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6. Zweikampf

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Stalkers knöcherne Gestalt wirkte eckig. Zu voller Größe aufgerichtet stand der Sotho da, die Sehnen und Muskeln seiner Gliedmaßen traten deutlich hervor. Der eine oder andere Muskel zuckte kurz, und die schnabelähnliche Mundpartie mit dem fliehenden Kinn öffnete und schloss sich. Die gelben Augäpfel blickten zutraulich.

Skorsh war mit der Haltung des Sothos nicht zufrieden. Er turnte an seinem Rücken hinab auf den Boden und brachte sich mit zwei unbeholfenen Sprüngen in das Gesichtsfeld des Gesandten ESTARTUS.

»Wie du jetzt wieder aussiehst, bist du in letzter Zeit öfter!«, schrillte er. »Du machst einen desorientierten Eindruck und siehst richtig menschlich aus. Das ist es, was dich mir so unsympathisch macht. Komm zu dir, Tal Ker! Was würde Gershwin sagen, wenn er dich so sähe? Er würde zerfließen vor Freundschaft und dir jedes Wort glauben.«

»Nein!« Die Antwort kam scharf und schnell. Stalker kannte Adams zu gut. Er wusste, dass er Gershwin gegenüber das Gesicht und seinen guten Ruf verloren hatte. Es würde vieler Vertrauensbeweise bedürfen, den Chef der Kosmischen Hanse erneut von seiner Loyalität zu überzeugen. Ob dazu die Zeit blieb?

Sotho Tal Ker war sich bewusst, dass Skorsh die Angelegenheit zutreffend einschätzte. Seine Zeit lief ab und würde bald zu Ende sein. Dabei war er bislang nicht weitergekommen in seinen Bemühungen, die Upanishad über die ganze Milchstraße zu verbreiten. Er würde sehr viele Erfolge benötigen, um sein Ziel zu erreichen.

Und der Teleport? Die Möglichkeit, die Milchstraße für ein eigenes kosmisches Wunder vorzubereiten, bestand nur mehr eingeschränkt. Jedenfalls seit den Ereignissen auf Arkon I. Er war gegenüber den Kartanin zu vertrauensselig gewesen. Tief im Innern musste er Skorsh zustimmen, seine Zeit war vorbei, seine Chance vertan. Aber Stalker wollte nicht aufgeben. Und wenn es nur noch darum ging, sich selbst zu beweisen, was er konnte – und seinem Animateur, der ihn mit Hetztiraden anzuspornen versuchte.

Seltsam, dachte Stalker. Skorshs Geschrei gleitet immer öfter an mir ab. Es ist, als habe er seine Fähigkeit der Animation verloren.

Stalker wusste, dass dies nicht der Fall sein konnte. Skorsh war wie immer. Dennoch: Einer von ihnen beiden hatte sich verändert, und die Ereignisse förderten diesen Vorgang.

Die Bilderfassung riss den Sotho aus seinen Überlegungen. Erneut beobachtete er den Doppelgänger. Jede von dessen Bewegungen war perfekt.

Noch amüsierte Tal Ker die Existenz eines Doppelgängers. Der Animateur riss ihn aber schon wieder aus seiner trägen Beschaulichkeit und verdarb ihm die Laune.

»Was würden die Ewigen Krieger sagen, wenn sie wüssten, wie der Sotho ihnen in den Rücken fällt?«, kreischte Skorsh so laut, dass es sogar die Panisha im Nebenraum hören mussten. »Wie oft soll ich dir sagen, dass du gegen den Kodex verstößt?«

»Du vergisst, was meine Aufgabe ist, Skorsh! Ich ziehe die Fäden und bereite alles vor. Dabei muss ich auf die Eigenheiten der Milchstraßenvölker eingehen. Das führt zwangsläufig dazu, dass ich mich manchmal sogar gegen den Kodex verhalten muss.«

Skorsh bekam einen Wutanfall. Er schnellte zu einem der Sessel hinüber, schlug seine Klauen in die Polster und riss alles Material heraus. Er zerrupfte den ganzen Sessel und verbog danach die Halterung so stark, dass die Panisha nichts mehr damit anfangen konnten.

»Es darf nur einen Sotho geben, hörst du? Du bist in die Milchstraße geschickt worden, um zu handeln. Du hast dein Ziel bisher nicht erreicht. Und nun lässt du dir von einem Doppelgänger sogar das wenige verderben, was du zustande gebracht hast?«

Skorsh sprang zu Stalker zurück und baute sich vor ihm auf. »Wozu bist du der Sotho?«, schrie er. »Mich beschleicht das schreckliche Gefühl, dass ich einem falschen Herrn diene. Ich frage mich, ob in den Absantha-Galaxien einiges verwechselt worden ist. Vielleicht bist du nicht der Sotho, sondern der Desotho!« Er legte auf das letzte Wort ein eigenartiges Gewicht, und Tal Ker zuckte tatsächlich merklich zusammen.

»Schweig!«, zischte Stalker zurück. »Der Desotho ist ein Gerücht. Nichts daran ist wahr!«

»Glaubst du das? So lange ist es nicht her, dass du Estartu verlassen hast. An Gerüchten ist immer etwas Wahres. Weißt du wirklich nicht, ob es den Desotho gibt?«

Stalker hielt es nicht für nötig, darauf zu antworten.

»Dann weißt du auch nicht, dass es den Sotho gibt!«, kreischte Skorsh noch erregter als zuvor. »Du hast vergessen, dass du existierst. Aber mich gibt es. Und da draußen deinen Doppelgänger. Ich kenne nur einen Menschen, der ein Interesse daran hätte, Animateur-Roboter zu bauen, Maschinen mit Kontracomputern. Dein Freund Gershwin ist es, der dir damit in den Rücken fällt. Homer Gershwin will mit ihrer Hilfe herausbekommen, welche Rolle die Animateure spielen. Wenn du nicht aufpasst, wird er die Wahrheit bald kennen!«

Stalker wandte sich jäh ab. Er wollte seine Verblüffung nicht zeigen. Skorsh hatte recht. Trotzdem kümmerte es ihn nicht. Auf der anderen Seite spürte er, dass er sich an einer gefährlichen Schwelle bewegte. Er durfte die Geduld des Animateurs nicht überbeanspruchen. Seine Gestalt veränderte sich und nahm einen lauernden Ausdruck an.

»Dein Gegner ist auf dem Weg zu diesem Nocturnen-Turm. Er übt mit seiner Maske«, stellte Skorsh fest. »Geh endlich!«

Stalker sah in der Bildprojektion, wie sich die Gestalt des Doppelgängers veränderte. Der falsche Sotho nahm plötzlich und ohne Grund die Kampferscheinung an und bewegte sich rasend schnell. Er verschwand hinter einem Felsen, und als er gleich darauf wieder ins helle Sonnenlicht trat, besaß er seine normale Gestalt.

»Er ist unheimlich«, flüsterte Tal Ker fasziniert und bemühte sich, seiner Stimme einen entsetzten Klang zu verleihen.

»Dann töte ihn!«, rief Skorsh.

Der Sotho wandte sich zum Ausgang der Zentrale. Skorsh folgte ihm und trieb ihn mit Hetztiraden vorwärts. In jedem Satz erinnerte er Tal Ker an den Kodex und die Pflichten daraus.

Der Sotho hörte gar nicht hin. Er wollte nicht kämpfen, denn er hatte einen Plan, in den sich sein Doppelgänger hervorragend einfügte. Er wunderte sich, dass ihn die Worte des Animateurs überhaupt nicht berührten. Früher wäre das nie geschehen.

Tal Ker war immer schon ein guter Schauspieler gewesen, und das kam ihm nun zugute. Er wollte seinem Animateur einen Schaukampf bieten, wie dieser ihn nie gesehen hatte.

Die erste Herausforderung für Anson Argyris war gewesen, dass Stalker am Ostufer des Trap-Ozeans die Upanishad-Schule von Olymp errichtet hatte. Er hatte sie eingeweiht und ihr den Namen Garwankel gegeben. Abgesehen davon, dass der Kaiser von Olymp nicht zur Einweihung eingeladen worden war, wie sich das gehört hätte, stellte die Namensgebung eine absolute Geschmacklosigkeit dar. Garwankel war der Name jenes Planeten, auf den sich Kaiser Lovely Boscyk während seines letzten Lebensabschnitts zurückgezogen hatte. In drei verschiedenen Masken hatte Argyris versucht, in die Upanishad einzudringen; jedes Mal war er ohne Begründung abgelehnt worden. Später hatte Stalker ihn besucht und sich die Anlagen von Olymp zeigen lassen. Mit keinem Wort und keiner Miene hatte der Gesandte erkennen lassen, ob er über Argyris Bescheid wusste.

»Ich bin ernsthaft bemüht, mich der Mentalität der Milchstraßenvölker anzupassen und sie zu verstehen«, hatte Stalker bei der Gelegenheit erklärt. Anson Argyris hatte das als Warnung und Drohung zugleich verstanden und sich gefragt, was der Sotho mit diesem Satz womöglich noch alles hatte ausdrücken wollen. Er war den Eindruck nicht losgeworden, dass er gehörig an der Nase herumgeführt wurde. Nahm Stalker ihn nicht ernst, weil er wusste, dass es sich bei ihm um einen Spezialroboter handelte? Um eine Maschine, die gut schauspielerte? Gab es da nicht eine Gemeinsamkeit mit dem Gesandten aus Estartu?

Wohl kaum, sinnierte der Vario-500 in der Stalker-Maske, während er sich zwischen zwei Bodenwellen vor dem energetischen Kreisel in Sicherheit brachte. Der Sotho verfolgte ihn. Der Vario ortete mit allen Möglichkeiten. Stalker war allein, sein Animateur befand sich zwar in der Nähe, war aber ein deutliches Stück zurückgeblieben.

Beim Weisen von Fornax war es dem Vario-500 in der Stalker-Maske erneut so vorgekommen, als beachte der Sotho ihn nicht. Er dachte an eine Bemerkung von Homer G. Adams zurück, die dieser vor etwa einem Vierteljahr gemacht hatte. Adams war zu der Zeit aufgefallen, dass er sich eine Stalker-Maske hatte anfertigen lassen.

»Sei vorsichtig!«, hatte der Aktivatorträger gewarnt. »Trete Stalker nie in dieser Maske gegenüber. Alles weist darauf hin, dass er sich als einmalig ansieht, als einziges Geschöpf seiner Art.«

»Wenn es sein muss, dann wohl hier und heute«, sagte Anson Argyris und war überzeugt, dass Tal Ker ihn hörte. Er wäre der Konfrontation lieber aus dem Weg gegangen, denn der Sotho war für ihn unberechenbar.

Der Verfolger gab keine Antwort. Der Energiewirbel wischte über den nächsten Felsgrat hinweg und kippte in die Bodenwelle ab, in der sich der Vario befand. Argyris-Stalker hatte den Gürtel mit dem Schutzschirmaggregat auf höchste Leistung geschaltet. Der Gürtel passte nicht zur Stalker-Maske, aber er hatte ihn dennoch angelegt.

Das Energiefeld kam näher. Die Biopositronik des Vario-500 wertete ununterbrochen die Sensormessungen aus. Distanz 30 Meter. Der Intervall-Desintegrator im linken Arm der Stalker-Maske wurde aktiv. Zwischen den Fingern stach ein mattes Flimmern hervor. Der Schuss traf die wirbelnde Erscheinung und schien daran auseinanderzufließen.

»Gib dir keine Mühe!«, hörte der Vario den Sotho sagen. »Es wird dir nichts nutzen!«

Argyris-Stalker justierte auf Punktbeschuss. Der ihn verfolgende Energiewirbel rotierte langsamer und kam zum Stillstand. Der Moment genügte, eine Überladung herbeizuführen. Das Energiefeld riss in einem grellen Blitz auf, irrlichternde Schleier sprühten auseinander. Der Vario schaltete den Antigrav hoch und suchte im Ortungsschatten der Emissionen das Weite. Er hörte den Animateur aufbracht schreien.

»Der Kerl wendet sich in Richtung seines Schiffes!«, schrillte Skorsh. »Du musst ihm den Weg abschneiden!«

Gleichzeitig trafen den Vario neue Hyperfunkimpulse. Der Narr meldete sich mit dem Teilbewusstsein Heimat I bei ihm.

»Wer den Stock gefährdet, zieht sich dessen Zorn zu«, warnte der Alpha-Mond. »Ich weise dich darauf hin, Anson Argyris, dass du alles vermeiden sollst, was sich nachteilig auf die Türme und ihre Umgebung auswirken könnte. Vergiss nicht, dass Marna Updikes Leben davon abhängt!«

»Es ist nicht meine Schuld«, entgegnete der Vario. »Der andere greift mich an!«

»Oh, ich kann euch durchaus unterscheiden!«

Heimat I hüllte sich wieder in Schweigen.

Der Vario schlug Haken und raste weiter. An die 200 Meter entfernt entdeckte er die Aura, die den Sotho umgab. Tal Ker hatte sich ebenfalls in einen Schutzschirm gehüllt, er schien nur nicht genau zu wissen, wo er den Vario zu suchen hatte.

Argyris-Stalker atmete innerlich auf. Der Psi-Pressor des Gegners war keine so überlegene Waffe, wie er es sich vielleicht vorgestellt hatte. Stalker musste erst nach der energetischen Spur suchen, bevor er die Verfolgung wieder aufnehmen konnte.

Knapp 100 Meter voraus stach eine grelle Explosion in den Himmel. Stalker hatte einen Psi-Sprengsatz gezündet, der ähnlich wirkte wie kollabierender Paratau. Der Vario-500 registrierte, dass sich die Ladung sekundenlang austobte, er fühlte sich aber nicht davon betroffen.

Die fünf Monde spekulierten im Hyperäther wild drauflos. Sie waren in eine Art Jagdfieber verfallen und gaben Wetten ab, wer die Auseinandersetzung überstehen würde. Heimat I mit allem Schutzbedürfnis und Marna Updike als Faustpfand kam dabei kaum zu Wort. Die anderen Monde scherten sich nicht darum, dass ein paar Türme und damit die hohe Intelligenz von Heimat I in Gefahr waren.

»Vorsicht, Maske!«, warnte der Alpha-Mond. »Er hat dir eine Falle gestellt und lauert in deiner Nähe!«

Der Vario reagierte prompt, änderte die Flugrichtung und beschleunigte. Er raste auf zwei Türme zu. Wo er sich eben noch befunden hatte, flammte ein brodelnder Glutball auf. Er war grell und stark, lag aber an die zehn Meter neben der Stelle, an der die Stalker-Maske gefährdet worden wäre.

»Gut so, bald ist es aus mit ihm!«, brüllte Skorsh. Der Animateur hatte sich allem Anschein nach an der Außenseite eines der Quarztürme niedergelassen und konnte alles überschauen. »Die Imitation bewegt sich in Richtung ...«

»Halt den Mund!«, befahl der Sotho. »Du verdirbst mir die Jagd!«

Der Animateur schwieg.

Und der Vario erkannte, dass er den Sotho unterschätzt hatte. Warum Tal Ker ihn auf Nachtschatten nicht beachtet hatte, lag auf der Hand. Der Gesandte war der REDHORSE gefolgt und hatte auf den besten Zeitpunkt gewartet. Nun schlug er zu.

»Rumus!« Argyris-Stalker bekam sofort Verbindung. »Ihr werdet nicht alles erkennen können, was vor sich geht. Haltet das Schiff in Alarmbereitschaft! Falls ich nicht zurückkehre, ergreift die Flucht! Stalker darf die Kogge nicht in seine Gewalt bekommen!«

»Verdammt, Anson, die Lage ist ernst«, entgegnete Rumus Sharman. »Die ESTARTU steckt irgendwo in der Nähe. Sie hält uns mit einem Fesselfeld fest. Selbst wenn wir alles einsetzen, wir kommen nicht weg!«

»Ihr müsst es schaffen!«

Ein betäubendes Krachen überflutete den Vario. In seiner unmittelbaren Nähe war ein zweiter Psi-Sprengsatz explodiert. Stalker musste mehrere davon ausgelegt haben.

Der Schutzschirm des Vario-500 brach zusammen, die Stalker-Maske wurde wie von einer Titanenfaust davongewirbelt. Der Vario stabilisierte nur mühsam die unkontrollierte Bewegung.

Ein Wärmereflex entstand innerhalb der kritischen Entfernung von 50 Metern. Argyris-Stalker wusste über die Möglichkeiten des Psi-Pressors Bescheid, deshalb erkannte er die Bedrohung sofort. Er registrierte den Schatten des Sothos und die acht Tentakel, die aus dessen Rückenwulst ausgefahren wurden. Die Tentakel verschlangen sich zu einem Bündel, das heftig nach ihm schlug, jedoch ohne ihn zu erreichen.

Nur Ablenkung? Die Stalker-Maske schrie unterdrückt auf und versuchte noch zu reagieren, aber der Sotho hatte die Attacke exakt kalkuliert. Ein Magnetfeld schlug über dem Vario zusammen und störte seine meisten Funktionen. Die Positronik gab Befehle über die Neuroleiter, doch der Robotkörper führte nicht einen davon aus. Der Ortungskopf fing an, wirr in der Maske zu kreisen und Hitze zu erzeugen. Arme und Beine versagten ihren Dienst, und das Antigravfeld brach zusammen, weil der Projektor plötzlich unregelmäßig arbeitete. Die Maske stürzte und rutschte über kantige Felsen, bis sie zur Ruhe kam. Die Notaggregate waren ebenfalls von dem Magnetschock betroffen. Der Vario benötigte Zeit, die Auswirkungen des abflauenden Feldes zu neutralisieren.

»Endlich hast du ihn!«, krähte Skorsh, und Argyris bereute in dem Moment, dass er seinen zweiten Animateur-Roboter nicht mitgenommen hatte. Er ortete, soweit ihm das überhaupt noch möglich war. Aus dem Chaos undefinierbarer Impulse schälte sich Stalkers Gestalt heraus. Der Sotho näherte sich langsam und gemächlich, gar nicht wie einer, der begierig darauf wartete, das gefangene Wild endgültig zur Strecke zu bringen. Der Vario erkannte undeutlich weitere Energieentladungen zwischen ihm und Stalker. Schüsse, vermutlich aus einem Handstrahler mit hoher Kapazität, versperrten dem Sotho den Weg.

Die Rotation des Ortungskopfs hörte auf, der Antigrav setzte wieder ein. Der Vario-500 beschleunigte und brachte sich mit mehreren Täuschungsmanövern aus dem Gefahrenbereich. Wieder war Stalker für ihn verschwunden und nicht anzumessen. Sogar der hilfreiche Schütze schien nicht mehr zu existieren. Andererseits meldete sich Heimat I.

»Weiter kann ich dir nicht zur Seite stehen, Anson Argyris in der Maske«, teilte der Narr mit. »Du musst dir jetzt selbst helfen. Immerhin bist du nicht allein!«

Dem Vario blieb keine Zeit, über den unbekannten Beschützer nachzudenken. Vor ihm wuchs ein Schemen auf: Stalker. Ein Prallfeld stoppte den Vario-500, und die Peitschen des Psi-Pressors schlugen zu und umklammerten ihn. Er schaltete den Antigrav erst ab, als sein Kraftwerk zu überlasten drohte.

»Anson Argyris«, sagte der Sotho Tal Ker beinahe sanft. »Ich wollte es nie glauben, dass wir uns unter so schlechten Bedingungen begegnen könnten. Warum hast du dir meine Worte nicht zu Herzen genommen? Erinnerst du dich? Ich riet dir, nie zu wünschen, dass du mir in meiner anderen Erscheinung begegnen würdest?«

Der Vario-500 war verwirrt. Stalker stand normal vor ihm, in seinen Schutzschirm gehüllt. Nichts von seiner Kampfgestalt war zu sehen. Argyris-Stalker begann zu zweifeln, ob der Sotho tatsächlich wusste, was er sagte.

Die Tentakel des Psi-Pressors lösten sich von der PVK-Maske. Aus einer der Hände Tal Kers blitzte ein schwacher Energiestrahl und desintegrierte den Pseudo-Variablen Kokon. Vorsichtshalber zog der Vario den Ortungskopf sowie die Teleskoparme und -beine ein. Als der letzte Rest des Kokons verdampft war, bückte sich Stalker und nahm das Robot-Ei behutsam auf.

»Was ist?«, kreischte Skorsh aus der Ferne. »Hast du ihn endlich? Wo bleibt die vernichtende Explosion?«

»Der Kampf ist zu Ende«, verkündete Stalker ruhig. »Was willst du mehr?«

Er schlug mit dem Vario-500 im Griff die Richtung zur REDHORSE ein, erklomm die Hochfläche und umrundete behutsam den zuletzt entstandenen neuen Quarzturm. Unmittelbar vor der Kogge setzte er den Vario ab.

»Ich hoffe, das Magnetfeld war nicht zu schlimm«, sagte er über eng gedrosselten Normalfunk. »Kannst du mir den schroffen Angriff nachsehen? Es lag nicht in meiner Absicht, dich zu beschädigen oder gar zu töten.«

Stalker sagte »beschädigen«, und der Vario hatte eigentlich erwartet, dass »eliminieren« folgen würde. Aber nein, der Sotho sagte »töten« und brachte damit zum Ausdruck, dass er sich der Problematik einer Einordnung des Kaisers von Olymp durchaus bewusst war.

»Ich verzeihe dir«, sagte Argyris ebenso verhalten. »Beantworte mir jedoch die Frage, was das alles soll. Warum ...?«

»Gib dir die Antwort selbst. Woran könnte es liegen? Daran, dass ich ein Intrigant bin – oder daran, dass wir uns irgendwo ähnlich sind?«

»Letzteres auf keinen Fall«, stellte der Vario fest und schwebte zu einer der Schiffsschleusen weiter. Er verharrte aber noch eine Weile an der Schleuse und verfolge, wie Stalker mit staksigen Schritten davoneilte. Es sah aus, als würde der Sotho sich unter den seltsamsten Verrenkungen bewegen.

Der Vario-500 schleuste dann ein und stellte fest, dass das Schott kurz vorher schon einmal geöffnet worden war. Er fragte sich, was das bedeutete. Eine Rundumortung ergab für ihn, dass kein Fesselfeld mehr die Kogge am Start hinderte, und am liebsten hätte er sofort die Nähe der ESTARTU und des Narren von Fornax verlassen.

Ein unbestimmbares Gefühl hielt ihn davon ab. Ohnehin musste er sich erst um den Quarzturm und um Marna Updike kümmern. Abgesehen davon fühlte er sich nackt in seinem Zustand ohne die PVK-Maske.

Skorsh reagierte seltsam. Er schlich im Abstand von zehn Körperlängen um den Sotho herum, den Blick zu Boden gerichtet und den Oberkörper zusammengekrümmt. Er bot ein Bild der Trauer, und am liebsten hätte Stalker ihn in die Dashid-Kammer geschickt. Aber genau das durfte er nicht tun.

Eine Stunde lang trieb Skorsh dieses erbärmliche wortlose Spiel. Währenddessen traf Stalker alle Vorbereitungen für seinen Besuch in der REDHORSE, und die Miene des Animateurs wurde immer betrübter und weinerlicher. Endlich gab er sich einen Ruck und hielt inne. Skorsh richtete sich auf, spannte die Muskeln und sprang den Sotho an. Er krachte mit voller Wucht gegen ihn und prallte ab wie ein Gummiball. Seufzend knickte er zusammen und blieb halb auf dem Rücken liegen. Die Augen hatten sich zu schmalen Dreiecken zusammengezogen, die Pupillen bildeten Schlitze. Vor Erregung schlug er mit Arm- und Beingelenken gegen den Boden.

»Man wird mich zur Rechenschaft ziehen«, jammerte er. »Ich bin ein schlechter Animateur. Es ist mir nicht gelungen, dich richtig zu motivieren, Sotho Tal Ker!«

»Keine Ursache«, meinte Stalker lapidar. »Wer sollte dich zur Rechenschaft ziehen? Man wird deinen Geisteszustand überprüfen, und damit ist dann alles klar.«

Augenblicklich fiel die gespielte Trauer von Skorsh ab. Er sprang auf und verzog das Gesicht zur Grimasse. »Unhold, Versager! Du bist am Ende!«, kreischte er. »Dein Untergang ist zugleich meiner, doch ich werde mich zu schützen wissen, hörst du? Du hast den Doppelgänger besiegt, aber ihn nicht getötet. Das ist ein erneuter Verstoß gegen den Kodex. Und du hast etwas getan, das mich tief erschüttert.«

»Was?«

»Du hast einen Animateur getötet, auch wenn es ein Roboter war!«

»Du redest irre. Ich habe ihn vernichtet, um dich vor Schaden zu bewahren. Also gerade das Gegenteil. Deine Worte beweisen mir, dass du nicht mehr zurechnungsfähig bist. Ich werde dich nach Estartu zurückschicken!«

Skorsh gab ein meckerndes Lachen von sich. »Niemand wird es dir danken. Hast du nicht schon genug Unheil angerichtet? Du verschenkst Permits an Fremde, die sich des Geschenks als unwürdig erweisen. Zwei der Vironauten wurden zu Toshins erklärt. Das ist das Symbol deines Versagens, Tal Ker!«

Die Toshins. Stalker hatte gewusst, dass genau das kommen würde. Skorsh redete immer wieder davon. Der Animateur hatte auch sein Spiel durchschaut, das er mit dem Vario-500 getrieben hatte. Er hatte den Doppelgänger gejagt und die Maske vernichtet. Er hatte getan, als bekämpfe er den Vario mit allen Mitteln. Erst in letzter Sekunde hatte er sich zurückgenommen und seinen Eifer gezügelt. Das war etwas, was ihm früher nie gelungen wäre.

Stalker fing an, sich seltsame Fragen zu stellen. Er verglich sich mit den Menschen und ihrer emotionellen Unterkühlung, die sie mitunter an den Tag legten. Und er fragte sich, ob er sie nur imitierte, oder ob ihm ihr Verhalten schon in Fleisch und Blut übergegangen war.

Er dachte auch an Gershwin, den Freund, der von ihm enttäuscht war. Gehörte es nicht zu den menschlichsten aller Tugenden, dass nach einer Enttäuschung eine neue Zeit des Vertrauens folgte? War Gershwin bereit, ihm zu glauben und seinen Irrtum zu verzeihen, dass er den Kartanin vertraut hatte?

Entschlossen setzte Stalker sich in Bewegung. Er musste einen großen Schachzug einleiten, der allein ihn selbst betraf. Danach wollte er auf dem schnellsten Weg in die Milchstraße zurückfliegen und sich um seine Lieblingsschüler kümmern. Und er musste tatsächlich die Freundschaft mit Gershwin erneuern.

Vielleicht war sogar Lelila Lokoshan inzwischen in die Milchstraße zurückgekehrt.

»Ich weiß nicht, was du planst«, zischte Skorsh. »Bestimmt willst du deine Fehler wiederholen. Du willst Anson Argyris all das ausliefern, was zu deinen Stärken zählt. Du wirst ihm wohl auch ein Permit überreichen. Ich hasse dich für deinen Verrat, Tal Ker!«

Manchmal gab es Dinge, die sogar einen biopositronischen Spezialroboter überraschen konnten. Diesmal waren es gleich mehrere Überraschungen, die Anson Argyris verdauen musste.

Als Erstes entdeckte er Marna Updike in der Bugzentrale der REDHORSE. Er hatte die Maske des Kaisers von Olymp angelegt und befand sich in Begleitung von Skorsh II. Die Entsorgungsspezialistin lächelte ihm entgegen, trat auf ihn zu und schüttelte ihm die Hand.

»Ich danke dir, Anson«, sagte sie deutlich bewegt. »Deine Entscheidung, mich zu den Quarztürmen mitzunehmen, hat mich gerettet. Es ist dem Narren gelungen, mich zu heilen!«

»Du brauchst mir nicht zu danken«, entgegnete Argyris. Er sah die angespannten Gesichter der Besatzung und die fragenden Blicke beider Ärztinnen. »Was du über den Narren von Fornax sagtest, hat mir den Weg gewiesen. Ich rate dir, mach keine weiteren Experimente mit Paratau. Zumindest nicht unter derart gefährlichen Voraussetzungen.«

Marna Updike versprach, den Rat zu beherzigen. Sie fühlte sich müde, Tavora Anselein und Lyscha Krin begleiteten sie zu ihrer Kabine.

Argyris musterte Rumus Sharman. Der Emotionaut gab sich unbeteiligt.

»Wer von euch war es?«, fragte der Kaiser. »Wer hat mir draußen geholfen?«

Keiner meldete sich. Alle wirkten irgendwie unbeteiligt, bis Mauritius Koek unvermittelt sagte: »Es war Marna, und sie handelte im Auftrag des Narren!«

Der Kaiser von Olymp brach in schallendes Lachen aus – und verstummte ebenso schnell, weil ein fremder Gleiter urplötzlich an der Kante des Hochplateaus auftauchte und sich dem Schiff näherte.

»Schirm nicht aktivieren!«, rief der Vario. »Es ist der Sotho!«

Was will Stalker hier?, fragte er sich zugleich. Warum kommt er mit einem Fahrzeug, das aussieht wie ein Lastengleiter?

Kurz darauf wusste er es. Stalker flog in einen leeren Hangar ein und entlud vor den Augen des Kaisers den Gleiter. Er breitete verschiedene Gegenstände aus.

»Hier ist ein Psi-Pressor«, sagte er. »Dasselbe Modell, das ich trage. Da ich einen neuen Animateur-Roboter an deiner Seite sehe, nehme ich an, dass du auch über eine Stalker-Ersatzmaske verfügst.«

Argyris nickte.

»Und hier hast du ein Permit für die linke Hand«, fuhr der Sotho fort. »Es garantiert dir freies Geleit und ungehinderten Flug in der Mächtigkeitsballung Estartu. Außerdem bekommst du einen echten Sh'ant. Wie der Anzug wirkt, muss ich dir kaum erklären, ich gehe davon aus, dass du informiert bist. Trage den Sh'ant, wenn du die Stalker-Maske benutzt.«

»Ich verstehe dich nicht.« Argyris kniff forschend die Brauen zusammen. »Erst strafst du mich mit Missachtung, dann kämpfst du gegen mich und vernichtest mich fast. Schließlich bittest du um Verzeihung und machst mir Geschenke. Du bist mir eine Erklärung schuldig.«

»Der Kampf war gestellt. Ich betrachte es als eine Ehre, wenn du wieder die Sotho-Maske anlegst. Benutze sie, sooft es dir nötig erscheint, du hast meine Einwilligung. Aber ich warne dich: Liefere dich nie einem Animateur aus, selbst wenn es ein Roboter ist.«

»Warum hast du Skorsh als Berater?«

Stalker seufzte ergeben. Seine Haltung und sein Gesicht erinnerten an einen frommen Prediger irgendwo in einer wüsten Gegend, umgeben von Hyänen und Ungläubigen. Er wandte sich seinem Gleiter zu. Am Einstieg blieb er kurz stehen.

»Das Permit wird dir die sicherste Route nach Estartu weisen, Anson Argyris. Du siehst, es lag nie in meiner Absicht, die Karawane endgültig an ihrem Aufbruch zu hindern. Im Gegenteil. Doch bevor du nach Estartu fliegst, solltest du noch einmal Olymp aufsuchen. Ich werde dann in der Nähe sein.«

Stalker sagte es und schwang sich in den Gleiter. Fünf Minuten später war er von der Hochfläche verschwunden, und kurz darauf wurde die ESTARTU geortet. Das sternförmige Schiff des Sothos raste aus dem Zyklopsystem und verschwand übergangslos, als es sich in das Psi-Netz einfädelte.

Anson Argyris stand das Misstrauen ins Gesicht geschrieben. Er nahm die Geschenke an sich und schaffte sie in seinen Geheimtrakt. Danach wies er die Mannschaft an, nach Kontor Fornax zurückzukehren.

Argyris war sich nicht klar, wie er den Sotho einschätzen sollte. Er entschied dennoch, auf Stalkers Vorschläge einzugehen, solange es keine Anhaltspunkte dafür gab, was der Gesandte aus Estartu plante.

Leila Terra empfing ihn in ihrem Büro und mit der Auswertung des Plebiszits von Sheela Rogard. Die Terraner hatten sich gegen eine Installierung des Teleport-Systems ausgesprochen, das Desaster auf Arkon I hatte sie abgeschreckt. Andererseits befürworteten sie den Ausbau der Upanishad, die sie für förderungswürdig hielten. Das war zumindest ein Teilerfolg für Stalker und seine Politik.

Während er selbst berichtete, weilte der Kaiser von Olymp mit einem Teil seiner Gedanken bei Skorsh. Er fragte sich, wozu ein Animateur gut war und in welchem Verhältnis er zum Sotho stand. Die Antwort auf diese Frage versprach womöglich eine weitere Überraschung.

Perry Rhodan 157: Stalker gegen Stalker  (Silberband)

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