stimme; sein »Zwilling« Skorsh kletterte dabei unruhig an ihm auf und ab. »Die drei Pfeile symbolisieren drei Kräfte – drei Wege. Der erste nach unten weisende Pfeil symbolisiert die Kosmokraten, die Ordnungsmächte überhaupt. Der zweite abwärts führende Pfeil steht für die Chaosmächte. Der dritte, aufwärts gerichtete, Pfeil symbolisiert den Weg, den ESTARTU eingeschlagen hat. Dieser Dritte Weg ist der Weg der Unabhängigkeit und Freiheit, ein Mittelweg zwischen Kosmokraten und Chaotarchen. Die Völker von ESTARTU dienen weder Kosmokraten noch Chaotarchen. Sie haben ihren eigenen Weg zwischen diesen Kräften gewählt, den eigentlich alle Völker dieses Universums beschreiten sollten.«

Perry Rhodan war hellhörig geworden. Die Hanse-Sprecher tuschelten miteinander, aber keiner meldete sich zu Wort. Rhodan erinnerte sich an die Prophezeiung von ES, dass die Menschheit eines Tages eigene Wege gehen würde, unabhängig von ihrer Superintelligenz und den Kosmokraten. Bislang war ihm das schwer denkbar erschienen, in Stalkers Ausführungen schwangen jedoch gewisse Ansätze mit. War es das, was ES gemeint hatte?

Stalker wandte sich erneut Taurec zu, und seine Haltung bekam sofort etwas Lauerndes. Taurec reagierte diesmal, als ginge ihn das alles nichts an, er blinzelte schläfrig.

»Die Lebensphilosophie der ESTARTU-Völker behagt den Kosmokraten nicht«, sagte Stalker anklagend, ohne eine Spur von Feindseligkeit in der Stimme. »Wo käme man hin, wenn sich alle Intelligenzen dieses Universums von den Kosmokraten abwendeten? Welche Macht hätten die Kosmokraten dann noch auf die Wesen der unteren Ebene? Um diesen Einfluss der Kosmokraten auf unser Universum fürchtet Taurec ebenso wie alle anderen seiner Art. Darum hasst er mich und ist mein Gegner. Taurec hätte mich zu gern auch als Feind der Terraner abgestempelt. Weil er befürchtet, dass ich einen schlechten Einfluss auf alle ausüben und sie abwerben könnte, ebenfalls den Dritten Weg zwischen Kosmokraten und Chaotarchen zu beschreiten: den Weg der Selbstbestimmung, der Unabhängigkeit und Freiheit.«

Perry Rhodan war von dieser Rede beeindruckt. Er ließ seine Blicke schweifen, um zu sehen, wie Stalkers Worte wirkten. Sein Sohn Michael zwinkerte ihm zu; Julian Tifflor machte ein Zeichen der Anerkennung; Waringer hob die Hände und applaudierte lautlos. Jennifer Thyron redete leise auf ihren Mann Ronald Tekener ein, doch Tek verzog keine Miene, die Skepsis stand ihm ins Gesicht geschrieben.

Galbraith Deighton, der Sicherheitschef, ergriff das Wort. »Eines soll klargestellt werden: Wir werden nicht Stimmung gegen die Kosmokraten machen«, sagte er.

»Stalker hat sich nur gegen Taurecs Angriff verteidigt«, entgegnete Adams und ließ damit keinen Zweifel, für wen er Partei ergriff. »Ohnehin wird es hier nicht um eine Abstimmung für oder gegen die Kosmokraten gehen. Ich habe diese Sitzung einberufen, damit über mein Fehlverhalten geurteilt wird. Die Hanse-Sprecher sollen erklären, ob ich für die Kosmische Hanse weiterhin tragbar bin oder nicht.«

Es wurde abgestimmt.

Das Ergebnis lautete 31 zu drei für Adams. Rhodan fragte sich, von wem die drei Gegenstimmen stammen mochten. Er glaubte die Antwort gefunden zu haben, da sah er, dass Tekener zu den drei Vertrauten von Adams ging. War es möglich, dass Kolmeth, Maranitares und Porante gegen Adams gestimmt hatten, um das Ergebnis nicht einstimmig ausfallen zu lassen?

»Ich danke für diesen Vertrauensbeweis«, sagte Homer G. Adams emotionslos, als hätte er kein anderes Ergebnis erwartet. »Bevor ich mich jedoch als Finanzchef der Hanse bestätigen lasse, gebe ich bekannt, dass ich daran eine Reihe von Bedingungen knüpfen würde. Ich habe Forderungen zusammengestellt, deren Erfüllung ich für die Kosmische Hanse als lebensnotwendig erachte. Dazu gehört unter anderem die Erschließung außergalaktischer Märkte. Ich bitte jeden Hanse-Sprecher, gewissenhaft über diese Punkte nachzudenken.«

Mit anderen Worten, Adams machte die Aufnahme von Handelsbeziehungen mit der Mächtigkeitsballung ESTARTU zur Bedingung.

Die Sitzung wurde vertagt, denn die zur Debatte stehenden Probleme hatten längst den gesetzten Rahmen gesprengt. Stalker erklärte sich bereit, den Experten Rede und Antwort zu stehen. Er weigerte sich jedoch, sich von seinem Rückentornister trennen. Ebenso wenig von Skorsh, den er als seinen »Animateur« bezeichnete. Einer Gegenüberstellung mit Mutanten stimmte er hingegen zu.

»Ich habe nichts zu verbergen«, beteuerte er.

Perry Rhodan 150: Stalker (Silberband)

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