Читать книгу Perry Rhodan 157: Stalker gegen Stalker (Silberband) - Arndt Ellmer - Страница 10

5. Antworten?

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Der Bordkalender zeigte den 23. Juni. Die REDHORSE bewegte sich schon geraume Zeit in einer engen Umlaufbahn um den vierten Planeten der Sonne Faalin. Maud Leglonde und Carlo Bylk hatten sich dem Wunsch Anson Argyris' widersetzt, Marna Updike an Bord des Flaggschiffs zu holen. Sie wollten mit der Entscheidung warten, bis Leila Terra zurückgekehrt war.

Dies war vor einigen Minuten geschehen. Der Vario-500, der wieder die Maske des Kaisers von Olymp trug, begrüßte die schlanke Frau mit dem hüftlangen silberfarbenen Haar, die als lebensgroßes Holo vor ihm projiziert war. Leila Terra wirkte sichtlich entspannt und erleichtert. Sie berichtete knapp, was sich in den letzten Tagen in der Milchstraße ereignet hatte.

Am 20. Juni, unmittelbar nach der Rückkehr von Homer G. Adams aus M 33, war der Beistandspakt zwischen der Kosmischen Hanse und dem Galaktikum unterzeichnet worden. Das Mondgehirn NATHAN hatte dabei Aufsicht geführt und die Unterschriften von Adams und Pratt Montmanor, dem Präsidenten des GAVÖK-Forums, beglaubigt. Adams hatte sich unter anderem verpflichtet, auch Nichtterraner als Hanse-Sprecher zuzulassen. Als Erster erhielt danach der Springer Tassilo Groen Sitz und Stimme im Stalhof. Er löste Leila Terra ab, die ihr Amt mit dem Hanse-Siegel zurückgab. NATHAN entband Leila von ihrem Eid und wünschte ihr viel Glück in der Zukunft.

Am 21. Juni hatte Sheela Rogard, Erste Terranerin und Galaktische Rätin Terras, ihre erste Volksabstimmung veranstaltet. Sie zeigte damit, was sie unter einer partizipatorischen oder direkten Demokratie verstand. Zwei Fragen legte sie den Bürgern des Solsystems zur Abstimmung vor:

Soll das Solsystem mit dem Teleport ausgerüstet werden?

Soll die Liga Freier Terraner die Upanishad-Lehre verbieten und die bestehenden Schulen, auf Terra die Tschomolungma, schließen?

Die Befragung wurde von NATHAN durchgeführt und ausgewertet. Die Inpotronik stellte alle Informationen zu diesen Themen zur Verfügung, sodass sich jeder, Erwachsene sowie Jugendliche, ein eigenes Urteil bilden konnte. Die Ergebnisse beider Befragungen würden in wenigen Tagen vorliegen.

»Ich bin bereits informiert, was sich während meiner Abwesenheit in Fornax ereignet hat«, schloss Leila ihren Bericht. »Du willst also Marna Updike an Bord nehmen?«

Anson Argyris berichtete von seinem Gespräch mit dem Weisen von Fornax und legte die Schlüsse offen, die er daraus gezogen hatte. Leila Terra hörte ihm aufmerksam zu.

»Es ist seltsam, dass wir bisher nichts vom Narren von Fornax gehört haben«, überlegte sie. »Wie du es darstellst, vermute ich, dass die Kartanin ihre Krallen im Spiel haben. Wir werden sie aufmerksam beobachten, wenn sie sich in unserer Nähe aufhalten.«

»Der Weise sagte die Wahrheit, davon bin ich überzeugt, Leila. Ich denke aber nicht so sehr an die Kartanin, sondern eher an Stalker und ESTARTU. Wir dürfen diese Seite nicht außer Acht lassen!«

»Stimmt, Anson. Ich akzeptiere deinen Wunsch. Marna kommt zu dir an Bord.«

»Danke. Wir werden sofort danach aufbrechen. Haltet eure Augen ebenfalls offen. Irgendwo in Fornax operiert Stalkers ESTARTU. Ich frage mich, was der Sotho vorhat. Will er neue Feindschaft zwischen uns und den Kartanin schaffen?«

Noch ein paar eher belanglose Sätze, dann schaltete Argyris ab. Er wandte sich an Rumus Sharman und Mauritius Koek, die im Flüsterton mit Skorsh II redeten. Der Whistler-Roboter lehnte in lässiger Haltung an einem der Sessel lehnte und widersprach beiden zu jeder Bemerkung.

»Er hat ein zusätzliches Sicherheitsprogramm erhalten«, stellte Anson Argyris klar. »Außerdem verfügt er über ein leistungsfähigeres Schirmaggregat als Skorsh I.«

»Ich werde die Vernichtung meines Vorgängers nicht einfach hinnehmen«, meldete sich der Roboter. »Dieser Lakai Stalkers wird sein blaues Wunder erleben.«

Der Energiebogen des Transmitters im Hintergrund flammte auf. Sekunden später traten drei Personen daraus hervor – zwei Ärztinnen, die Marna Updike flankierten und sie stützten. Anson Argyris ging ihnen entgegen und musterte dabei die Entsorgungsspezialistin aufmerksam.

Marnas Wangen waren in den wenigen Tagen eingefallen. Unter ihren Augen lagen aufgequollene dunkle Ringe. Sie ging leicht vornübergebeugt und starrte Argyris an, ohne ihn zu erkennen. Ihre Lippen bewegten sich fortwährend, als halte sie ein stummes Zwiegespräch.

Der Kaiser machte den Ärztinnen ein Zeichen. Sie folgten ihm in einen Nebenraum der Zentrale. Medizinische Hilfsmittel waren aus der Medostation an Bord herbeigeschafft worden, es stand sogar ein Diagnoseroboter zur Verfügung. Die beiden Frauen verschafften sich einen schnellen Überblick über den Inhalt der Besteck- und Medikamentenschränke.

»Wie geht es Marna?«, wollte Argyris wissen.

»Sie steht weiterhin unter Schock«, sagte einer der Ärztinnen und stellte sich als Tavora Anselein vor. »Bislang war keine Veränderung zu erreichen; sie hat auf keine unserer Bemühungen angesprochen.«

Marna ließ sich apathisch in einen Sessel sinken und starrte ins Leere. Sie schien Argyris gar nicht zu bemerken, und als er sie ansprach, glitt das Gesagte einfach über sie hinweg.

»Erkennst du mich?«, fragte er. »Hast du mich schon einmal gesehen? Weißt du deinen Namen?«

Marna Updike blieb stumm, und der Kaiser wurde deutlicher, um sie zu einer Reaktion zu veranlassen.

»Der Narr von Fornax!«, stieß er hervor. »Sieh mich an! Bist du der Narr?«

Marna versteifte sich, ihre Augenlider flackerten.

»Klein Marna ist lieb«, seufzte sie. »Nichts tun, nicht böse. Der Narr hat euch gesehen. Alle. Er holt euch zu sich. Ihr entgeht ihm nicht. Der Narr weiß, wer ihr seid.«

Mit jedem Wort war sie lauter geworden, zuletzt schrie sie hinaus, was ihr verwirrter Geist ihr eingab. Schweiß perlte auf ihrer Stirn. Tavora Anselein nahm ein Tuch und tupfte ihn ab.

»Du darfst Marna nicht reizen«, bat sie. »Wenn wir ihr eine Beruhigungsinjektion geben müssten, wäre das der falsche Weg.«

»Es ist erstaunlich, dass sie überhaupt reizbar ist«, stellte Argyris fest. »Wir fliegen zum Narren von Fornax. Wenn ihr jemand helfen kann, dann wohl nur der verrückte Nocturnenstock!«

Das klang bestimmt, dabei war Anson Argyris sich dessen keineswegs sicher. Er hatte eine vorgefasste Meinung über den Narren und wusste zugleich, wie gering die Wahrscheinlichkeit war, dass ein Wahnsinniger einer anderen Wahnsinnigen helfen konnte.

Die Nocturnen verhielten sich wie lästige Insektenschwärme. Sie trieben scheinbar ziellos durch den Leerraum und lauerten darauf, dass etwas in ihre Nähe kam, das verdauliche Hyperimpulse aussandte. Gelang es einem Raumschiff nicht, sich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen, wurde es von den Schwärmen regelrecht ausgesaugt.

Im Zyklopsystem war Ruhe eingekehrt. Die Psi-Stürme waren abgeebbt. Ein paar kleinere Nocturnenschwärme drifteten zwischen den Planeten und stürzten sich sofort auf die Kogge. Rumus Sharman hatte keine große Mühe, ihnen auszuweichen. Die Schwärme waren verrückt, wie Gandolf Rius es als Erster genannt hatte. Sie reagierten auf keine Passagesymbole und strebten alle dem vierten der sieben Planeten entgegen.

Lyscha Krin, die zweite Ärztin, die mit Marna Updike an Bord gekommen war, betrat die Zentrale. »Marna ist aus ihrer Apathie erwacht und redet«, berichtete sie.

Argyris nickte knapp. »Sie spricht über ihre Vergangenheit auf der Titanstation. Und sie erinnert sich, dass sie auf ENTSORGER-17 in einen Mann verliebt war. Sie weiß seinen Namen nicht mehr, aber sie glaubt, sein Gesicht zu sehen.«

»Ihr hört hier also mit?«, fragte die Ärztin verblüfft. »Nun, wir haben nichts dagegen.«

»Helft Marna, einen Raumanzug anzuziehen«, bat der Kaiser. »Wir holen sie ab, sobald wir das Schiff verlassen können!«

Lyscha Krin ging zu ihrer Patientin zurück, und der Vario-500 in seiner Maske wandte sich Gandolf Rius zu. Der Cheffunker und Cheforter hantierte angespannt am Hyperkom, er produzierte äußerst bizarr klingende, dennoch irgendwie melodiöse Signalgruppen.

»Sie singen dort unten«, sagte er, als er Argyris' Interesse an ihm bemerkte.

»Ich weiß«, bestätigte der Kaiser. »Die Impulse kommen von den fünf Monden des vierten Planeten. Aber wir sind noch zu weit entfernt. Alles klingt irgendwie undeutlich.«

»Die Monde diskutieren untereinander. Ich denken, es handelt sich um Streitgespräche.« Einmal mehr stellte Gandolf seine besondere Befähigung unter Beweis.

»Die Monde?«, fragte Argyris. »Bist du sicher?«

Der Funker verzog gekränkt die Mundwinkel, und der Kaiser klopfte ihm kameradschaftlich auf die Schulter. »Ist gut, ich glaube dir ja. Nur, was bedeutet das Ganze?«

Gandolf hatte keine Antwort darauf. Argyris wiegte abschätzend den Kopf und fuhr sich mit beiden Händen über den kunstvoll geflochtenen Bart. Die auffällige stellare Position der Sonne Zyklop machte ihn nachdenklich. Der rote Riesenstern stand vom Zentrum der Kleingalaxis, vom Augenlichtsystem und von Kontor Fornax gleich weit entfernt, nämlich jeweils rund 4000 Lichtjahre.

»Meine Melodie kommt zurück!« Gandolf Rius strahlte plötzlich. »Der Narr antwortet, er singt ebenfalls. Leider gibt es Störquellen auf den anderen Monden. Die eigentliche Antwort kommt von dem Trabanten, der sich aktuell zwischen dem Planeten und der Sonne befindet. Es ist der größte der fünf Monde.«

Argyris ließ den Kurs anpassen, dass sie sich dem bezeichneten Mond näherten. In Gedanken gab er den Trabanten bereits Bezeichnungen. Den größten nannte er Alpha, den nächsten Beta und so weiter.

Schnell war zu erkennen, dass die Nocturnenschwärme keineswegs den Planeten zum Ziel hatten, sondern die Monde. Sie verteilten sich gleichmäßig auf alle fünf.

»Der Narr lockt mit seinen Signalen alle Schwärme an, die sich dem Zyklopsystem nähern«, sagte Gandolf. »Er schafft es irgendwie, seinen Wahnsinn auf sie zu übertragen, ohne dass dafür die Energie von Psi-Stürmen nötig wäre.«

Mit anderen Worten: Der Narr hatte ein nicht zu übersehendes Machtpotenzial, ihm musste dementsprechendes Gewicht beigemessen werden.

Die REDHORSE näherte sich den Monden. Im Hyperfunk klangen unaufhörlich Unterhaltungen auf – sie stammten von den unzähligen Quarztürmen auf den Trabanten.

»Es ist ein schönes Schiff, und es kommt näher. Heimat I kann es gut erkennen. Es hat eine freundliche Ausstrahlung.«

»Heimat II glaubt, dass es schlimmen Absichten folgt. Es gehört zu jenen Schiffen, die die ENTSORGER begleiten. Da gab es schon Zwischenfälle.«

»Ich behaupte, dass es das Schiff ist, das bereits einmal in diesem Sonnensystem war.«

»Heimat II ist verrückt«, kommentierte Heimat I. »Und Heimat IV und V haben keine eigene Meinung.«

»Wer hier verrückt ist, wird sich bald herausstellen!« Das war Heimat III. Die Signale der Trabanten besaßen charakteristische Merkmale, die es ermöglichten, die einzelnen Botschaften nicht nur nach ihrer räumlichen Herkunft zu unterscheiden. »Heißen wir das Schiff einfach willkommen.«

Ein Trillern hallte aus den Lautsprechern, dann meldete sich Heimat I: »Ihr seid eingeladen. Der Narr von Fornax freut sich, euch zu sehen. Ihr nähert euch bereits dem größten Trabanten, das ist gut.«

»Hier spricht Anson Argyris an Bord des Hanse-Schiffs REDHORSE. Wir kommen, um dem Narren von Fornax einen Besuch abzustatten und ihm einige Fragen zu stellen.«

Der Nocturnenstock gab sein Einverständnis. Knapp eine halbe Stunde später landete das Keilraumschiff sanft auf einer Hochfläche, auf der keine Quarztürme standen.

Der Kaiser nickte seinem Stellvertreter Rumus Sharman auffordernd zu. Gemeinsam holten sie Marna Updike ab. Tavora Anselein legte ebenfalls einen Raumanzug an und begleitete sie.

»Großes Gefolge«, murmelte Anson. »Wie es sich für einen Kaiser gehört.«

Er schaltete den Hyperfunk seines SERUNS ein, und gleich darauf meldete sich die Stimme von Heimat I.

»Stell deine Fragen, Mensch Argyris. Du bist ein Mensch, oder?«

»Ja.«

»Es kommt selten vor, dass ich Besuch erhalte. Der Narr ist oft einsam, aber die Einsamkeit macht ihm nichts aus. Er hat vier Gesprächspartner, die für Abwechslung sorgen. Verlasst euer Schiff, damit ich euch besser erkennen kann!«

Der Kaiser von Olymp verzichtete diesmal darauf, einen Raumanzug anzulegen. Die Atemluft, die seine PVK-Maske benötigte, wurde durch einen kleinen Tank zugeführt, der an seiner linken Hüfte baumelte. Anson schaltete den Schutzschirm ein, dessen Projektor in der Gürtelschnalle untergebracht war. Er suchte die Schleuse auf und trat vor den anderen hinaus auf die Oberfläche des Alpha-Mondes, den der Narr Heimat I nannte.

Der Mond schimmerte im roten Licht. Das Gestein reflektierte leicht und ließ den Boden aussehen, als handle es sich um die Oberfläche eines aktiven Vulkansees. Die Speicherwirkung des Materials hielt die Oberflächentemperatur immerhin bei nur rund minus vierzig Grad Celsius. Das war viel für einen atmosphärelosen Trabanten. Die Menschen in ihren Schutzanzügen spürten weder Hitze noch Kälte, und Anson Argyris bewegte sich in seinem Schutzschirm durch den Staub und das Geröll, als sei er hier zu Hause.

Glitzernde Wolken sanken aus dem dunklen Himmel herab wie große Paratau-Tropfen, die von Zyklops Licht in Rubine verwandelt wurden. Die Fladen eines Nocturnenschwarms schwebten heran und trieben bis in unmittelbare Bodennähe. Sie bewegten sich wie von einem unsteten Wind getrieben, und nur langsam war zu erkennen, dass sich der Schwarm aufteilte und verschiedenen Quarztürmen außerhalb der Hochfläche entgegenstrebte.

Die Gruppe um Argyris beobachtete schweigend, wie sich in unmittelbarer Nähe der REDHORSE eine Zusammenballung der fladenförmigen Nocturnen auf dem Boden niederließ. Das um die 100 Meter durchmessende Gebilde schwankte kurze Zeit, dann schien es zu erstarren. Ein weißes bis grünes Leuchten huschte über die Quarzflächen, andere Farben folgten und schließlich mutete die Erscheinung an wie eine flache Seifenblase, die alle Farben des Regenbogens zeigte.

Ein Blitz zuckte auf. Im ersten Moment gewann sogar Anson Argyris den Eindruck eines Strahlschusses. Doch schon folgten weitere Blitze, und sie schlugen in den Boden ringsum ein, keiner weiter entfernt als 20 Meter. Für Argyris und seine Begleiter schien keine Gefahr zu bestehen.

Der Kaiser speicherte den Vorgang. Er verfolgte, wie die Blase anfing, sich zu verhärten. Sie gab Energie ab und verwandelte sich in ein Krustengebilde aus dunklem Schwingquarz. Zugleich erklang im Hyperfunk ein einzelner Impuls.

»Verstehen!«, lautete er.

Kurz darauf folgte ein zweiter: »Geboren!«

Der Quarz entwickelte intelligentes Bewusstsein. Anson Argyris stellte fest, dass die Monde schwiegen. Es war ein Eindruck, als ob sie den Atem anhielten. Auf die verkrustende Blase senkten sich weitere herab und jede verschmolz mit der vorangegangenen. Ein Turm entstand, der bald an die 30 Meter hoch aufragte. Schließlich setzte der Nachschub aus.

»Kommt!« Argyris ging weiter und blieb erst am Rand der Hochfläche wieder stehen. Der Fels fiel gut 50 Meter steil ab, dann erstreckte sich die vermeintliche Glut des Untergrunds bis zum Horizont, der die Krümmung der Mondoberfläche deutlich werden ließ.

Im Hyperäther herrschte übergangslos erneut rege Kommunikation. Die Integration des Nocturnenschwarms schien abgeschlossen zu sein. Der Narr und mit ihm die vier anderen Bewusstseine redeten wild durcheinander. Argyris allein war in der Lage, die fünf Stimmen zu trennen und zu verstehen, was der Narr wollte, der mit der Stimme von Heimat I sprach.

»Die hohen Türme mitten in der Ebene, ich sehe sie«, bestätigte der Vario. »Ja, wir kommen zu ihnen!«

Argyris und seine Begleiter aktivierten die Antigravs und schwebten in die Ebene hinab bis zu dem genannten Ort. An einem der hohen Türme glomm rotes Licht, und diesmal war es nicht der Widerschein Zyklops. Das Leuchten kam aus dem Turm selbst, und es wurde zunehmend intensiver.

»Stell deine Fragen!«, ließ sich Heimat I vernehmen. »Ich kann dich und deine Begleiter erkennen. Das Licht in mir verstärkt meine Fähigkeiten.«

»Stell keine Fragen!«, mischte sich Heimat II ein. »Eine einzige sei dir erlaubt«, bemerkte der Delta-Mond. Und Epsilon fügte hinzu: »Eigentlich nur eine halbe Frage.« Heimat III schwieg.

Anson Argyris verstand, was es mit dem Wahnsinn des Narren auf sich hatte. Es war nichts Ungewöhnliches, wenn die einzelnen Quarztürme ein eigenes Bewusstsein hatten. Die Türme tauschten ihre Meinungen untereinander aus, doch sie sprachen zu Außenstehenden nur mit einer Stimme und taten diese meist über den größten von ihnen kund.

Alle fünf Trabanten zusammen waren der Narr, aber sie redeten nicht wie die Türme nur mit einer einzigen Stimme. Die Persönlichkeit des Narren war und blieb fünffach gespalten, weil jeder Mond sein individuelles Bewusstsein behielt. Vom organisatorischen Standpunkt her war das ein entwicklungsmäßiger Fortschritt, Argyris sah in dem Narren deshalb ein höher entwickeltes Lebewesen als in dem Weisen.

»Bevor ich meine Fragen stelle, habe ich ein Anliegen!« Der Kaiser widmete sich dem anhaltenden roten Flackern des Turmes. Er berichtete ausführlich und aus seiner Sicht, was sich im Zusammenhang mit der ENTSORGER-17 und dem Paratau-Experiment abgespielt hatte. Er zog Marna Updike neben sich und musterte ihr Gesicht durch die spiegelnde Helmfläche hindurch. Marnas Augen blieben ausdruckslos, unbeteiligt, doch ihre Lippen zuckten, als wollte sie etwas sagen.

»Woher weiß das Bewusstsein dieser Frau von dir?«, fragte Argyris. »Und wie können wir ihr helfen? Ihr geistiger Zustand ist nicht mehr, wie er sein sollte.«

»Mir war, als hätte ich ein Stück von mir verloren«, bemerkte Heimat I stockend. »Bring dieses Wesen ganz nah an den Turm heran. Ich muss spüren, was in ihr vorgeht.«

Tavora Anselein nahm Marna an der Hand und trat mit ihr bis unmittelbar an die Säule. Das rote Glühen konzentrierte sich an dieser Seite, und der Narr fuhr fort: »Wir alle sind ein Körper; alle fünf Heimat-Trabanten fühlen sich so. Wir sind nun auf dieses winzige Wesen ausgerichtet. Die Frau trägt eine schwache Hyperstrahlung in sich, die mit der von Heimat I identisch ist!«

Im Vakuum war das Kreischen nicht zu hören, mit dem sich der Quarzturm öffnete. Ein Sog entstand, entriss Marna Updike dem Zugriff der Medizinerin und zerrte sie in die Säule.

Rumus Sharman griff zur Waffe, doch Argyris schlug ihm den Strahler zur Seite.

»Narr, wir verstehen deine Handlungsweise nicht«, sagte der Kaiser. »Du darfst das Leben dieser Frau nicht gefährden!«

»Welch ein Unverstand!«, rief Heimat II.

»Unverschämtes Wesen!«, fuhr Heimat III dazwischen.

»Keine Erklärung an Dumme!«, verlangten Heimat IV und V.

»Es geschieht ihr nichts!«, behauptete Heimat I. »Sie hat hinreichend Atemluft, und es ist nicht nötig, dass sie ihren Anzug öffnet. Dieses weibliche Menschenwesen muss nur ihren Geist für mich öffnen. Du kannst deine Fragen stellen, Anson Argyris.«

»Besteht Hoffnung, dass du sie heilen kannst? Und wie entstand ihr Wahnsinn?«

»Nur eine Frage!«, schränkte Heimat IV ein.

»Warte ab«, entgegnete I und fügte sofort hinzu: »Frage etwas anderes!«

Anson Argyris stellte nacheinander dieselben Fragen, die er schon dem Weisen von Fornax gestellt hatte. Die Reaktion darauf traf ihn wie ein Orkan. Alle fünf Monde redeten und schrien durcheinander.

Heimat I: »Die Kartanin sind ein Volk von vielen. Irgendwann hat ein Stock behauptet, dass sie wiederkehren würden, doch dieser Stock fiel seiner Sonne zum Opfer. Sie wurde zur Nova. Wann das war, weiß ich nicht. Und der Paratau wurde eigentlich immer entsorgt. Nach deiner Zeitrechnung bin ich vier Millionen Jahre alt, also jung im Vergleich zum Weisen. Mir fehlt die Weisheit, und ich bin ein Narr. Was soll ich dir sagen? Dass es irgendwann in der Vergangenheit einen Zeitpunkt gegeben hat, ab dem das Problem mit dem Paratau auftrat?«

Heimat II: »Die Antwort ist einfach. Damals hatte jemand Bedarf an Paratau und sorgte für dessen Produktion. In der Folge davon wurden alle Nocturnen wahnsinnig – mit Ausnahme des Narren. So ist das heute, und du darfst und musst dankbar sein, dass du uns gefunden hast. Und weshalb sollen wir das Wesen mit dem Namen Marna Updike um seine Glückseligkeit betrügen, da sie doch einen Teil von uns in sich trägt?«

Heimat III: »Das alles ist Geschwätz. Es gibt nur einen einzigen Nocturnenstock in dieser Galaxis, und das sind wir. Willst du dich uns anschließen? Wir werden dich zu Paratau verarbeiten und dich zur Deflagration bringen, in unmittelbarer Nähe des Weisen.«

Heimat IV: »Ihr Fremden seid sowieso alle Eindringlinge. Ihr steht unserem Ziel im Weg, überall kritische Paratau-Regionen zu bilden, damit alle Stöcke ihren Wahnsinn verlieren und endlich so werden wie wir.«

Heimat V: »Anson Argyris ist ein schöner Name. Warum stehst du auf Heimat I herum und langweilst dich? Komm zu mir. Ich werde dich aufnehmen wie einen neuen Schwarm. Du wirst der herrlichste Schwingquarz sein, den es jemals gegeben hat. Aber stell keine Fragen mehr, du langweilst mich damit.«

Der Kaiser benötigte eine Weile, um seinen Begleitern darzulegen, was die Gesamtheit des Narren gesagt hatte. Hatte er anfangs noch erwartet, der Narr sei vernünftiger als der Weise, musste er seine Meinung nun revidieren. Im Höchstfall galt seine Erwartung noch für Heimat I, die Alpha-Persönlichkeit, keineswegs für die anderen.

»Wann war dieser Zeitpunkt, an dem die Veränderung eintrat?«, wollte er wissen.

»Damals, als die Sterne des Lustigen Alten noch nicht ineinander verschlungen waren und einen anderen Namen trugen.«

»Welchen?«

»Das Sternbild hieß ›Die beiden Wege des Universums‹. Manche Stöcke nannten es auch ›Die Pfeile von Meekorah‹.«

Argyris blickte in die Höhe. Seine Biopositronik benötigte nur Sekunden, die Sternenfülle nach den genannten Kriterien zu durchsuchen. Das Bild des Lustigen Alten war in seiner charakteristischen Art vom Zyklopsystem aus nicht zu erkennen. Er sagte es dem Narren, aber dieser konnte die Frage nicht beantworten, woher seine Kenntnisse über den Lustigen Alten stammten.

Für Argyris hatte die Unterredung damit kein konkretes Ergebnis gebracht. Er wusste weiterhin nicht, was vor 50.000 Jahren geschehen war.

»Was wird aus Marna Updike?«, drängte er. »Kannst du sie heilen?«

Heimat I bestätigte, dass es ihr gut ging. Der Kaiser forderte daraufhin seine Begleiter auf, ihm zurück in die Kogge zu folgen.

Wieder in der Zentrale, bat er Sharman, die bordinterne Kommunikation so aufzubauen, als halte er selbst sich weiterhin im Schiff auf. Danach eilte er in seine Biostation und legte die Stalker-Maske an.

»Dich muss ich leider zurücklassen«, sagte er zu Skorsh II. »Abgesehen davon, dass ich nicht glaube, dass Stalker sich schon wieder in der Nähe herumtreibt, wäre es fahrlässig, dich in einer ähnlichen Situation zu opfern wie deinen Vorgänger.«

»So ein Blödsinn, Alter«, protestierte der Animateur-Roboter. »Was du da quatschst, ist ein Spiegelbild deines fehlenden Selbstvertrauens. Vergiss nicht, ich bin Animateur der vierten Generation!«

Der Vario-500 wandte sich ab und stakte zum Transmitter. Sein geheimes Depot besaß keinen normalen Zugang, er war auf diesem Weg gekommen, er verließ das Versteck so auch wieder.

»Eine köstliche Verkleidung, Anson Argyris«, stellte Heimat I fest. »Bildest du dieses Wesen aus einem bestimmten Grund nach? Wie heißt es eigentlich?«

»Stalker«, antwortete der Vario. »Aber wieso hast du mich erkannt?«

»Ich bin auf der Suche nach jenem Knoten, der Marna Updikes Gehirn umklammert, dabei habe ich Zugang zu ihrem Bewusstsein gefunden. Auch zu Erinnerungen, die eine Gestalt zeigen, wie du sie angenommen hast. Die Tatsache, dass du aus einer anderen Richtung als der deines Schiffes kommst, kann mich nicht darüber hinwegtäuschen, dass du es sein musst!«

»Sehr schön.« Der Vario-500 rang sich ein positronisches Seufzen ab. »Hast du jemals ein Wesen gesehen, das so aussieht wie diese Gestalt?«

»In all den Jahrmillionen nicht!«

Die übrigen vier Monde mischten sich ein, doch diesmal waren ihre Aussagen identisch.

»Erst hier und jetzt«, fuhr Heimat I fort. »Und unmittelbar vor deinem Erscheinen habe ich ein zweites Exemplar ausgemacht. Im Unterschied zu dir näherte es sich aus der Richtung des Keilschiffs!«

Anson Argyris fuhr herum. Stalker war da – der echte Stalker! Er war der REDHORSE demnach bis zur Sonne Zyklop gefolgt. Der Vario fragte sich, ob Stalker hinter ihm her war oder hinter jemand anderem.

Zwischen der Hochfläche und dem glühenden Quarzturm entstand ein energetisches Feld, das sich wie ein rotierender Kreisel bewegte. Es huschte zwischen den Türmen des Nocturnenstocks hindurch und näherte sich rasch.

In die PVK-Maske des Vario-500 kam Bewegung. Diesmal, das wusste er sofort, hatte der Sotho es auf ihn abgesehen.

»Er ist gefährlich«, seufzte Argyris.

Heimat I schwieg und gab sich unbeteiligt.

Perry Rhodan 157: Stalker gegen Stalker  (Silberband)

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